Wer über die Äcker rund um den Tengener Ortsteil Uttenhofen streift, bekommt den Eindruck, es werde Landwirtschaft wie vor vielen Jahren betrieben. Die Felder auf den welligen Hügeln rund ums Dorf sind nicht übermäßig groß und zwischen den Äckern stehen noch Bäume, die nicht wie bei Agrarfabriken in anderen Teilen Deutschlands der Motorsäge zum Opfer gefallen sind.

In dieser Gegend betreibt Stefan Leichenauer seine Landwirtschaft. Und beim Besuch von knapp 40 SÜDKURIER-Lesern in der Veranstaltungsreihe „Der SÜDKURIER öffnet Türen“ sagt Leichenauer auch klar: „Ich mache eigentlich Landwirtschaft wie mein Opa.“ Nur dass das Kind heute einen schicken neudeutschen Namen habe, nämlich Hybrid Farming.

Die Besuchergruppe im Lauterbachhof. Vorne der Leiter der SÜDKURIER-Lokalredaktion Singen, Stephan Freißmann (links), und Landwirt ...
Die Besuchergruppe im Lauterbachhof. Vorne der Leiter der SÜDKURIER-Lokalredaktion Singen, Stephan Freißmann (links), und Landwirt Stefan Leichenauer. | Bild: Kerle, Helene

Bei manch einem Besucher kommen nostalgische Erinnerungen an frühere Kartoffelernten zurück, beim Geruch der Erde, die Leichenauer den Besuchern an seinem Acker präsentiert. Den Boden werte die Familie mit Bio-Kompost aus dem Singener Kompostwerk auf, wie er zuvor auf seinem Hof im Dorf erklärt hat. Jetzt riecht der Boden am Weizenfeld so richtig schön erdig, eben wie damals.

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Dass er seine Landwirtschaft heute so betreibt, hänge auch mit einem Burnout im Jahr 2016 zusammen. Danach habe er sich nämlich hinterfragt, ob er wieder ins Hamsterrad aus immer größerer Effizienz und immer höheren Erträgen zurückwolle. Er habe die alten Schulbücher der früheren Generationen gefunden und angefangen, die hergebrachten Arbeitsweisen auszuprobieren. Deswegen arbeite sein Betrieb jetzt mit einer achtgliedrigen Fruchtfolge. Das heißt: Acht verschiedene Feldfrüchte wechseln einander ab.

Landwirt Stefan Leichenauer erklärt den Besuchern, was seine Bullen und Ochsen zu fressen bekommen – unter anderem 100 bis 150 ...
Landwirt Stefan Leichenauer erklärt den Besuchern, was seine Bullen und Ochsen zu fressen bekommen – unter anderem 100 bis 150 Kilogramm Gras am Tag. | Bild: Freißmann, Stephan

„Betriebswirtschaftlich wäre die dreigliedrige Fruchtfolge die beste“, sagt er. Auf den 90 Hektar Ackerland, die er bewirtschaftet, wachsen unter anderem Weizen, Braugerste, Hafer, Raps oder Luzerne als Futterpflanze. Als Zwischenkulturen kommen Mischungen mit verschiedenen Pflanzensorten zum Einsatz, bei denen Leguminosen immer den größten Anteil bilden, sagt Leichenauer – also Pflanzen, die Stickstoff im Boden binden können, als Nährstoff für die nächste Kultur.

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Doch die altmodische Art der Landwirtschaft hat auch ihre wirtschaftlichen Schattenseiten: „Wenn ich für den globalen freien Markt produzieren würde, wäre der Gewinn sehr gering. Durch die Regionalität haben wir immer ein Fünferle mehr.“ Regionalität – das ist das Zauberwort für Leichenauers Art der Vermarktung.

„Ich finde es toll, dass da ein Landwirt ist, der eine Möglichkeit gefunden hat, wie sich die Arbeit für ihn lohnt.“ ...
„Ich finde es toll, dass da ein Landwirt ist, der eine Möglichkeit gefunden hat, wie sich die Arbeit für ihn lohnt.“ Gabriele Glaser-Wuttke, Singen | Bild: Freißmann, Stephan

Dadurch dass für die Bullen und Ochsen, die Leichenauer züchtet, der Weg zum Schlachter in der Regel gerade mal bis nach Tengen in die Metzgerei „Zum Frieden“ von Andreas Keller führt, hätten die Tiere weniger Stress. Das verbessere die Qualität des Fleisch, was auch der Metzger gegenüber der Besuchergruppe bestätigt. Am Ende des Besuchs konnten die Gäste das auch noch bei einem kleinen Imbiss schmecken.

Eine Bio-Zertifizierung habe er aber verworfen, erzählt der Landwirt. Die Vermarktung wäre nicht sichergestellt gewesen, denn auch die Abnehmer müssten dann entsprechend zertifiziert sein. Das hätte wieder weitere Transportwege nach sich gezogen.

Lieber wenig, aber gutes Fleisch

Viele in der Besuchergruppe, in der einiges an landwirtschaftlichem Wissen vorlag, hatten ein Herz für die regionale, altmodische Landwirtschaft, die hier präsentiert wurde. Eveline Kramer aus Wahlwies beispielsweise sagte, früher hätten die Menschen nur selten Fleisch gegessen, dafür sei es aber gutes Fleisch gewesen. Heute sei bei vielen Menschen nicht mehr allzu viel Wissen über Lebensmittel vorhanden.

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Und Silvia Bohl aus Radolfzell-Güttingen, die früher selbst mit ihrem Mann im Nebenerwerb Rinder gezüchtet hat, berichtete von ihren Erfahrungen mit einer etwas selteneren Frucht. Auf einer Ernte Leinsaat sei man zuletzt ewig sitzengeblieben, bis sie verkauft war – weil die Abnehmer für genau diese Menge fehlten.

„Hut ab vor jedem, der es mit der Landwirtschaft durchzieht.“ Katrin Hirt, Eigeltingen-Eckartsbrunn
„Hut ab vor jedem, der es mit der Landwirtschaft durchzieht.“ Katrin Hirt, Eigeltingen-Eckartsbrunn | Bild: Freißmann, Stephan

Auch Werner Philippi hat in seiner hessischen Heimat im Nebenerwerb Landwirtschaft betrieben, ehe er mit seiner Frau nach Hilzingen gezogen ist. Täglich sei er um fünf Uhr aufgestanden, um diese Arbeit zu bewältigen, 30 Jahre lang sei er Mähdrescher gefahren. „Es ist eine große Erleichterung, das nicht mehr machen zu müssen.“

Stefan Leichenauer hat nach dem Tod seines Vaters und seinem Burnout in den 2010er-Jahren einen anderen Schluss gezogen – und sich eine Nische geschaffen, in der seine Art der Landwirtschaft funktioniert. Das bedeute auch viel Öffentlichkeitsarbeit, etwa über soziale Netzwerke. Dabei haben er und seine Frau Nicole Kopp auch weitere Jobs, der Hof ist nicht der Haupterwerb. Kopp arbeitet als Arzthelferin in Tengen, Leichenauer hilft gelegentlich in einem Baugeschäft aus.

Einen Blick in den Bullenstall haben die Besucher auch bekommen.
Einen Blick in den Bullenstall haben die Besucher auch bekommen. | Bild: Freißmann, Stephan

Dass dieser Betrieb seine Nische gefunden hat, beeindruckt auch Werner Wuttke aus Singen. Seine Frau Gabriele Glaser-Wuttke ließ sich regelrecht von der Begeisterung des Landwirts anstecken. Ihr Vater habe einen Hof gehabt, wo die Kinder immer hätten mithelfen müssen: „Ich finde es toll, dass da ein Landwirt ist, der eine Möglichkeit gefunden hat, wie sich die Arbeit für ihn lohnt“, sagt sie.

Und Katrin Hirt aus Eigeltingen-Eckartsbrunn sagt: „Hut ab vor jedem, der es mit der Landwirtschaft durchzieht. Man kann alles Mögliche regeln, aber nicht das Wetter. Und von dem hängen die Landwirte ja ab.“