Als im November antisemitische Schmierereien in Volkertshausen auftauchten, ließ das aufhorchen. Auf einer Sitzbank und einem Baum waren entsprechende Symbole aufgetaucht. Auf dem Baum war auch am Tag nach dem Vorfall noch deutlich ein Hakenkreuz zu erkennen, die Bank war schon gesäubert. Nur noch ein weißlicher Fleck war von dem zurückgeblieben, was dort einmal zu sehen war. Bei dem rasch beseitigten Symbol auf der Bank habe es sich ebenfalls um ein Hakenkreuz gehandelt, erklärte Polizeisprecherin Katrin Rosenthal damals auf Anfrage – also um ein Symbol aus der Zeit des Nationalsozialismus, in der Juden systematisch verfolgt wurden.

Die Polizei suchte nach Zeugen, ein politischer Hintergrund sei bei den Schmierereien ebenso möglich wie ein sogenannter Dumme-Jungen-Streich, wie Rosenthal damals schrieb. Ermittlungsansätze hätten sich in der Zwischenzeit nicht ergeben, sagt Rosenthal nun, auch auf den Zeugenaufruf hin habe sich niemand gemeldet. Die Akte gehe nun an die Staatsanwaltschaft – was aber nicht heiße, dass nichts mehr passiert, wenn es doch noch neue Erkenntnisse dazu geben sollte.

Fünf antisemitische Straftaten im Jahr 2023

Dass antisemitische Straftaten in der Region immer wieder mal vorkommen, zeigt ein Blick in die polizeiliche Statistik. Die verzeichnet im Jahr 2023 fünf antisemitische Straftaten für den Bezirk des Polizeireviers Singen. Zwei dieser Straftaten fanden 2023 in Singen statt, drei in Rielasingen-Worblingen. Zahlen für das Jahr 2024 werden erst mit der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) im nächsten Jahr veröffentlicht, schreibt Sprecherin Rosenthal.

Zuständig ist das Polizeirevier Singen für die Kommunen Singen, Engen, Gottmadingen, Hilzingen, Rielasingen-Worblingen, Aach, Büsingen, Gailingen, Mühlhausen-Ehingen, Steißlingen, Volkertshausen und Tengen.

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Und das ist keine ganz neue Entwicklung. Schon im Jahr 2022 verzeichnet die Polizeistatistik fünf antisemitische Straftaten in der Region. Eine davon fand in Singen statt, eine in Gailingen, eine in Steißlingen und zwei in Hilzingen. Für die Jahre 2019 bis 2021 stehen noch einmal insgesamt sechs antisemitische Straftaten in der Statistik.

Was ist da nun jeweils geschehen? Das aus der Polizeistatistik herauszulesen, ist nicht ganz einfach. In den meisten dieser Fälle gehe es um Straftaten nach den Paragrafen 130 und 131 des Strafgesetzbuchs, in denen die Bestrafung von Volksverhetzung beziehungsweise Gewaltdarstellung geregelt ist, schreibt Rosenthal. Beispielsweise stammen alle fünf Fälle aus dem Jahr 2023 aus diesem Bereich. Und Rosenthal hat noch eine Information dazu. Alle fünf Fälle im Jahr 2023 seien im Internet begangen worden, entweder durch Posten oder durch Teilen entsprechender Inhalte in sozialen Netzwerken.

Fast alle antisemitische Straftaten tragen sich im Internet zu

Auch das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart hat auf Anfrage in seine Datenbank geschaut. Demnach handelte es sich bei den fünf Fällen 2023 jeweils um Volksverhetzungen, die dem Phänomenbereich Rechts zugeordnet werden. Die Straftaten gingen also von politisch rechts orientierten Personen aus.

Aus der LKA-Statistik geht außerdem hervor, dass vier dieser fünf Fälle nach dem 7. Oktober 2023 begangen wurden – dem Tag des Angriffs der Hamas auf Israel. Alle drei Fälle mit Tatort Rielasingen-Worblingen fanden demnach am 10. November 2023 statt, einer mit Tatort Singen am 11. November. Der fünfte Fall, ebenfalls Tatort Singen, ist am 4. September verzeichnet.

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Im Jahr 2022 ist das Bild der antisemitischen Straftaten in der Region bunter. Da verzeichnen die Polizeibehörden zum Beispiel zwei Taten mit Tatort Hilzingen, die nach Paragraf 192a des Strafgesetzbuches als verhetzende Beleidigung eingestuft wurden. Auch hier sei das Tatmittel das Internet gewesen, und zwar durch den Versand von E-Mails, so LKA-Sprecherin Nadine Hell.

Außerdem verzeichneten die Ermittler 2022 zwei Fälle von Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs). Eine dieser Taten habe in Gailingen stattgefunden, eine in Singen. „In einem Fall wurde die Fassade eines jüdischen Museums und im zweiten Fall Gartenhäuser mit Symbolen beschmiert“, heißt es dazu in der Stellungnahme des LKA.

Anderswo gibt es deutlich mehr Fälle

Die sechs Fälle aus den Jahren 2019 bis 2021 sind laut der Aufstellung des Konstanzer Polizeipräsidiums und des LKA ebenfalls Taten der Volksverhetzung nach Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs. Die allermeisten davon stuft das LKA in den Phänomenbereich Rechts ein, nur einmal heißt es „nicht zuzuordnen“.

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Ist das nun eine besorgniserregende Entwicklung? Vergleichszahlen von 2023 hat das LKA auf der Ebene von Polizeipräsidien zusammengestellt. Demnach gab es im vergangenen Jahr im ganzen Zuständigkeitsbereich des Präsidiums Konstanz, das sind die Landkreise Konstanz, Schwarzwald-Baar, Tuttlingen und Rottweil, 42 antisemitische Straftaten. Unterboten wurde dieser Wert nur von den Präsidien in Ludwigsburg (40), Pforzheim (36), Ulm (36) und Ravensburg (28). In acht Polizeipräsidien lag der Wert höher als in Konstanz, am höchsten mit 76 antisemitischen Straftaten in Mannheim.