Mit Standing Ovations verabschiedeten die Besucher in der Bundschuhhhalle das zehnköpfige Ensemble des Theaters Lindenhof, das in einer grandiosen Aufführung den Bauernkrieg, der vor 500 Jahren die mittelalterliche Welt ins Wanken brachte.

Das zehnköpfige Ensemble des Theaters Lindenhof.
Das zehnköpfige Ensemble des Theaters Lindenhof. | Bild: Volk, Siegfried

Unter einer Regenbogenfahne versammelten sich die unterdrückten Bauern verschiedener Landsmannschaften und formulierten die berühmten „Zwölf Artikel von Memmingen“, in denen sie unter anderem die Abschaffung der Leibeigenschaft, des Frondienstes, Verringerung der Steuerlast bis zur Wahl des eigenen Pfarrers forderten. In Anlehnung an die „Sieben Schwaben“ rangen sieben Bauernvertreter um die Artikel, hin- und hergerissen, ob deren Durchsetzung durch Verhandlung oder Kampf erreicht werden sollte. „Mit dem Schwert wollen wir die Gerechtigkeit Gottes“, forderten besonders lautstark die beiden weiblichen Protagonisten, die Theaterautor Franz-Xaver Ott ins historische Geschehen geschrieben hat, um die Bedeutung der Frauen bei diesem Jahrhundertereignis zu würdigen.

Theologische Auseinandersetzung integriert

Den Bauern standen ihre Unterdrücker gegenüber – die weltlichen und geistlichen Mitglieder des Schwäbischen Bundes, wobei sich die Obrigkeit sich bei ihrem Handeln wie die Bauern auf die Heilige Schrift und Gott berief.

Die hohen Mitglieder des Schwäbischen Bundes beratschlagen, wie sie mit dem Protest der Bauern umgehen sollen – Kampf oder Verhandlungen.
Die hohen Mitglieder des Schwäbischen Bundes beratschlagen, wie sie mit dem Protest der Bauern umgehen sollen – Kampf oder Verhandlungen. | Bild: Volk, Siegfried

Das Stück „Wenn nicht heut, wann dann“ erweitert das Geschehen folgerichtig um die theologische Auseinandersetzung. Zur Sprache kommt die doppelzüngige Rolle, die Reformator Martin Luther beim Bauernkrieg spielte. Anfangs unterstützte er die Bauern, denn laut Bibel solle man Gott mehr gehorchen, als dem Herren, um später „wider den mörderischen Rotten“ zu hetzen. Von seinen Gegenspielern wie Ulrich Zwingli oder Thomas Müntzer wurde er als „Bruder Duckmäuserich“ verachtet.

Bauernjörg als Kriegsgeschäftsmann

„Der Aufruf wird zum Aufruhr“, plädierte Luther für die Aufrechterhaltung der ehrwürdigen Ordnung. Für die Kriegspartei des Schwäbischen Bundes in Gestalt des Söldnerführers Trucheß von Waldburg alias „Bauernjörg“, grandios verkörpert von Rino Hosennen, war die Einlassung des Reformators die Rechtfertigung, um den Aufstand blutig niederzuschlage, viele tausend Bauern umzubringen und zu plündern. „Ich brauche die Plünderung, um den Sold zu zahlen“, verhehlte der Kriegsgeschäftsmann nicht seine Lust am Krieg: „Schlachtet alles ab.“

Das Publikum in der Bundschuhhalle war vom Theater Lindenhof absolut begeistert und verabschiedete die Akteure mit Standing Ovations.
Das Publikum in der Bundschuhhalle war vom Theater Lindenhof absolut begeistert und verabschiedete die Akteure mit Standing Ovations. | Bild: Volk, Siegfried

Nach dem siegreichen Ende, sprich dem letzten Massaker, fühlte sich die Obrigkeit wieder in Sicherheit und schon feilschten sie mit ihrem Kriegsmann um dessen Honorar. Mehr als 3000 Dörfer soll der Bauernjörg während des fünfmonatigen Feldzugs geplündert und rund 100.000 Bauern getötet haben, informierte die Pfeifferlies, die das Geschehen als Chronistin kommentierte, die Besucher, die sich dann von den Plätzen erhoben, um dem zehnköpfigen Ensemble des Lindenhof-Theaters mit Standing Ovations für eine grandiose Darstellung zu danken.

Wenig Besucherinteresse am Bauernkriegslager

Bauernkriegslager vor der Bundschuhhalle.
Bauernkriegslager vor der Bundschuhhalle. | Bild: Volk, Siegfried

Den ganzen Tag über hatten Besucher Gelegenheit, vor der Bundschuhhalle ein Bauernkriegslager zu besuchen, alte Handwerksberufe wie Korbflechter oder Bogenbauer kennenzulernen und einen Plausch mit den Petershausener Mönchen, dargestellt von Mitgliedern der Reservistenkameradschaft Oberer Linzgau, zu halten.

Aufgrund der großen Hitze war das Interesse an der Ramsberger Rotte und ihren Kollegen, die hobbymäßig das Mittelalterleben nachahmen, absolut überschaubar.

Die Ramsberger Rotte mit den Mönchen von Petersausen, dargestellt von Mitgliedern der Reservistenkameradschaft Oberer Linzgau und mit ...
Die Ramsberger Rotte mit den Mönchen von Petersausen, dargestellt von Mitgliedern der Reservistenkameradschaft Oberer Linzgau und mit dabei Bürgermeisterin Alexandra Kipp (2. von rechts). Foto: Siegfried Volk | Bild: Volk, Siegfried
Aus Weiden flechtet Thorsten Schmidt aus Tettnang schöne Körbe.
Aus Weiden flechtet Thorsten Schmidt aus Tettnang schöne Körbe. | Bild: Volk, Siegfried
Diese Werkzeuge auf dem Tisch des Medicus versprechen Heilung.
Diese Werkzeuge auf dem Tisch des Medicus versprechen Heilung. | Bild: Volk, Siegfried
Einen solchen Bogen benutzten die Reiterhorden, die aus Ungarn in das Land einfielen.
Einen solchen Bogen benutzten die Reiterhorden, die aus Ungarn in das Land einfielen. | Bild: Volk, Siegfried

Dabei verfügen die Freizeitritter, Mönche und Handwerker über enormes Detailwissen über die Welt vor 500 Jahren, so wie Bogenbauer Jürgen Brombeiss aus Tettnang. Zwischen 20 und 40 Stunden benötigt er, um einen Bogen aus Eschenholz herzustellen, handgeschmiedet sind auch die Pfeilspitzen. Schier täglich mussten die Bogenschützen trainieren, um ihre Waffe richtig zu beherrschen. Es gab nach Angaben von Jürgen Brombeiss von den Militärs damals die Vorgabe, dass ein Schütze sechs Pfeile abgeschossen haben musste, bevor der erste Pfeil den Boden erreichte.