Wer verbindet die Schriften der Heiligen Hildegard von Bingen, die griechische Heldensage um Theseus, die europäische Demokratieidee und das Gedenken an den Bauernkrieg vor 500 Jahren? Auf diese Frage gibt es nur eine Antwort: Bruder Jakobus Kaffanke, der als Einsiedler auf dem Ramsberg lebt. Der Benediktinermönch hat gemeinsam mit den Künstlern Susanne Hackenbracht und dem verstorbenen Gerold Nothdurft die Idee eines Labyrinths entwickelt. Ausgehend vom weltbekannten Fußbodenlabyrinth in der Kirche von Chartres und der Idee eines „roten Fadens“ folgend.
Acht Wegstationen zeigen Dualität zwischen Tugend und Laster
Beginnend beim Friedhof in Großschönach werden acht Wegstationen errichtet, bestehend aus Schildern auf Metallpfosten, die thematisch Tugenden und Laster aus der Lehre der Heiligen Hildegard von Bingen behandeln.
Der Labyrinth-Weg endet auf dem Ramsberg und beim Herunterlaufen entdeckt der Besucher an den Wegstationen korrespondierend zu den Tugenden die acht entsprechenden Laster. Der Förderverein Ramsberg ist an dem Projekt nur indirekt beteiligt, wie der stellvertretende Vorsitzende Frieder Kammerer im SÜDKURIER-Gespräch aufklärt. Die Einweihung ist für den 19. September um 14 Uhr auf dem Friedhofparkplatz Großschönach geplant.
Griechischer Sagenheld als Ideengeber für die Demokratie
Bruder Jakobus Kaffanke nutzt neben den Werken von Hildegard von Bingen ein Standardwerk über die griechische Sagenwelt als Grundlage für die Konzeption des Ramsberger-Labyrinth-Wegs“. Bekanntlich hatte dereinst die kretische Königstochter Ariadne dem attischen Helden Theseus der in das Labyrinth von Knossos eindringen und den menschenfressenden Minotaurus töten wollte, den Rat gegeben, ein Knäuel roter Schnur mitzunehmen. Diese Schnur sollte er bei seiner Suche nach dem Stiermenschen ständig abwickeln, um später den Rück- und Ausweg aus der komplexen Anlage sicher zu finden. Das scheinbare Chaos der unterirdischen Labyrinth Anlage, wird geordnet durch den „roten Faden“. Theseus befolgte den Rat, tötete den Stier, heiratete Ariadne und verzichtete später als König auf einen großen Teil seiner absoluten Macht und übergibt diese an an einen gewählten Rat. Bruder Jakobus sieht darin den Beginn der griechischen Polis, dem Vorbild der Demokratie. In der christlichen Mystik, der Kunst das innere Leben des Menschen erfolgreich, gelingend zu gestalten, findet sich das Motiv des „Roten Fadens“, insbesondere bei Heinrich Seuse wieder. Seuse, geboren um 1295 in Konstanz oder Überlingen, gestorben 1366 in Ulm, berichtet in seiner Schrift „Mein Leben“ von seinem geistlichen Weg in verschiedenen Stufen und Stationen.
Tugenden- und Lasterlehre von Hildegard von Bingen
Und der Labyrinth-Weg verknüpft zudem die Tugenden- und Lasterlehre von Hildegard von Bingen. Die bekannteste Mystikerin des Mittelalters hat vor vielen hundert Jahren insgesamt 35 Tugenden und Laster erkannt, die scheinbar zeitlos erscheinen sind, wobei das Labyrinth-Team sich auf jeweils acht Themenbereiche einigte. Bruder Jakobus Kaffanke sieht die geplanten acht Wegstationen, an denen auf den Schildern jeweils ein korrespondierendes Tugend- und Lasterpaar zu lesen sein wird, als gedanklichen Initiationsweg.
Mit der Tugend, symbolisiert durch einen nach oben zeigenden Pfeil, führt der Weg der Erkenntnis hinauf auf den Ramsberg. Auf dem Rückweg zeigt sich dem Besucher die Dualität des Lebens, denn er wird mit den Lastern konfrontiert, symbolisch mit dem Pfeil nach unten markiert. Eine Station wird übrigens am roten Wasserhydranten sein, der die Grenze zwischen dem Landkreis Sigmaringen und dem Bodenseekreis markiert. Der Ramsberger Labyrinth-Weg verknüpft so die Tugenden- und Lasterlehre der Heiligen Hildegard von Bingen mit dem Lebensfaden-Motiv von Heinrich Seuse und dem Demokratie-Gedanken der griechischen Theuses-Sage.