Seit der Gemeindereform in den Jahren 1973/1974 wählen die Einwohner von Herdwangen-Schönach ihre Gemeinderäte im System der unechten Teilortswahl. Das soll jetzt nach 50 Jahren anders werden, denn die Gegner dieser Methode haben sich am Dienstagabend während der Gemeinderatssitzung im Herdwanger Rathaus nach kontroverser Diskussion durchgesetzt und das Gremium hat mehrheitlich für die Abschaffung dieser Methode gestimmt.

Es bleibt bei zwölf Mitgliedern im Gemeinderat

Sie wird damit bei der bevorstehenden Kommunalwahl im kommenden Jahr nicht mehr angewendet. Die Ratsmitglieder entschieden sich außerdem dafür, die Zahl der Mitglieder des Gemeinderats nicht zu verändern. Es soll auch künftig bei den bisherigen zwölf Sitzen bleiben.

System besteht seit Gemeindereform

Cornelia Fischer, die seitens der Verwaltung für Wahlen in der Gemeinde zuständig ist, ließ eingangs der Sitzung die geschichtliche Entwicklung der unechten Teilortswahl in Herdwangen-Schönach Revue passieren. „Man hat diese Wahl als befristetes Instrument bei der Gemeindereform eingeführt, um bestimmten Wohnbezirken, die sich dann in der Gesamtgemeinde vereinigt haben, eine Mindestzahl an Sitzen zugestehen zu können“, erläuterte Fischer.

Viele Städte und Gemeinden haben die unechte Teilortswahl abgeschafft

Es sei immer schon als befristete Methode geplant gewesen, inzwischen hätten zahlreiche Gemeinden in Baden-Württemberg die unechte Teilortswahl wieder abgeschafft. So habe es im Jahr 1989 im Ländle 680 Gemeinden gegeben, die dieses System nutzten, was einer Quote von 61 Prozent der Gemeinden entsprach. 2019 habe man nur noch 384 Kommunen mit Unechter Teilortswahl gezählt – also nur noch 35 Prozent aller Gemeinden Baden-Württembergs. Derzeit wird in zahlreichen Städten und Gemeinden über dieses System entschieden. In Pfullendorf hatte der Gemeinderat Ende Mai dieses Jahres die Abschaffung der unechten Teilortswahl beschlossen.

Oberndorfer lehnen Wechsel ab

Nur ein einziges Argument, das für die Beibehaltung des bisherigen Systems sprach, hatte die Verwaltung in der Tischvorlage für die Sitzung aufgeführt. „Die unechte Teilortswahl sichert die räumliche Verteilung der Gemeinderatssitze im Gemeindegebiet und somit die Repräsentanz jedes Wohnbezirks entsprechend der festgelegten Zahl der Sitze“, stand dort zu lesen.

Dieses Argument dürfte auch der Entscheidung des Oberndorfer Ortschaftsrats zugrunde liegen, der sich in seiner jüngsten Sitzung für die Beibehaltung der unechten Teilortswahl ausgesprochen hatte.

Sorge um den Sitz im Gemeinderat für Oberndorf

„Wir haben die Sorge, dass wir bei der Abschaffung keinen Gemeinderat mehr aus Oberndorf haben werden“, erläuterte Erwin Knoll, Ortsvorsteher von Oberndorf, die Hintergründe der Entscheidung. Auch befürchte man ein Ungleichgewicht bezüglich der Sitzverteilung der beiden Hauptorte der Gemeinde. „Es kann passieren, dass es dann acht Schönacher Räte gibt und nur vier Herdwanger – oder auch umgekehrt“, schilderte Erwin Knoll. Der Oberndorfer Ortschaftsrat wolle wegen dieser Gründe die unechte Teilortswahl beibehalten.

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Gemeinderat Berthold Baumann (Freie Wähler) forderte Unterstützung für das Oberndorfer Votum ein: „Der Respekt vor der Teilgemeinde Oberndorf bedingt es, dass wir deren Forderung nachkommen.“ Die unechte Teilortswahl sei „nicht so schlecht gewesen“ in den vergangenen 50 Jahren, plädierte er für die Beibehaltung.

Gemeinderat Berthold Baumann (Freie Wähler) sagt: „Der Respekt vor der Teilgemeinde Oberndorf bedingt es, dass wir der Forderung ...
Gemeinderat Berthold Baumann (Freie Wähler) sagt: „Der Respekt vor der Teilgemeinde Oberndorf bedingt es, dass wir der Forderung des Ortschaftsrats nachkommen.“ | Bild: SK-Archiv

Die Gemeindeverwaltung hatte hingegen einige Gründe aufgezählt, die gegen dieses System sprechen. Unter anderem erinnerte Cornelia Fischer an die relativ hohe Anzahl von ungültigen Stimmen, die durch das komplizierte Verfahren bei früheren Wahlen zustande gekommen seien. Auch führte sie an, dass Wohnbezirksergebnisse nicht unbedingt den Wählerwillen wiedergeben, denn durch die unechte Teilortswahl seien Personen ins Gremium gekommen, die teilweise deutlich weniger Stimmen hatten als Mitbewerber.

„Die Abschaffung wäre das Zeichen dafür, dass wir hier am Tisch kapiert haben, dass wir zusammengehören“, meint Gemeinderat ...
„Die Abschaffung wäre das Zeichen dafür, dass wir hier am Tisch kapiert haben, dass wir zusammengehören“, meint Gemeinderat Peter Atzenhofer (Freie Wähler). | Bild: SK-Archiv

In den vergangenen Jahren war es für die CDU und die Freien Wähler zudem immer schwieriger geworden, ausreichend Kandidaten für ihre Listen zu finden. Deshalb wird überlegt, eine gemeinsame Liste zu machen. Das würde laut Cornelia Fischer aber nur dann Sinn machen, wenn die unechte Teilortswahl abgeschafft ist, bei der vorgegeben ist, dass lediglich dreizehn Bewerber für die zwölf Sitze aufgeführt werden können. „Ohne unechte Teilortswahl können bis zu doppelt so viele Bewerber auf der gemeinsamen Liste stehen, wie zu wählen sind“, sagte Cornelia Fischer.

Erwin Knoll, Ortsvorsteher von Oberndorf, meint: „Wir haben die Sorge, dass wir bei der Abschaffung keinen Gemeinderat mehr aus ...
Erwin Knoll, Ortsvorsteher von Oberndorf, meint: „Wir haben die Sorge, dass wir bei der Abschaffung keinen Gemeinderat mehr aus Oberndorf haben werden.“ | Bild: SK-Archiv

Im Falle der Beibehaltung der unechten Teilortswahl müsse sowieso eine erneute Beratung der Sitzverteilung im Gemeinderat stattfinden, gab Cornelia Fischer zu bedenken. Bislang hat Herdwangen fünf Sitze, Schönach sechs Sitze und Oberndorf einen Sitz. Aufgrund von Berechnungen habe sich gezeigt, dass Oberndorf bislang mit diesem Sitz überrepräsentiert sei im Verhältnis zur Einwohnerzahl. „Wenn es bei diesem Sitz bleiben soll, müssten wir das rechtfertigen“, sagte Cornelia Fischer. Ob diese Begründung dann im Falle eines Wahleinspruchs Bestand haben würde, konnte sie nicht sagen.

Abkehr vom Ortsteile-Denken

„Ich kann bloß inständig an alle appellieren: Macht endlich diesen Schritt!“, forderte Gemeinderat Peter Atzenhofer (Freie Wähler) in seinem Plädoyer zur Abschaffung der unechten Teilortswahl. „Wir hätten als Gemeinderäte aus meiner Sicht die verdammte Pflicht, nach außen Mut zu zeigen und den Bürgern das Vertrauen zu geben, dass wir für alle in der Gemeinde – von Heggelbach bis Aftholderberg – entscheiden, was es zu entscheiden gibt“, forderte er eine Abkehr vom Ortsteile-Denken.

Ein Zeichen setzen für das Zusammengehörigkeitsgefühl

In den elf Jahren seiner Zugehörigkeit zum Gremium habe er es so erlebt, dass die Gemeinderäte die Interessen der Gesamtgemeinde vertreten hatten. Im kommenden Jahr stehe die Feier zum 50-jährigen Bestehen von Herdwangen-Schönach an. „Die Abschaffung der unechten Teilortswahl wäre das Zeichen dafür, dass wir hier am Tisch kapiert haben, dass wir zusammengehören“, betonte er.

Am Ende stimmten sieben Gemeinderäte für die Streichung der unechten Teilortswahl – nur drei waren dagegen.