Mit einer großen Party am Samstag, 19. Juli, feiert die Ateliergemeinschaft Kunsthalle Kleinschönach ihr 25-jähriges Bestehen. Es gibt Lichtspiele, Performances, Musik, Kabarett, ein Theaterstück für Kinder und bei Einbruch der Dunkelheit eine Feueraktion. Im Flur der Kunsthalle ist ein Rückblick über die vergangenen 25 Jahre vorbereitet, der mit der Geschichte des Gebäudes als Strickwarenfabrik beginnt. Eine Retrospektive zeigt die Arbeiten von Annemarie Rudolph, die sich nach 25 Jahren aus der Ateliergemeinschaft verabschiedet. Es sei nun an der Zeit, Jüngeren Platz zu machen, erklärt die 75-Jährige. Kurz nach der Gründung im Jahr 2000 bezog sie eines der Ateliers und „durchlief dort bis heute den Hauptteil ihres künstlerischen Lebens“, steht im Veranstaltungsflyer.

Ehemalige Strickwarenfabrik wird zum Kunstatelier

Der Blick durch die großen Fenster der Kunsthalle inspiriert alle Künstler, die dort arbeiten.
Der Blick durch die großen Fenster der Kunsthalle inspiriert alle Künstler, die dort arbeiten. | Bild: Michelberger, Isabell

Eine gestrickte Schnur in Rottönen, an der alle Künstlerinnen und Künstler der Ateliergemeinschaft mitgewirkt haben, begleitet die Eintretenden am Samstag durch den Eingangsbereich bis zum Flur der Kunsthalle, wo sie in Stoff übergeht. Ein Hinweis auf die Geschichte des Gebäudes als Strickwarenfabrik. Einen Eindruck von jener Zeit gibt das erste Foto der Dokumentation, das ungefähr 1970 entstand und den Innenraum der Fabrik anlässlich eines Tages der offenen Tür zeigt. Auf einem Plakat daneben erfahren die Besucherinnen und Besucher von der Ursprungsidee der Ateliergemeinschaft, welche Gründungsmitglied Dieter Zimmermann beschreibt.

Zeitstrahl dokumentiert die Geschichte

Den Flur entlang verläuft ein Zeitstrahl, der mit Zeitungsartikeln, Fotos, Flyern und weiteren Dokumenten bestückt ist, die vom vielfältigen, kreativen Wirken der Ateliergemeinschaft erzählen. Objekte sowie Fotos von Kunstwerken ergänzen anschaulich die Geschichte. Die gegenüberliegende Seite des Flurs ist der Retrospektive der Werke von Annemarie Rudolph gewidmet. Sie wird Ende des Sommers die Ateliergemeinschaft verlassen, um den Platz für Jüngere freizumachen.

Die 75-Jährige wirkt zwar noch energiegeladen und vital, doch könne sie aus gesundheitlichen Gründen ihr Atelier nicht wie von ihr gewünscht nutzen. Sie blickt jedoch mit Freude und glücklicher Zufriedenheit auf die Zeit in der Kunsthalle. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich 25 Jahre lang hier bin“, erzählt sie.

Annemarie Rudolph zeigt in ihrem Atelier die verschiedenen Schaffensphasen. Im Hintergrund hängt eine wichtige Arbeit von ihr, in der ...
Annemarie Rudolph zeigt in ihrem Atelier die verschiedenen Schaffensphasen. Im Hintergrund hängt eine wichtige Arbeit von ihr, in der sie oxidierten Sand aus den USA verwendete. | Bild: Michelberger, Isabell

Ebenso habe sie nicht geahnt, wohin sie ihr künstlerischer Weg führen würde. Sie habe sich, seit sie denken könne, mit Kunst befasst und etliche Kurse belegt. Ernsthaft schlug sie den Weg 1995 mit dem Studium an der Freien Kunstakademie Mühlhofen ein. Fünf Jahre lang studierte sie dort und belegte danach weitere Kurse an Akademien.

Malerin hat eigenen Stil entwickelt

Annemarie Rudolph ist glücklich darüber, dass sie an der Freien Kunstakademie und in der Ateliergemeinschaft in Kleinschönach ihren eigenen Stil entwickeln konnte. Zum Hauptthema haben sich bei ihr die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft entwickelt. Sie erzählt von ihrem einschneidenden Erlebnis: eine Studienreise nach Island, wo alle Elemente durch die heißen Quellen und die Vulkane spürbar sind. Von dieser Reise brachte sie schwarzen Sand mit.

Annemarie Rudolph liebt das Experimentieren mit verschiedenen Materialien. Gerade beim Oxidieren von Metall, wie bei der Serie in der ...
Annemarie Rudolph liebt das Experimentieren mit verschiedenen Materialien. Gerade beim Oxidieren von Metall, wie bei der Serie in der unteren Reihe, komme es zu überraschenden Momenten. | Bild: Michelberger, Isabell

„Seit dieser Zeit fing ich an, mit Material zu experimentieren“, erzählt die Künstlerin, die zuvor mit Ölfarbe gemalt habe. „Die Haptik, die mit einem solchen Bild erzeugt wird, gefällt mir“, sagt sie und strahlt. Sie liebe das Experimentieren mit Materialien wie Sand, Steinmehl, Asche, Holzkohle und Harz. Sie setze Pigmente für die farblichen Teile des Bildes ein. Als Schlüsselbild betrachtet sie eines, für das sie grünen, von der Natur oxidierten Sand aus den USA verwendete.

Experimentierfreude ist sehr ausgeprägt

Bei der Runde durch ihr Atelier ist die Experimentierfreude von Annemarie Rudolph geradezu greifbar. Man entdeckt Tiere aus Draht, Wolle und Papier, Tastobjekte, die die Form von Kissen haben, Wandobjekte aus Draht und Elektrolitzen, darunter Objekte, die das Ergebnis von Oxidationen sind. „Das Schöne ist, dass beim Arbeiten Dinge entstehen, die überraschen“, beschreibt die Künstlerin den Prozess. Die Verbindung zu Wasser und Luft stellt sie mit ihren Aquarellen her. „Ich strebe nicht dazu, naturrealistisch zu arbeiten“, betont sie, sondern sie setze ihre Natureindrücke gefühlsmäßig um. „Die Natur ist eine unerschöpfliche Ideenlieferantin“, schwärmt sie.

Mit Drahl, Papier und Holz kreiert Annemarie Rudolph kunstvolle Insekten.
Mit Drahl, Papier und Holz kreiert Annemarie Rudolph kunstvolle Insekten. | Bild: Michelberger, Isabell

Egal, wohin sie gehe, ihre Kamera sei immer dabei, sozusagen als Notizbuch. Die Fotos schaue sie zu Hause an, verinnerliche sie und gehe dann ins Atelier, um ihre Eindrücke künstlerisch umzusetzen. Das Arbeiten in der Ateliergemeinschaft habe sich immer gut angefühlt. Es rege dazu an, immer weiterzumachen, und bestärke einen. Wichtig war Annemarie Rudolph stets, die Freude an der Kunst weiterzugeben. 20 Jahre lang beteiligte sie sich an den Kinder-Sommerferienprogrammen für Herdwangen und Pfullendorf, arbeitete mit dem Kindergarten von Aftholderberg zusammen und gab auch private Kinderkurse. Ein dicker Ordner voller Fotos mit den bunten und kreativen Ergebnissen der Kinder zeugt von der Freude am gemeinsamen Kunstschaffen – sei es ein Selbstporträt nach Picasso oder das Malen von Engeln.

Im August wird es in Rudolphs Atelier einen Lagerverkauf geben

„Ich möchte meine Bilder in die Wohnungen bringen, damit sie die Leute anschauen und Freude damit haben.“ Ein Teil der Einnahmen werde an die Ateliergemeinschaft Kunsthalle Kleinschönach gehen. Sie könne sich von den Werken trennen, wenn sie weiß, dass jemand Freude daran hat. „Loslassen ist ein wichtiger Vorgang, auch schon im Malprozess“, unterstreicht sie, denn man müsse bereits einzelne Stellen im Bild loslassen und aufhören, sie zu verändern. Annemarie Rudolph blickt auf eine produktive und anregende Zeit in Kleinschönach. Dass diese erfolgreich war, zeigt ihre lange Liste von Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen sowie Messen wie die Art Karlsruhe.

Besucher sind auch in den Sommerferien in der Kunsthalle willkommen, die Jubiläumsausstellung kann bis 31. August dienstags bis sonntags von 15 bis 18 Uhr besichtigt werden.