Herr Fulton-Smith, Sie verkörpern bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg Winnetous Gegenspieler Charles Leveret. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Francis Fulton-Smith: Live und in Farbe auf der Bühne der Karl-May-Spiele zu stehen, ist ein wahr gewordener Traum. Vor rund 8000 Zuschauern pro Vorstellung aufzutreten – und das zweimal täglich – ist eine enorme Herausforderung, auf die ich mich mit größtem Respekt und großer Freude einlasse.

Was ist die größte Herausforderung?

Fulton-Smith: Eben diese Intensität – täglich vor Tausenden von Menschen zu spielen, bei jedem Wetter, ohne doppelten Boden. Theater in seiner ursprünglichsten Form. Das verlangt absolute Konzentration, körperliche Präsenz und emotionale Präzision.

Wie kam es zu Ihrem Engagement?

Fulton-Smith: Die Festspielleitung und meine Agentur standen bereits seit einigen Jahren in Kontakt. Wir hatten immer Lust auf eine Zusammenarbeit – und jetzt hat es endlich gepasst. Umso mehr freue ich mich, dieses Jahr Teil dieser besonderen Produktion zu sein.

Kannten Sie die Kalkberg-Arena schon?

Fulton-Smith: Wer kennt die Karl-May-Spiele nicht? Natürlich war mir der Ort ein Begriff – als Mythos, als Institution. Jetzt selbst auf dieser Bühne zu stehen, ist ein ganz eigenes Kapitel.

Wie würden Sie Ihre Rolle beschreiben?

Fulton-Smith: Charles Leveret ist ein machtverliebter, selbstgefälliger Mann ohne Gewissen – jemand, der sich jeden Luxus gönnt, außer Moral. Aber: Er ist kein eindimensionaler Bösewicht, sondern ein Mann mit sehr eigenen Prioritäten. Das macht ihn interessant.

Haben Sie das Gefühl, dass es heute mehr Leverets gibt als früher?

Fulton-Smith: Leider ja. Es scheint, als würden Charaktere wie Leveret – rücksichtslos, egozentrisch, gewissenlos – immer salonfähiger. Das bereitet mir durchaus Sorgen. Gerade deshalb ist es wichtig, solche Figuren zu zeigen.

Warum üben dunkle Charaktere eine besondere Faszination aus?

Fulton-Smith: Weil sie die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele zeigen. Der Verrat, die Gier, der Egoismus – das alles steckt auch in uns. Die Bühne erlaubt uns, dem ins Auge zu blicken. Und: Bad Guys sind oft einfach die spannenderen Rollen.

„Sonja ist eine fantastische Schauspielerin – und die beste Donna Leveret, die sich das Publikum wünschen kann“, sagt Francis ...
„Sonja ist eine fantastische Schauspielerin – und die beste Donna Leveret, die sich das Publikum wünschen kann“, sagt Francis Fulton-Smith über seine Kollegin Sonja Kirchberger, die in Bad Segeberg seine Ehefrau spielt. | Bild: Markus Scholz/dpa

Welche Bedeutung hat Humor für Sie?

Fulton-Smith: Er ist überlebenswichtig. Wer nicht mehr lachen kann, ist innerlich tot. Auch in Leveret steckt ein Funken Ironie – das Böse lässt sich oft nur mit einem Augenzwinkern entlarven.

Waren Sie schon als Kind Karl-May-Fan?

Fulton-Smith: Absolut. Mein Großvater hat mir seine komplette Karl-May-Sammlung geschenkt – ich habe alles gelesen. Ich war sowohl Cowboy als auch Indianer. Indianer waren meist die Edleren, Cowboys durften die Frauen retten. Beides hatte seinen Reiz – natürlich mit einem Augenzwinkern.

Was sagen Sie zu den Vorwürfen der kulturellen Aneignung?

Fulton-Smith: Bullshit.

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Welche Botschaft von May ist wichtig?

Fulton-Smith: Freundschaft, Frieden, Gerechtigkeit – diese Werte sind zeitlos. Und: Karl May schrieb seine Geschichten aus dem Gefängnis heraus. Das zeigt, wie kraftvoll Fantasie sein kann. Wer Fantasie verbietet, begeht ein Verbrechen an der Menschheit. Cancel Culture ist geistige Steinzeit.

Warum faszinieren die Geschichten von Winnetou und Old Shatterhand nach wie vor so viele Menschen?

Fulton-Smith: Weil sie Archetypen bedienen. Der ewige Kampf Gut gegen Böse, Ehre, Mut, Freundschaft – das berührt uns. Und es ist ein analoges Erlebnis in einer zunehmend digitalen Welt.

Haben Sie noch Lampenfieber?

Fulton-Smith: Aber sicher. Wer kein Lampenfieber hat, lügt – oder ist tot. Lampenfieber ist Respekt vor der Aufgabe. Und ein gutes Zeichen.

Was wäre für Sie der größte Erfolg?

Fulton-Smith: Friedliche, großartige Spiele. Volle Ränge, begeisterte Zuschauer, Rekorde – und vielleicht ein paar neue Türen, die sich öffnen.