Mit 93 Jahren hat Alexander Ried nochmals eine große Veränderung in seinem Leben gewagt und seinen Wohnort von Lörrach in die ambulante betreute Wohngemeinschaft „Auf dem Voglerhof“ in die Ortsmitte von Herdwangen verlegt. Und der alte Herr fühlt sich in seiner neuen Umgebung mehr als wohl. „Die Zimmer sind so lichtdurchflutet, so hoch und die Menschen sind einfach toll“, schwärmt der erste WG-Bewohner über sein neues Zuhause in dem modernen Gebäude.

93-Jähriger hat neuen Lebensmittelpunkt gefunden

Seit einem Monat lebt Alexander Ried in Herdwangen-Schönach und hat sich gemeinsam mit Alltagsbegleitern die Gemeinde schon angeschaut. Nach dem Tod seiner Frau hatte er in einem großen Haus in Lörrach gelebt, betreut von einer osteuropäischen Pflegekraft, die fürsorglich aber der deutschen Sprache nicht mächtig war. Die Betreuung kostete monatlich 3200 Euro. Für die Familie war die Gesamtsituation letztlich ein unhaltbarer Zustand, und eine in Stockach lebende Tochter war auf das Pflege-Senioren-Projekt in Herdwangen aufmerksam geworden „Es gab keine Warteliste und wir hatten ganz schnell einen Besichtigungstermin“, bezeichnet es der 93-Jährige als Glücksfall, dass er so schnell einen „wunderschönen Platz“ für seinen Lebensabend gefunden hat.

Alltagsbegleitung „Rund-um-die-Uhr“

Er fühlt sich sichtlich wohl, hat sein Zimmer geschmackvoll eingerichtet und ist derzeit noch der „Hahn“ im Korb beim Team der Alltagsbegleiterinnen, das von Andrea Lorenz geleitet wird. Gemeinsam wird der Speiseplan erstellt, und, wenn Alexander Ried es will, kann er beim Kochen helfen. Engagement und Mitsprache sind Grundpfeiler der Konzeption des Projekts, ergänzt Maria Kiamilidis vom Nachbarschaftshilfeverein, dass sich das Interesse an Zimmern deutlich erhöht hat.

Mindestens drei weitere Personen werden demnächst einziehen und es gebe weitere ernsthafte Anfragen. „Sie werden Gesellschaft bekommen“, bereitet sie Alexander Ried lachend auf neue Mitbewohner vor. Für Peter Atzenhofer, der mit der langjährigen Gemeinderätin Kiamilidis maßgeblich die Wohngemeinschaft forciert hat, ist die überschaubare Einheit mit maximal zwölf Bewohnern ein entscheidender Vorteil der WG: „Noch wichtiger sind allerdings die Alltagsbegleiterinnen, die rund um die Uhr für die Bewohner da sind.“

Die Senioren-Wohngemeinschaft befindet sich im Erdgeschoss und im Mittelteil ist der große Gemeinschaftsraum samt Küche.
Die Senioren-Wohngemeinschaft befindet sich im Erdgeschoss und im Mittelteil ist der große Gemeinschaftsraum samt Küche. | Bild: Volk, Siegfried

Teamleiterin Andrea Lorenz ist es gelungen, ein zehnköpfiges Team aus Voll- und Teilzeitkräften zu bilden, wobei fast alle aus Herdwangen-Schönach kommen. Eine Ausnahme ist Claudia Furth, die von Überlingen zu ihrem neuen Arbeitsplatz fährt. Sie hatte sich ein anderes Seniorenheim angeschaut und dann für Herdwangen entscheiden. Das Miteinander, die Gemeinschaft und die frische Zubereitung des Essens haben sie so begeistert, dass sie sich vorstellen kann, später selbst in der Anlage zu wohnen.

Bürgermeisterin überreicht Willkommensgeschenke

„Wir bieten die Alternative zum Pflegeheim“, lautet der Slogan von Peter Atzenhofer, der stolz auf das möglicherweise bundesweit einmalige Projekt ist, das von heimischen Akteuren gestemmt wurde. Die Bürgerstiftung Herdwangen-Schönach hat die Räume gekauft, vermietet sie an den heimischen Nachbarschaftshilfeverein, der als Arbeitgeber für die Alltagsbegleiter fungiert. So ist es nur folgerichtig, dass der Geschäftsführer der Senioren-WG, der den Betrieb seit Februar koordiniert und organisiert, seine Tätigkeit gleichfalls ehrenamtlich ausübt. Manfred Schmied war im Arbeitsleben als Geschäftsführer eines Unternehmens tätig. Als Nachbarin im Rathaus auf der anderen Straßenseite begrüßte Bürgermeisterin Alexandra Kipp den ersten WG-Bewohner. Sie hatte einen Bildband über die Gemeinde und ein gesticktes Wappen als Geschenk dabei und überraschte Alexander Ried: „So etwas habe ich ja noch nie bekommen.“