„Die Emotionen, die man eigentlich hätte, wenn man seinen Vater verliert, hatte ich noch nie“, sagt Tamara Brünker. Ihr Vater, Dirk Brünker, ist am 23. Dezember 2022 nach einem Besuch im Villinger Gasthaus Ott spurlos verschwunden.
Erst 77 Tage später, nach etlichen Suchaktionen durch die Polizei und Privatpersonen, wurde Dirk Brünker am Ufer der Brigach bei Donaueschingen gefunden – tot.
Im Dezember 2025 wird sich Dirk Brünkers Verschwinden zum dritten Mal jähren. Noch findet die Familie keine Ruhe, sagt Tamara Brünker dem SÜDKURIER. „Ich merke, dass ich mittlerweile gerne in den Trauerprozess starten würde. Aber das ist schwer möglich. Dazu sind wir zu sehr im Ungewissen.“
Beim Verwaltungsgericht ging Klage ein
Um gerichtlich eine vollständige Einsicht in die Akten zu erwirken, hat die Familie mittlerweile Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg eingereicht. Ein Sprecher des Gerichts bestätigt das dem SÜDKURIER auf Nachfrage.
Hoffnung auf einen schnellen Erfolg habe man der Familie aber nicht gemacht, sagt Tamara Brünker. Bis zur Verhandlung könnten demnach zwei Jahre vergehen, auch das bestätigt der Gerichtssprecher auf Nachfrage. Über die Dringlichkeit des Verfahrens entscheide die jeweilige Kammer, heißt es dazu.
Für die Familie sei das zu lang, so Tamara Brünker. „Die Erinnerungen verwischen sich“, sagt Tamara Brünker. „Wir müssen so schnell wie möglich an die Akten kommen.“
Familie hegt noch immer Zweifel am Unfalltod
Die Polizei geht nach ihren Ermittlungen von einem tragischen Unfall aus – doch daran hegt die Familie Zweifel.
„Wir haben zu viele Lücken“, sagt Tochter Tamara Brünker. Seit dem Tod ihres Vaters kämpfe die Familie um vollständige Akteneinsicht, bisher erfolglos. Im März sagte die Polizei dem SÜDKURIER, dass die Familie Brünker bereits hinreichend in die Lage versetzt worden sei, dass Dirk Brünker aufgrund eines tragischen Unfallgeschehens zu Tode gekommen sei.
Der Familie reicht das nicht. „Eigentlich wollen wir nicht spekulieren“, sagt Tamara Brünker. „Wenn wir alle Informationen hätten, dann könnten wir uns ein klareres Bild machen. Vielleicht wird uns dann alles genauso klar, wie es der Polizei zu sein scheint.“
Verein aus Berlin zweifelt weiter
Unterstützung hat sich die Familie bei einem Verein aus Berlin geholt. Die Aktivisten Luke Harrow und Nadine Saeed äußerten in der Vergangenheit immer wieder Zweifel an der Version der Polizei. Nach ihren Angaben stimme es etwa nicht, dass Dirk Brünker das letzte Mal, wie offiziell angegeben, bei einem Besuch eines Gasthauses in der Villinger Altstadt gesehen wurde, sondern dann, als er Zeuge einer polizeilichen Festnahme wurde.

Auch Handydaten ließen die Aktivisten aufhorchen: Aus den Akten gehe hervor, dass Dirk Brünkers Mobiltelefon innerhalb von 24 Minuten eine Strecke von rund zehn Kilometer bis zu seinem Fundort in Grüningen bei Donaueschingen zurückgelegt haben muss. Luke Harrow und Nadine Saeed gehen deshalb davon aus, dass Dirk Brünker etwa mit einem Pkw transportiert wurde, wovon laut ihnen auch die Polizei zeitweise ausgegangen sei.
Polizei lässt SÜDKURIER-Anfrage unbeantwortet
Bei den Ermittlungen seien die Standortdaten des Telefons ausgewertet worden. Diese Daten habe das Recherche Zentrum gemeinsam mit Forensic Architecture, einem interdisziplinären Forschungskollektiv der Universität London, ausgewertet und in einer Karte veranschaulicht. Nach Ansicht des Recherche Zentrums widerspricht das Bewegungsprofil des Handys dem von der Polizei behaupteten Treiben des Körpers in der Brigach. Unter anderem habe sich das Handy entgegen der Fließrichtung Richtung Norden bewegt.
Eine Anfrage des SÜDKURIER zu den erhobenen Anschuldigungen des Recherche Zentrums ließ das Polizeipräsidium Konstanz bislang unbeantwortet.
Familie startet Petition
Um öffentlichen Druck auf die Behörden auszuüben, hat die Familie nun eine Petition auf dem Portal Open Petition gestartet. Mit der Petition fordert die Familie „sofortige und vollständige Gewährung der Akteneinsicht“, eine „Prüfung des Sachverhaltes durch das Innenministerium Baden-Württemberg und die Generalanwaltschaft Karlsruhe“ sowie eine „Wiederaufnahme der Ermittlungen durch eine unabhängige Polizeibehörde“.
Man möchte die Rohdaten des Telefons haben, um selbst unabhängige Untersuchungen der Telefondaten in Auftrag geben zu können, sagt Tamara Brünker.
Zu seinen Lebzeiten war Dirk Brünker Fußballspieler, eine Profikarriere scheiterte an einer Verletzung. Sein Sohn Kai Brünker trat in seine Fußstapfen, ist aktuell beim Drittligisten 1. FC Saarbrücken unter Vertrag. In zwei Instagram-Videos äußerte er sich gegenüber seinen rund 18.000 Followern sowohl zur Arbeit des Recherche Zentrums, als auch zur Petition.
Fußballer Kai Brünker meldet sich zu Wort

Für ihn sei es nicht einfach, um Hilfe zu bitten, sagt er da. Man habe bis heute noch keine vollständige Akteneinsicht bekommen. Es gebe aber neue Erkenntnisse und „komplett neue“ Möglichkeiten für die Polizei, noch mal zu ermitteln. Jede Unterschrift zähle.
„Meine Familie und ich kämpfen einfach dafür, dass wir Klarheit bekommen, im Leben im Kopf. Das Ganze ist sehr kräftezehrend“, so Kai Brünker im Wortlaut. Am Freitag hatte die Petition bereits mehr als 2300 Unterschriften, bei einem Sammelziel von 5000.
„Das Thema verdient Aufmerksamkeit“, findet Tamara Brünker. „Jeder, dem so etwas passiert, sollte das Recht haben, genau zu wissen, was passiert ist.“