Der Bodensee ist warm – sehr warm: Der SÜDKURIER-Sensor zeigt am Donnerstagmittag eine Temperatur von 25,5 Grad Celsius am Yachthafen Konstanz an. Solche hohen Temperaturen sind keine Seltenheit mehr.
Auch in den Jahren 2003, 2018, 2022 und 2023 gab es laut der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) Rekordwerte von bis zu 26 Grad Wassertemperatur. In Zukunft ist laut LUBW mit einer weiteren Erwärmung zu rechnen – und das wird das Ökosystem des Bodensees erheblich beeinflussen.
Aber gibt es einen Punkt, an dem das Wasser im See zu heiß wird? Einen konkreten Kipppunkt können die Wissenschaftler der LUBW nicht bestimmen. Sollte jedoch die Wasserzirkulation mehrere Winter ausbleiben, könnte sich ein kritischer Sauerstoffmangel in der Tiefe etablieren. Die Folge sind langfristigen Schäden für das Ökosystem.
Fische leiden unter der Wassertemperatur
Christoph Chucholl von der Fischereiforschungsstelle Langenargen blickt mit Sorge auf die jährlich steigende Wassertemperatur. „Wir sind erst am Anfang einer sich stetig verschärfenden Entwicklung, die noch mindestens bis zum Ende des Jahrhunderts anhalten wird“, sagt er.

Vor allem Fische leiden unter den Veränderungen. Denn in den Tiefen des Bodensees ist die Temperatur mittlerweile von 4,3 Grad (etwa 2013) auf aktuell 5,65 Grad in 250 Meter Wassertiefe gestiegen. „Für Kaltwasserarten kann das Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Sauerstoff haben“, erklärt die LUBW.
Fische sind wechselwarmeTiere – ihre Stoffwechselprozesse hängen direkt von der Wassertemperatur ab. Steigt die Temperatur, erhöht sich ihr Sauerstoffbedarf. Gleichzeitig aber sinkt die Menge an Sauerstoff, die im Wasser gelöst werden kann. Die Folge: Die Tiere geraten in Sauerstoffstress.
Fischsterben durch den Klimawandel
„Die Fische versuchen dann den ungünstigen Bedingungen zu entgehen, durch beispielsweise das Aufsuchen tieferer, kühlerer Wasserschichten und stellen die Nahrungsaufnahme ein“, erklärt Chucholl.
Wenn die Bedingungen anhalten, steige die Krankheitsanfälligkeit und es könne zu Fischsterben kommen.
2022 wurden etwa viele tote Aale in Konstanz am Ufer angespült. Besonders kritisch werde es, wenn im Obersee künftig die 30-Grad-Marke überschritten würde.
Die Toleranzgrenzen seien laut Chucholl aber artspezifisch – Karpfenartige Fische, wie Karpfen oder die Schleie, seien tendenziell temperaturresistenter, auch der Wels werde durch hohe Temperaturen begünstigt. Lachsartige Fische wie das Felchen im Untersee seien am empfindlichsten, im Obersee daneben auch die Seeforellen.
Warmes Wasser ist für manche Art tödlich
Auch Eberhard Klein, der Leiter des Nabu-Bodenseezentrums, sieht die aktuelle Temperaturentwicklung kritisch. Warmes Wasser könne demnach weitaus weniger Sauerstoff binden als kaltes Wasser, das werde für wassergebundene Arten wie Äschen oder Köcherfliegen tödlich. „Das ist dann kein Hitzekollaps, sondern einfach ein Ersticken“, erklärt der Experte.
„Besonders kritisch ist diese temperaturabhängige Sauerstoffversorgung im tiefen Wasser“, sorgt sich Klein. Für Felchen, die in tieferen Gebieten laichen, wird das ein Problem. Das könnte laut Klein auch den schlechten Zustand der Felchenpopulation erklären.
Immerhin: Wasservögel können den Temperaturen meist gut standhalten, sagt der Experte vom Nabu. Diese haben schließlich noch ausreichend Wasser zur Verfügung.
Die Zeit zur Regeneration wird knapp
Durch konsequenten Klimaschutz auf globaler und regionaler Ebene, durch Renaturierung von Uferzonen sowie durch verstärkte Beobachtung der Entwicklungen ließen sich die Folgen der Erwärmung zumindest abmildern.
Dennoch bringt der Klimawandel eine schleichende Verschlechterung mit sich. „Hitze- und Dürreereignisse werden beispielsweise immer extremer und häufiger. Dem Ökosystem des Bodensees bleibt so immer weniger Zeit zur Regeneration. Ab einem gewissen Punkt wird eine vollständige Erholung kaum mehr möglich sein“, warnt Christoph Chucholl von der Fischereiforschungsstelle.