Der Paukenschlag kam ganz zum Schluss: Am Ende der jüngsten Sitzung des Gemeinderats Herdwangen-Schönach brachte Gemeinderat Berthold Baumann (Freie Wähler) ein besonderes Anliegen vor. Er forderte, dass der vom Gremium am 20. Juni gefasste Beschluss der Abschaffung der unechten Teilortswahl überprüft werden solle. Seiner Meinung nach gibt es gleich mehrere Gründe, die dafür sprechen, dass diese Entscheidung eventuell keinen Bestand hat.
Vereinbarung zur Gemeindereform
Im Heimatbuch der Gemeinde Herdwangen-Schönach kann sie jeder nachlesen, die schriftliche Vereinbarung, die im Zuge der Gemeindereform am 1. Juli 1974 in Kraft getreten ist. In diesem Papier sind bestimmte rechtliche Vereinbarungen bezüglich der Bildung einer Gesamtgemeinde Herdwangen-Schönach festgelegt worden. Vertragspartner waren damals Willi Siebler als Bürgermeister von Großschönach, Gustav Fecht als Bürgermeister von Herdwangen sowie Franz Joseph Hermann, der damals Bürgermeister von Oberndorf war.
Sitzverteilung wurde festgelegt
Neben dem Namen der neuen Gemeinde, dem Sitz der Verwaltung sowie weiteren Bestimmungen, wie zum Beispiel über Feuerwehren, Jagdbezirke und Schulen, gab es auch einen eigenen Paragrafen, in dem die Einführung der unechten Teilortswahl mit ihrer Sitzverteilung für die drei vereinten Gemeinden festgelegt wurde.
Vertragspartner müssen Auflösung befürworten
Die Vereinbarung anlässlich der Gemeindereform sieht Berthold Baumann als einen rechtsgültigen Vertrag an. Dieser kann seiner Rechtsauffassung zufolge nicht einfach so durch das Votum des Gemeinderats aufgehoben werden, da in Deutschland das Prinzip der Vertragstreue gilt (“Verträge sind einzuhalten“). Vielmehr müssten Vertreter der drei beteiligten Orte eine Auflösung befürworten. „Meiner Meinung nach hätte also jetzt Oberndorf, vertreten durch den Ortsvorsteher Erwin Knoll, einer Vertragsauflösung zustimmen müssen“, sagte Berthold Knoll.
Oberndorfer Ortschaftsrat ist gegen Abschaffung
Dies sei nicht der Fall gewesen – ganz im Gegenteil, denn der Ortschaftsrat Oberndorf habe ja im Juni gegen die Abschaffung der unechten Teilortswahl gestimmt. „Von Oberndorf kam ein eindeutiges Nein“, betonte Baumann. Deshalb hätte sicher auch kein Vertreter dieser Ortschaft an dem alten Vertrag rütteln wollen.

Als weiteren Punkt, warum der Beschluss in seinen Augen überprüft werden müsse, führte Berthold Baumann das Abstimmungsergebnis an. „Die Gemeindeordnung schreibt vor, dass Beschlüsse, welche die Hauptsatzung betreffen, stets mit einer qualifizierten Mehrheit der Stimmen aller Mitglieder des Gemeinderats zu treffen sind“, erläuterte der Gemeinderat.

Mit dem Votum für die Abschaffung der unechten Teilortswahl war bei der Sitzung im Juni auch die entsprechende Änderung der Hauptsatzung notwendig geworden. Das Abstimmungsergebnis mit sieben Stimmen für die Abschaffung und drei Stimmen dagegen verfehle die geforderte qualifizierte Mehrheit für eine solche Änderung.
Qualifizierte Mehrheit der Stimmen ist nötig
Der SÜDKURIER hat diesbezüglich bei Kämmerin Andrea Rothmund nachgehakt. Sie bestätigte, dass aufgrund der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg eine Mehrheit der Stimmen aller Mitglieder des Gemeinderats notwendig sei, um die Hauptsatzung zu ändern. „Das bezeichnet man als qualifizierte Mehrheit“, so Rothmund. Der Gemeinderat Herdwangen-Schönach besteht aus zwölf Mitglieder sowie der Bürgermeisterin Alexandra Kipp als Vorsitzende.
„Insgesamt besteht unser Gemeinderat damit aus 13 Mitgliedern. Die Mehrheit liegt somit bei sieben Stimmen“, rechnete sie vor. Die sieben Stimmen gegen die Teilortswahl seien bei der Sitzung, bei der drei Gemeinderäte nicht anwesend waren und somit nur zehn Mitglieder ihre Stimme abgeben durften, eine „qualifizierte Mehrheit“ gewesen. „Der Beschluss ist meines Erachtens mit rechtmäßiger Stimmenmehrheit zustande gekommen“, betonte Andrea Rothmund.
Gemeinsame Liste erst bei der übernächsten Wahl?
Noch einen dritten Punkt hat Berthold Baumann angegeben. Er verwies darauf, dass die Entscheidung auch deshalb gefällt worden war, weil man bei der nächsten Kommunalwahl eine gemeinsame Liste – statt wie bisher zwei einzelne – mit Kandidaten aufstellen möchte. Dies sei aber für 2024 gar nicht möglich, meinte Baumann. Er bezog sich, wie er dem SÜDKURIER auf Nachfrage mitteilte, auf die Gemeindeordnung Baden-Württemberg – genauer gesagt, auf den Paragrafen 27, Absatz 6. Dort heißt es: „Ist die unechte Teilortswahl (...) auf unbestimmte Zeit eingeführt worden, kann sie durch Änderung der Hauptsatzung aufgehoben werden, frühestens jedoch zur übernächsten regelmäßigen Wahl der Gemeinderäte nach ihrer erstmaligen Anwendung“.

Gemeint sein dürfte damit also nicht die übernächste Wahl nach der Abschaffung, wie Berthold Baumann anführt, sondern die übernächste Wahl nach der Einführung der unechten Teilortswahl. Das sieht auch Andrea Rothmund so: „Meine Rechtsauffassung sagt mir, dass die erstmalige Anwendung der unechten Teilortwahl nach der Gemeindereform im Jahr 1975 stattfand und seither neun weitere Kommunalwahlen mit unechter Teilortwahl waren. Die übernächste Wahl nach erstmaliger Anwendung wäre im Jahr 1984 gewesen“, informiert sie.
Abschaffung war schon länger beabsichtigt
Und führt als Ergänzung an, dass man in jenem Jahr in einer Änderung der Hauptsatzung festgelegt habe, dass die unechte Teilortwahl für weitere zehn Jahre bestehen bleiben soll. „Somit hat man damals schon beabsichtigt, diese irgendwann abzuschaffen“, meint Andrea Rothmund.
Verwaltung soll alle Einwände prüfen
Die komplette Prüfung aller Einwände von Berthold Baumann wird die Verwaltung noch leisten müssen. Erst dann lässt sich sagen, ob es jetzt tatsächlich keine unechte Teilortswahl mehr geben wird im bald fünfzigsten Jahr des Bestehens der Gesamtgemeinde.