Eine Gemeinderatssitzung fast wie aus dem demokratischen Lehrbuch erlebten die wenigen Besucher am Dienstagabend. Eine Diskussion über die Zukunft und Vergangenheit der Gemeinde, an der sich im Prinzip alle Räte beteiligten, sachlich und teilweise emotional geführt. Auslöser war das von Kämmerin Andrea Rothmund dem Gremium zur Vorberatung präsentierte Investitionsprogramm 2024 bis 2027. Wenn alle Projekte auf der Wunschliste umgesetzt werden, kostet das 7,6 Millionen Euro. Und auf allen Konten der Kommune hat man 7,2 Millionen Euro, sodass man spätestens 2027 Kredite aufnehmen müsste. Rothmund hat deshalb nochmals die Verantwortlichen der Kostenstellen bezüglich Streichlösungen angeschrieben und vor der Abstimmung über den Haushalt 2024 will auch die Verwaltung intern sich auf Einsparsuche begeben.

Jährlich 100.000 Euro für Grunderwerb geplant

Die Kämmerin hat auf der Einnahmeseite für 2024 rund 50.000 Euro aus dem Bauplatzverkauf eingeplant und für die Folgejahre je 200.000 Euro, verbunden mit der Hoffnung neue Baugebiete ausweisen zu können, wofür jährlich 100.000 Euro für den Grunderwerb eingestellt werden.

Intern will man im Rathaus nach Einsparmöglichkeiten für den Haushalt 2024 suchen.
Intern will man im Rathaus nach Einsparmöglichkeiten für den Haushalt 2024 suchen. | Bild: Volk, Siegfried

Intern will man im Rathaus nach Einsparmöglichkeiten für den Haushalt 2024 suchen. Die zwei Container für die Flüchtlingsunterbringung, die im Februar geliefert werden, kosten 160.000 Euro und auf Wunsch von Bürgermeisterin Kipp sind 300.000 Euro für einen möglichen Immobilienkauf zur Unterbringung von Geflüchteten vorgesehen.

Zwei Gemeinderäte stellen Grundsatzfrage

Auf dem Vogler-Areal soll das Begegnungszentrum entstehen, was die Kommune die nächsten zwei Jahre 1,8 Millionen Euro kostet. Hier eröffnete Berthold Baumann die Diskussion mit der Frage: „Wollen wir das jetzt?“ Die Kommune müsse viele Pflichtaufgaben erfüllen, das Land befinde sich in einer Rezession, bezeichnete dann Robert Streicher das Projekt als Luxus: „Wir haben viel zu lange diskutiert und sind jetzt in der Falle.“

Robert Streicher.
Robert Streicher. | Bild: Robert Reschke

Man habe für die Neuordnung des Vogler-Areals als ELR-Schwerpunktgemeinde Zuschüsse von rund 600.000 Euro erhalten, stellte Kämmerin Rothmund die Frage in den Raum, ob man das Geld bei einem Projektstopp womöglich zurückzahlen müsse. Ein sichtlich entsetzter Peter Atzenhofer blickte seine Ratskollegen an: „Was ist in euch gefahren?“

Peter Atzenhofer
Peter Atzenhofer | Bild: Lorenz, Stefanie

Es sei vollkommen absurd, kurz vor dem Ziel, das Vorhaben abzusetzen. „Was wir jetzt nicht bauen, bauen wir die nächsten 50 Jahre nicht“, ist Bürgermeisterin Kipp überzeugt.

Mehrheit will Begegnungsstätte auf dem Vogler-Areal umsetzen

Das sei ein falscher Spareinsatz, votierte auch Patrick Blender für den Bau der Begegnungsstätte. „Wir müssen das durchziehen.“ Man habe viele positive und einstimmige Beschlüsse zu dem Vorhaben gefasst, pflichtete ihm Sebastian Blender bei, und dass es andere Lösungen für die Finanzmisere geben müsse. „Jetzt haben wir aber eine andere Zeit“, wiederholte Robert Streicher sein Statement. „Ich bin über diesen Vorschlag entsetzt“, widersprach Sandra Reddemann und Gerhard Braun ergänzte, dass man das Vorhaben schon reduziert habe und jetzt nicht aussteigen dürfe.

Bürgermeisterin Alexandra Kipp
Bürgermeisterin Alexandra Kipp | Bild: Johanson, Kirsten

Rathauschefin Kipp erklärte, dass sie jeden Tag auf die Ausschreibungsunterlagen warte, die in der nächsten Ratssitzung vorliegen sollen. „Wir sind noch nicht am Anschlag und sparen auf hohem Niveau“, konstatierte Atzenhofer, dass man beispielsweise beim Bauhof zulange mit Investitionen gewartet habe.

Hoffnung auf Verkauf von Bauplätzen

Dann listete Kämmerin Rothmund die weitere Investitionsliste auf, wobei immer wieder Diskussionen um Kleinbeträge wie den Kauf von E-Kinderwägen für die Kindergärten aufkeimten. Letztlich benötige die Gemeinde mehr Einnahmen, hofft sie auf Geld aus Bauplatzverkäufen. Etwas resigniert erklärte Sebastian Blender, dass die Kommune so viele Auflagen und Vorgaben erfüllen müsse und deshalb die Ausgabenseite kaum beeinflussen könne. „Unser Problem ist Berlin“, entfuhr es Erwin Knoll.

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Man dürfe die Entscheidungen der Vergangenheit nicht in Frage stellen, hielt Melanie Boos dann ein flammendes Plädoyer für die Investitionen. Das sei zwar eine „harte Nummer“, aber es gehe um die Weiterentwicklung der Gemeinde und deshalb müsse man „das Geld in die Hand nehmen.“ „Das ist hart. Das haben unsere Vorgänger aufgebaut“, kommentierte Manfred Demmer die Tatsache, dass die Gemeinde in den nächsten Jahren ihr Finanzpolster aufbrauchen muss, um den laufenden Betrieb und die Investitionen zu finanzieren.

Erschließung vom „Öschle“ in Herdwangen stockt weiter

„Wir brauchen Bauplätze“, benannte Patrick Blender das Einnahmeproblem. Man habe keine Bauplätze, aber für deren Erschließung schon 600.000 Euro ausgegeben, grantelte Gerhard Braun. Bei der Ratssitzung wurde immer wieder das Baugebiet „Öschle“ in Halbsätzen erwähnt, über Verzögerungen und Blockaden geraunt, aber Bürgermeisterin Kipp verlagerte das Thema in den anschließenden nicht öffentlichen Teil des Abends. Tatsächlich geht es wohl um die Erschließung des Areals, was nur über einen Feldweg möglich ist, der sich im Eigentum vieler Leute befindet. Die Gemeinde hat für diese Kleinstparzellen ein Kaufangebot gemacht, aber nicht jeder Besitzer will sein Fitzelchen abgeben. Deshalb könnte die Erschließung länger, umständlicher und damit teurer ausfallen. Deutlich wurde, dass die Geduld der Gemeinderäte erschöpft ist und man Bauwilligen endlich ein positives Signal geben will.