Wenn junge Leute auf der Wohnungssuche sind, dann ist das meistens ein Unterfangen, das etwas Geduld erfordert. Die hatten Ramona Widmer und Patrik Gessler. Sie wollten eine Wohnung haben, die Patrik von früher kannte. Problem: Sie stand auf Stelzen und bis zum Einzug dauerte es drei Jahre. Doch nun ist das Paar echt glücklich. Sie wohnen in einem kleinen Haus mitten auf einer Kreuzung, haben einen ganz kleinen Garten und vom integrierten Dachbalkon eine echt gute Aussicht.
Handwerkliches Allroundtalent
Und sie haben einen Vermieter, mit dem sie gut auskommen. Und der hat die meisten Baumaßnahmen vollkommen allein bewerkstelligt. Bernd Seiberle ist handwerklich ein wahres Multitalent. Und er ist ein Mann mit Ideen. Wäre das nicht so, dann wäre auf der kleinen Kreuzung in Herdwangen jetzt vielleicht ein Rasen statt eines echten Schmuckstücks für die Gemeinde. Die Rede ist vom „aalt Rootheisle“, wie das ehemalige Rathaus von den älteren Einwohnern liebevoll genannt wird.

Seit 1777 als Rathaus genutzt
1904/05 kaufte die Gemeinde das ehemalige petershausische Rentamt in der Ortsmitte von der großherzoglich badischen Verwaltung und nutzt das repräsentative Gebäude von 1777 seither als Rathaus. Das kleine alte Rathaus wurde in Privatbesitz verkauft und war bis vor einigen Jahren im Besitz der Familie Specker. Als es verkauft werden sollte, da wurden in der Bevölkerung Stimmen laut, die Gemeinde solle ihr Vorkaufsrecht nutzen, das Häuschen auf der kleinen Verkehrsinsel kaufen und einfach abreißen.
Gemeinde verzichtet auf das Vorkaufsrecht
Die Einmündung der Lindenstraße in die Dorfstraße hätte man dann deutlich übersichtlicher gestalten können. Im Gemeinderat wurde intensiv diskutiert. Schließlich war man sich einig, das Vorkaufsrecht nicht auszuüben. Doch was sollte nun mit dem kleinen Gebäude ohne richtigen Keller, ohne Zentralheizung und einem engen Treppenhaus geschehen? Das Grundstück war zudem nur 142 Quadratmeter groß und die Ausfahrt aus der Garage im Untergeschoss nicht ungefährlich.

Zwei Jahre am Umbau gearbeitet
Nachbar Seiberle machte sich mehrere Wochen Gedanken, ob er das Häuschen kaufen sollte. Und er untersuchte sehr genau den Bauzustand und die Balken des Fachwerks, das man irgendwann überputzt hatte und später aus Kostengründen nicht mehr freilegen wollte. Schnell war klar: Der Kaufpreis ist günstig, aber die Sanierungskosten würden sehr hoch sein. Doch der gelernte Zimmermann hatte eine super Idee: Ich nehme einen langen Urlaub und mache alles selbst. Das setzte er dann auch so in die Realität um und arbeitete dann zwei Jahre in Vollzeit an seinem Projekt.

Erdgeschoss wurde komplett abgetragen
„Es war schon ein Wagnis“, schmunzelt der Hausbesitzer. Das dürfte bestimmt auch für die Aktion gelten, als er das Obergeschoss vom Restgebäude abtrennte und auf Stelzen stellte. Das Erdgeschoss wurde komplett abgetragen und sogar ein richtiger Keller gegraben. Dort befindet sich jetzt die Technik für die moderne Fußbodenheizung und ein Hobbyraum. Selbstverständlich wurde das Fachwerk freigelegt und erstrahlt jetzt wie neu. Nur an wenigen Stellen musste Seiberle die Balken ertüchtigen. Der Laie wird die Stellen kaum sehen, wenn er das schmucke Häuschen umrundet.
Neuer Wohnbereich im Erdgeschoss

Und auch innendrin hat sich viel getan. Das Treppenhaus ist komplett neu und befindet sich jetzt auch an einer anderen Stelle. Im Erdgeschoss gibt es einen Wohnbereich und eine moderne Küche und das Bad im ersten Stock lässt auch keine Wünsche offen. Schlaf- und Kinderzimmer sind hell und freundlich. Soweit als möglich hat Seiberle alte Balken sichtbar mitverwendet. Selbstverständlich gibt es eine innenliegende Wärmedämmung und im Dachgeschoss haben sich Ramona und Patrik ein kleines Arbeitszimmer eingerichtet. Die beiden Bürostühle sind schon ganz besondere Teile. Kein Wunder: Es sind die Gesellenstücke. Beide sind von Beruf Industriepolsterer und arbeiten in Owingen im gleichen Betrieb.
Eigentümer und Mieter sind zufrieden

„Alle zwei bis drei Monate sind wir vorbeigefahren und haben geschaut, wie es mit dem Bau weiter geht“, schmunzelt der 29-jährige Patrik. In dem Häuschen wohnte früher die Schwester seiner Oma, die öfters besucht hatte. „Aber da sah alles anders aus“, erinnert er sich. Und auch daran, dass die Ideen von Bernd Seiberle genau sein Stil waren. Auch die 24-jährige Ramona ist ganz sicher, dass die Wohnungswahl richtig war. Und wie ist das mit dem Verkehr, wenn man mitten auf einer Kreuzung wohnt? „Das hält sich wirklich in Grenzen“, sagen die Beiden. Auch sonst ist alles gut. Und das Häuschen ist schon etwas Besonderes. Und zudem wurde hier auch Politik gemacht. Dass der Stellplatz fürs Auto auf einem Grundstück gegenüber ist, das macht nichts. Eine Garage hatte echt keinen Platz mehr im Haus.