Ungewöhnliche Begleitumstände gab es im Amtsgericht bei einer Verhandlung gegen einen 32-Jährigen, der wegen neunfacher gefährlicher Körperverletzung angeklagt war. Vier Polizisten durchsuchten die Besucher und sämtliche Handys mussten abgegeben werden. Verhandelt wurde ein Vorfall vom November 2013 in Hausen a.A., als Polizisten, Veterinäre und zwei Zeugen versuchten, im Haus der Familie Mentolo zu überprüfen, wie viele Katzen dort gehalten werden. Exakt ein Jahr später stürmte dann sogar ein Sondereinsatzkommando das Haus, um entsprechend einer Anordnung des Landratsamtes, die dort befindlichen 42 Katzen zu beschlagnahmen. Die Aktion sorgte für ein großes Medienecho.

In der jüngsten Verhandlung wurde also im Prinzip die "Vorgeschichte" des umstrittenen Katzenhaushaltes aufgearbeitet, die sich vor drei Jahren abgespielt hatte. Dabei soll der Beschuldigte, einer von mehreren im Haus lebenden Söhne, insgesamt neun Personen durch Reizgas verletzt haben, und zwar bei deren Versuch in das Haus zu gelangen. Ein für Juni anberaumter Verhandlungstermin war geplatzt, nachdem der Beschuldigte etliche Atteste bezüglich einer Verhandlungsunfähigkeit vorgelegt hatte. Auch deshalb hatte Richterin Nadine Zieher nun einen Facharzt für Psychiatrie als Gutachter in den Sitzungssaal I bestellt, der die Szenerie zu Beginn beobachtete und keine schwerwiegenden Verdachtsmomente bezüglich einer Verhandlungsunfähigkeit feststellte. Der Beschuldigte ließ über seinen Pflichtverteidiger einen mehrseitigen Brief verlesen, in dem er den Ablauf des Novembervormittages 2013 schilderte. Er sei mit Geburtstagsvorbereitungen für seinen Bruder beschäftigt gewesen, als es an der Tür klingelte und Leute immer lauter "Aufmachen" schrien.

Aus Angst habe er nicht geöffnet, sondern mehrfach seine Mutter angerufen. Dann wurde an der Haustür rumgebohrt. Er habe sich mit dem Rücken gegen die Tür gestemmt, und dann CS-Gas durch einen kurzzeitig geöffneten Spalt gesprüht. Später kam seine Mutter und in Absprache mit ihr wurden Veterinäre und Polizisten ins Haus gelassen. Seine Weigerung, den eindeutig als Polizisten erkennbaren Beamten die Tür zu öffnen, begründete der 32-Jährige damit, dass er den Durchsuchungsbeschluss nicht gesehen habe und er von Großaufgebot überrumpelt wurde. Der Staatsanwalt wertete den Brief als Geständnis, da die Tat ja eingeräumt wurde. Intensiv befragte der Gutachter den Beschuldigten zu seiner Furcht: "Wir wollen verstehen, was mit Ihnen los ist." Erneut bot er ihm ein Gespräch an, worin auch geklärt werden könnte, ob er beispielsweise eingeschränkt schuldig sei. "Man weiß nie, wie ein Gutachten ausfällt", antwortete der Beschuldigte skeptisch, worauf sein Verteidiger ihn ermutigte, dass so ein Gespräch eine Chance sein könne. Daraufhin willigte er ein und es folgte eine 45-minütige Unterbrechung.

Im Anschluss hörte das Gericht die Aussagen etlicher Zeugen, darunter zwei Polizisten, die im November 2013 im Einsatz waren. Alle bestätigten, dass man geklingelt, geklopft und sich ausgewiesen habe, wobei es durchaus laut herging. Nach der Einlassverweigerung wurde ein Schlüsseldienst beauftragt, der das Türschloss aufbohrte. "Von innen stemmte sich jemand gegen die Tür und durch einen Spalt wurde zwei Mal mit Reizgas gesprüht", erklärte der Einsatzleiter. Sein Kollege ergänzte, dass man auch massives Hundegebell gehört und sich entsprechend gewappnet hatte. Die Polizisten versicherten mehrfach, dass sie kein Gas gesprüht hätten und somit blieb ungeklärt, wie viel Substanzen überhaupt genutzt wurden. Denn sowohl am Arm eines Beamten wie auch an einem Vorhang im Hausinneren wurden später gelbe Farbschichtungen entdeckt und Reizgas ist farblos. Alle Beteiligten verspürten Halschmerzen, Würgereizn und kämpften gegen tränende Augen. Eine Gemeindebeschäftigte war damals als Zeugin mit dabei. Sie bestätigte das Hundegebell, den Sprayeinsatz und erklärte, dass der Mann mit der Situation überfordert war. Ein weiterer Zeuge erinnerte sich nur noch partiell an das Geschehen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erläuterte dann der Gutachter seine Eindrücke von der Verhandlung sowie von seinem Gespräch mit dem Beschuldigten. Er bezeichnete diesen als ängstlichen, unsicheren, aber harmlosen Menschen. Zum damaligen Zeitpunkt habe er sich in keinem psychischen Ausnahmezustand befunden, sei allerdings mit der Situation überfordert gewesen, wobei er niemand böswilligend schädigen wollte.

Der Beschuldigte sei zu klarem, strukturierten Handeln fähig, wie das Abfassen des Briefes zeige. Der Gutachter befand, dass der Mann verhandlungsfähig sei und keine verringerte Schuldfähigkeit vorliege.

Ein Urteil wurde auch nach etlichen Stunden Verhandlung nicht gesprochen, nachdem weitere Beweisanträge gestellt wurden. Der Fortsetzungstermin ist auf den 24. Oktober, 15 Uhr, anberaumt.