"Jetzt können wir ungefähr abschätzen, wie viele Menschen in die ehemalige Reithalle passen", schmunzelte Josef Henselmann, als er seinen Blick über die mächtige Besucherschar schweifen ließ. Er stellte sich auf ein Podest, damit ihn alle sehen und vor allem hören konnten. Anhand von Fotos, die er an die Wand projizierte, erläuterte sein Sohn Maximilian den Zustand des Gebäudes vor der Renovierung sowie die Fortschritte, die bereits stattfanden.
Nach dem Erwerb des Gebäudes im Jahr 2013 habe zuerst der Hausschwamm vertrieben werden müssen. Neun befallene Balken der Dachkonstruktion seien vollkommen zerstört gewesen. Allein die massive Bauweise des Dachs habe verhindert, dass es einstürzte, wurde den interessierten Gästen berichtet.
"Alles, was da ist, wird erhalten", lautet das oberste Gebot des Bildhauers Josef Henselmanns. "Wir haben überhaupt nichts zerstört", versicherte er den vielen Zuhörern. Sogar Dinge, die im Moment keine Verwendung finden, würden aufbewahrt. Aus diesem Grunde arbeite das Denkmalamt gerne mit dem Hausherrn zusammen, sagte er.
Anhand der Fenster erläuterte Maximilian Henselmann, wie aufwendig sich die Arbeiten gestalten. Es handle sich um Sprossenfenster, die aus dem 19. Jahrhundert stammen müssen, wie ein fachkundiger Besucher sagte. Die Scheiben waren alle zerbrochen und das Holz teilweise verfault. Nun mussten die verfaulten Stellen durch neues Holz ersetzt und jede einzelne Scheibe von Hand zurechtgeschnitten und eingepasst werden. "Jedes einzelne Fenster ist ein Unikat", erläuterte der Architekturstudent Maximilian Henselmann. Um Dachgauben nach historischem Vorbild einzubauen, recherchierte er in den Archiven und studierte historische Aufnahmen.
Maximilian und Josef Henselmann kümmern sich aber auch liebevoll um die kleinsten Details in dem Gebäude; sie legen zum Beispiel alte Türbänder frei und entfernen dabei den vor Jahrzehnten aufgebrachten Lack, um den Türbändern wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Sie zeigten den Besuchern sowohl die Räume über dem Stallbereich als auch den zweistöckigen Dachstuhl. Als Letztes werde er den Huf ergänzen, der dem fast vollplastischen Relief an der Außenwand über dem Eingangstor fehlt. "Daran können Sie erkennen, wann ich fertig bin", ergänzte er humorvoll.
Wie ein Tatzelwurm wand sich die Besucherschar durch das gesamte Gebäude bis hinauf ins zweistöckige Dachgeschoss. Überall bestaunten die Gäste sie die Konstruktion und die historischen Relikte. Unter den zahlreichen Gästen befanden sich auch Geschwister, die mit ihrer Familie nach dem Zweiten Weltkrieg den ersten Stock bewohnten. "Das war die schönste Kindheit, die man sich vorstellen kann", erzählte Hella Wohlhüter aus Ulm gegenüber dem SÜDKURIER. Als Kinder hätten sie die große Wohnung mit ihrem riesigen Flur genossen und vor der Haustüre im Park gespielt als gehöre er ihnen, berichtete sie.
Über eine Entdeckung bei den Renovierungsarbeiten freute sich ihr Bruder Helmut Wohlhüter dann in ganz besonderem Maße. Im Boden der Wohnung war Josef Henselmann auf sein kleines Blechschaukelpferd gestoßen. Als er das Pferdchen zurückbekam, das er vor den Franzosen im Boden versteckt hatte, habe Wohlhüter vor Glück gestrahlt. Der ehemalige Bewohner konnte Henselmann im Gegenzug noch einige Details zur ehemaligen Inneneinrichtung des Gebäudes verraten.
Geschichte des Marstalls
Der Marstall an der Bundesstraße wurde 1789 unter Anton Aloys von Hohenzollern-Sigmaringen gebaut. Am Einfluss seiner Frau Amalie Zephyrine liegt es wohl, dass es im Gebäude französische Stilmittel gibt. Im Erdgeschoss befanden sich die Pferdeställe und die Reithalle. Darüber lebten die Stallknechte. In den Fünfzigern diente das Erdgeschoss als Turnstätte und das Obergeschoss als Wohnraum. (imi)