In vierter Generation führt das Brüderpaar Christian und Daniel Reuter den gleichnamigen Malerbetrieb in Hausen a.A. und setzt eine Tradition fort – die Ausbildung des eigenen Nachwuchses. Seit einem knappen Jahr haben sie einen besonderen Azubi – einen jungen Mann aus Mali. Der 20-jährige Demba kam vor drei Jahren mit dem Flugzeug nach Deutschland: „Ich will ein besseres Leben. Es gibt bei uns keine Arbeit und keine Perspektive!“, gibt es als Grund an, seine Eltern und seine Heimat verlassen zu haben. Und da er schon immer handwerklich arbeiten wollte, erstellte er mit seiner damaligen Betreuerin eine Bewerbungsmappe für die Lehrstelle bei Reuter.
Für deren Geschäftsführer sind Noten eher zweitrangig und so wurde der Kandidat zum Gespräch eingeladen, absolvierte ein zweiwöchiges Praktikum und bekam die Lehrstelle. „Ich arbeite gerne und die Arbeit gefällt mir gut“, sagt Demba, wobei er aktuell im ersten Lehrjahr nur einen Wochentag im Betrieb arbeitet und ansonsten die Berufsschule besucht, wobei sich die Schülerzahl der Malerklasse binnen eines Jahres fast halbierte.
Der junge Demba aus Mali will nach Abschluss seiner Ausbildung dem Beruf und der Firma treu bleiben, auch weil der Betrieb vielfältige Möglichkeiten bietet. Auf etwa 30 Prozent taxiert Christian Reuter den Anteil der Malerei und listet als weitere Geschäftsfelder Teppichgroßhandel, Bodenbelagsarbeiten und Steinsanierungen auf. Das Team ist deutschlandweit unterwegs, auch weil man für Kunden wie Geberit oder Extra-Games in deren Niederlassungen Arbeiten erledigt.
Bald wird auch Demba überall im Einsatz sein und immer neue Dinge lernen, wobei der junge Mann zum Abschluss nochmals die entscheidende Voraussetzung für sein Leben in Deutschland benennt: „Ohne Sprache, keine Arbeit!“ Der Mann aus Mali verbessert nicht nur in der Schule, im Betrieb und im Alltag sein Deutsch, sondern auch auf dem Fußballplatz, wo er für den FC Albstadt die Kickstiefel schnürt.
Die schlechten Deutschkenntnisse sind nach Angaben der Handwerkskammer Reutlingen das entscheidende Hindernis bei der Lehrstellenbesetzung durch Flüchtlinge. „Trotz 700 freier Lehrstellen für Flüchtlinge oder Asylbewerber sind bislang nur 25 Bewerbungen bei Handwerksbetrieben in der Region eingegangen“, berichtete Präsident Harald Herrmann. Bei einer Umfrage hatten viele Betriebe fehlende oder unzureichende Sprachkenntnisse als größtes Problem benannt, um Flüchtlinge als Auszubildende einzustellen. Als weniger gravierend stuften die Firmen hingegen den bürokratischen Aufwand bei den Behörden oder die mangelhafte Arbeitsdisziplin der Bewerber ein.
Wie wichtig der Erwerb der deutschen Sprache für Flüchtlinge ist, weiß Hermine Reiter seit vielen Jahren. Als Leiterin der Volkshochschule Pfullendorf organisiert sie Deutsch-Sprachkurse und die Nachfrage hat sich nicht zuletzt durch die Flüchtlingsströme im vergangenen Jahr enorm erhöht. „Derzeit haben wir drei Kurse mit je 25 Teilnehmern, die vier Mal pro Woche Unterricht haben und in Kürze startet eine vierte Gruppe“, ergänzt Reiter, dass es einen weiteren Kurs für Berufstätige gibt, der samstags stattfindet.
Auch nach Abschluss des Sprachkurses bleibt Hermine Reiter für viele Flüchtlinge eine wichtige Ansprechpartnerin und so hat sie auch einen Überblick, was ihre Schützlinge mit dem Zertifikat in der Tasche machen. „Eine junge Frau hat eine Ausbildung begonnen, einige besuchen nach dem Praktikum weiterführende Schulen und ein Absolvent hat sich an der Universität eingeschrieben“, erzählt sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Internet-Lehrstellenbörse
Die Handwerkskammer Reutlingen schreibt drei- bis viermal im Jahr alle ausbildungsberechtigten Betriebe an und bittet darum, freie Lehrstellen zu melden. Die Stellen können im Internet und auf der Smartphone-App „Lehrstellenradar“ drei Monate abgerufen und das kostenlose Angebot laufend genutzt werden. Im Mai 2016 hat eine neue Umfrage unter 7300 Betrieben begonnen. Aktuell sind im Kammerbezirk, der die Landkreise Sigmaringen, Reutlingen, Freudenstadt, Tübingen und Zollernalbkreis umfasst, insgesamt 1119 Mädchen und 3808 Jungen in den Lehrjahren 1 bis 4 ausgebildet worden. (siv)