In der Fortsetzungsverhandlung vor dem Amtsgericht Sigmaringen ist ein 32-jähriger Sigmaringer zu 8000 Euro Strafe verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, seine minderjährige Schwägerin in mindestens 60 Fällen vergewaltigt, beziehungsweise missbraucht zu haben. Wegen widersprüchlicher Aussagen von Zeugen und der Geschädigten ließ das Gericht den Vorwurf der Vergewaltigung fallen, verurteilte ihn aber wegen wiederholten Missbrauchs der damals 14-jährigen Schwester seiner Frau.

Angeklagter schüchtert sein Opfer ein

Im Laufe des langen Prozesstages, bei dem die Öffentlichkeit mehrfach ausgeschlossen wurde, befragte Richterin Kristina Selig die verängstigt wirkende, heute 20 Jahre alte Geschädigte, die sich erst in Abwesenheit des Angeklagten in der Lage sah, das Vorgefallene der Richterin und den Schöffen zu schildern. Die Anwälte des Angeklagten wollten jedoch die Konfrontation beider Seiten und boten deshalb etliche Argumentationen auf, um den Ausschluss des Angeklagten während der Befragung der jungen Frau zu verhindern, was die Richterin jedoch verhinderte. Auch der Anwalt der Nebenklage hob die Einschüchterung der Geschädigten bei Anwesenheit des Täters hervor, wobei er diesem seiner Einschätzung nach eine dissoziative Persönlichkeitsstörung mit Empathielosigkeit bescheinigte, die zu Wiederholungstaten führen könnten.

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Opfer zieht zum Täter

Die damals 14-Jährige ist im Sommer 2014 nach der Scheidung ihrer Eltern zu ihrer Schwester und deren Mann gezogen, wo sich aus dem als freundschaftlich beschriebenen Verhältnis schnell eine über das Familiäre hinausgehende Nähe entwickelte. Die junge Frau warf ihrem Schwager Vergewaltigung und ständige sexuelle Übergriffe vor. Der Mann bestritt die Vergewaltigungen, gab aber zu, eine sexuelle Beziehung zu ihr gehabt zu haben, die nach seiner Aussage aber einvernehmlich gewesen sei. Höchstens neunmal sei das gewesen, sagte er, während die Jugendliche ausgesagt hatte, dass die Übergriffe fast täglich stattgefunden hätten.

Mutter kommen keine Zweifel

Die Zeugenaussage der Mutter des Mädchens, die ebenfalls in der gleichen Wohnung lebt, gab denkwürdige Einblicke in das Beziehungsgeflecht dieser Wohngemeinschaft. Sie habe zwar gemerkt, dass etwas nicht stimme, aber sie sei an ihre jüngste Tochter nicht herangekommen. Abwehrende Äußerungen ihrer Tochter habe sie veranlasst, nicht weiter nachzufragen. Auch, dass die Tochter von sich aus eine Therapie angefangen hat, ließ die Mutter nicht hellhörig werden. Sie habe die Tochter zwar gefragt, warum sie das tue, aber weil das Mädchen ausweichende Antworten gab, hat die Mutter das Thema auf sich beruhen lassen.

Angeklagter liegt bei Schwägerin im Bett

Jedenfalls ist die Jugendliche in der Therapie auf die Möglichkeit einer Anzeige hingewiesen worden, die sie schließlich wahrnahm. Die Mutter wusste auch, dass ihr Schwiegersohn immer wieder im Zimmer ihrer jungen Tochter war und sogar nackt in deren Bett, „aber da er in der Wohnung immer nackt herumgelaufen ist, habe ich mir nichts dabei gedacht“. Es gab zwar Situationen, bei der die Mutter ins Zimmer der Tochter kam, beide im Bett vorfand und beim Eintreten kurz erschrockene Stille herrschte, was sie aber immer noch nicht beunruhigend fand. „Sie sind ja öfters zusammen im Bett gelegen und haben Filme geschaut“, sagte die Mutter, räumte aber ein, dass „ich vielleicht auch nichts merken wollte“. Sie habe erst konkret von dem Missbrauch erfahren, als ihre älteste Tochter, die mit dem Angeklagten verheiratet ist und sich jetzt in Scheidung befindet, ihr davon berichtete. Ihr Mann, also der Angeklagte, hatte ihr gestanden, dass er mit ihrer jüngsten Schwester schlafe.

Das Mädchen wurde immer verschlossener

In der ersten Verhandlung hatte der Mann zugegeben, auch mit der mittleren Schwester Sex gehabt zu haben, zusammen mit seiner Frau, also zu Dritt. Seine Ehefrau hatte in der ersten Verhandlung ausgesagt, dass sie immer geahnt habe, dass auch mit der jüngsten Schwester etwas läuft. Aber er habe dies immer glaubhaft verneint. Das Mädchen habe nach Aussage der Mutter nie etwas gesagt, wurde immer verschlossener und habe sich auch immer mehr von dem Angeklagten abgewandt.

14-Jährige war völlig überfordert

Warum die Klägerin immer wieder den Kontakt zugelassen hat, ihre Tür nicht abschloss und auch nach den Taten mit dem Täter freundschaftlich chattete, ist in der Verhandlung für die Öffentlichkeit nicht klar geworden, war aber offenbar Futter für die Anwälte des Angeklagten, die gerne die Einvernehmlichkeit bestätigt gesehen hätten. Richterin Selig hob aber die Unerfahrenheit einer 14-Jährigen hervor, die mit der Situation völlig überfordert war. Sie sei aufgrund ihres Alters unfähig, die Bedeutung der Taten zu erkennen, wobei sie vermutlich den sozialen Frieden im Familienverband nicht gefährden wollte. Der Angeklagte aber hätte als erwachsener Mann sehr wohl gewusst, was er tat, hat aber die Familienkonstellation und seine Macht als Erwachsener ausgenutzt. Auf ihn kommen auch die Kosten des Verfahrens zu.