Zu einer Haftstrafe in Höhe von vier Jahren wurde ein 34-Jähriger aus einer Gemeinde im Landkreis Sigmaringen am Mittwoch vom Schöffengericht in Sigmaringen verurteilt. Richterin Kristina Selig und die Schöffen schenkten der Aussage der elfjährigen Tochter des Mannes Glauben, dass dieser das Mädchen insgesamt sechs Mal sexuell missbraucht haben soll, weshalb der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt wurde.
Plädoyers werden nichtöffentlich gehalten
Die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und den Anwälten des Angeklagten wurden nichtöffentlich gehalten, aber die Richterin erwähnte in der Urteilsbegründung, dass man sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft bezüglich des Strafmaßes angeschlossen habe.
Mädchen sagt unter Tränen im Video aus
Schon in der vergangenen Woche hatte der Prozess begonnen. Am ersten Verhandlungstag war zunächst ein Video gezeigt worden, in dem das Mädchen unter bitteren Tränen im Juni dieses Jahres ausgesagt hatte, dass es im Laufe einiger Monate seit dem Tag nach Neujahr 2022 zu sexuellen Übergriffen des Vaters gekommen sei. Angefangen habe alles damit, dass der Vater ihr pornografische Bilder gezeigt und auch auf ihr Handy geschickt habe. Die Fotos habe er anschließend wieder gelöscht, damit die Mutter sie nicht finden könne.
Die Schülerin berichtete von mehreren weiteren Vorfällen, in denen sich der Missbrauch vom Befriedigen des Vaters mit der Hand bis hin zum nackten Reiben an ihrem Körper entwickelt habe. Sie schilderte, dass sie die sexuellen Handlungen angeekelt hatten und dass sie ihn gebeten habe, diese Dinge nicht mit ihr zu tun. Trotzdem habe sie sich nicht wehren können, weil der Mann ihr angedroht habe, dass etwas noch Schlimmeres passieren würde, wenn sie nicht mitmache. Der Mann selbst wollte im Prozess keine Aussage zu den Vorwürfen machen.
Aussage sei erlebnisorientiert geschildert
„Wir sind davon überzeugt, dass das, was das Mädchen bei ihrer Vernehmung und später auch gegenüber der Sachverständigen gesagt hat, so auch stimmt. Wir denken, dass diese Aussage glaubhaft ist und erlebnisorientiert geschildert wurde“, erläuterte Kristina Selig in der Urteilsbegründung. Sie und die Schöffen seien der Ansicht, dass die Elfjährige nicht in der Lage gewesen wäre, eine solche Geschichte zu erfinden. „Wir gehen davon aus, dass die Aussage erlebt sein muss aufgrund der Schilderungen“, sagte Selig. Diese seien nicht so formuliert, dass man annehmen könne, dass sie zum Beispiel aus einem pornografischen Film übernommen wurden, den das Mädchen gesehen haben könnte. Sie habe sexuelle Handlungen geschildert, die in dieser Form eben gerade nicht in einem Pornofilm gezeigt würden, so Selig.
Gutachterin hatte Glaubwürdigkeit bescheinigt
Die Richterin schloss sich der Argumentation der Sachverständigen Judith Arnscheid an. Diese hatte am ersten Prozesstag die Aussagen des Mädchens genau analysiert und war zu dem Schluss gekommen, dass hier selbst Erlebtes und keine erfundenen Anschuldigungen vorgebracht worden waren. Die Gutachterin hatte dem Mädchen bescheinigt, dass es Fantasie und Realität gut unterscheiden könne. Die geschilderten, komplexen Handlungen könne die Elfjährige ihrer Meinung nach nicht erfunden haben. Arnscheid hatte außerdem ausgesagt, dass die Elfjährige einen stark belasteten Eindruck auf sie mache.
Kristina Selig führte aus, dass auch die Aussage des Mädchens, wie sich der sexuelle Missbrauch allmählich gesteigert habe, ein Hinweis auf eine Schilderung aufgrund tatsächlicher Erlebnisse sei. Dass das Mädchen in einer weiteren Aussage am Ende des ersten Prozesstages dann die Vorfälle auf zwei Übergriffe reduziert hat, sieht die Richterin darin begründet, dass ein starker Druck auf der Elfjährigen gelastet habe, ihre Mutter und ihren kleinen Bruder, die unter der Inhaftierung des Vaters leiden, glücklich sehen zu wollen. „Sie wollte die Vorwürfe auf das Minimale reduzieren, damit der Vater glimpflich davonkommen würde“, so Selig.
Bilder und eine Montage-App auf dem Handy gefunden
„Wir gehen davon aus, dass Sie ein sexuelles Interesse an Ihrer Tochter hatten“, sagte die Richterin in Richtung des Angeklagten. Dafür sprächen zum einen die pornografischen Bilder, welche die Polizei auf dem Handy des Mannes gefunden hatte. Sie zeigten laut der Aussage eines Kriminalhauptkommissars ein Paar beim Geschlechtsverkehr, dessen Gesichter durch die per Fotomontage aufgesetzten Köpfe von Vater und Tochter ersetzt worden waren. Zum anderen habe man auf dem Handy auch die App gefunden, die diese Montage ermöglicht hat, sowie eine auf dem Gerät gespeicherte Suche, mit der Videos mit sexuellen Handlungen zwischen Vätern und Töchtern gesucht worden seien. Das Gericht glaube nicht, dass dem Mann die Bilder eine dritte Person zugeschickt haben könnte, führte Kristina Selig aus.
Angeklagter war beruflich gut integriert
Abschließend erläuterte sie, dass für den Angeklagten gesprochen habe, dass er sich seit der Ansiedlung der Familie in Deutschland gut integriert und auch beruflich Fuß gefasst habe. Gegen den Angeklagten habe gesprochen, dass er bereits wegen Körperverletzung vorbestraft ist. Unter anderem hatte der 34-Jährige seine Tochter im Jahr 2013 – damals war sie zwei Jahre alt – am Hals gepackt.
Psychische Folgen für das Mädchen werden sich noch zeigen
„Es gab Gewalt in der Familie“, betonte Kristina Selig. Auch die Steigerung in den Taten und die Drohungen gegen seine Tochter sprachen gegen den Angeklagten. „Was das alles für psychische Folgen für das Mädchen für die Zukunft hat, das wird sich noch zeigen“, sagte Kristina Selig. Sicherlich werde das Erlebte für die Elfjährige noch sehr lange eine starke Belastung darstellen.