Ob ein 34-jähriger Mann aus einer Gemeinde im Landkreis Sigmaringen seine elfjährige Tochter mehrfach sexuell missbraucht hat, ist derzeit Gegenstand einer Verhandlung des Schöffengerichts Sigmaringen. Der erste Prozesstag war für die Zuhörer nicht leicht zu verdauen: Zum einen sahen sie die per Film dokumentierte, berührende Aussage des Mädchens vom Juni dieses Jahres, bei der dieses unter Tränen den Missbrauch vom erzwungenen gemeinsamen Pornobilder-Konsum mit dem Vater bis hin zu sexuellen Handlungen schilderte.
Mädchen relativiert Anzahl der Taten
Zum anderen gab es eine überraschende Wendung, als die Schülerin am Nachmittag noch einmal – nichtöffentlich – befragt wurde. In dieser Befragung soll sie, wie später im öffentlichen Teil bekannt wurde, die Vorwürfe ein stückweit relativiert haben, indem sie von „nur“ zwei Übergriffen des Vaters berichtet haben soll.
Beschuldigter sitzt in Untersuchungshaft
In Fußfesseln wird der zweifache Familienvater in den Gerichtssaal gebracht. Seit seine Frau im Juni dieses Jahres die Polizei gerufen hat, nachdem sich die Tochter ihr anvertraut und von mehrmaligen sexuellen Übergriffen des Mannes berichtet hatte, sitzt er in Untersuchungshaft. Später in der Verhandlung wird eine Tonaufnahme des Notrufs der Mutter bei der Polizei abgespielt, die verdeutlicht, wie aufgebracht und verstört die Frau nach dem Geständnis der Tochter gewesen war.
Mutter macht sich bei Polizei Vorwürfe
Auch das Protokoll ihrer Aussage, als die Polizei vor Ort eintraf, zeigt, wie sehr die Situation die Mutter mitgenommen hatte: „Ich hätte nie gedacht, dass ein Papa so etwas macht“, wird sie zitiert und im Protokoll festgehalten sind auch die Vorwürfe, die sich die Frau macht, weil sie nichts gemerkt habe.
In der Verhandlung beruft sich die Mutter jedoch auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Ehefrau und macht keinerlei Aussagen. Ebenso hält es der Beschuldigte selbst, der keine Angaben zu den Vorwürfen machen will. Zu Beginn der Verhandlung bekommt er nach einem von seinen beiden Verteidigern initiierten „Verständigungsgespräch“ zwischen Richterin Kristina Selig, den Schöffen, der Staatsanwältin und den Anwälten die Möglichkeit zu einem Deal.
Angeklagter lehnt einen Deal ab
Wenn er sich schuldig bekennt, käme er mit einer Freiheitsstrafe zwischen zwei Jahren und zehn Monaten sowie drei Jahren und fünf Monaten davon, so das Angebot. Das lehnt der Angeklagte jedoch ab.
Aufgezeichnete Aufnahme wird gezeigt
Und so ist das elfjährige Mädchen die einzige der Familie, deren Aussage im Prozess gehört wird. Allerdings zunächst nur per Film – gezeigt wird das aufgezeichnete Gespräch mit einem Polizisten vom Juni dieses Jahres. „Mein Vater hat so komische Sachen mit mir gemacht“, sagt das Mädchen und bricht in Tränen aus. Sie schildert, dass er ihr auf dem Handy Bilder von nackten Frauen und Männern gezeigt und auch auf ihr eigenes Handy geschickt habe.
Fotos sollen gelöscht worden sein
Die Fotos habe er anschließend wieder gelöscht, damit die Mutter sie nicht sehen konnte. Sichtlich schwer tut die Elfjährige sich damit, auf die Fragen des Beamten hin zu beschreiben, was die nackten Personen auf den Bildern getan haben. „Sie haben sich geküsst und das gemacht, was erwachsene Leute so machen“, umschreibt sie das, was ihr offensichtlich zu peinlich ist, um es genauer zu schildern.
Die Schülerin erzählt von mehreren Vorfällen ab dem Tag nach Neujahr 2022, in denen sich der Missbrauch vom Aufzwingen des Betrachtens von pornografischen Bildern über das Befriedigen des Vaters mit der Hand bis hin zum nackten Reiben an ihrem Körper entwickelt haben soll. „Ich fand es immer eklig und ich habe gesagt, dass ich das nicht will“, betont das Mädchen mehrfach. Sie habe aber trotzdem mitgemacht, weil der Mann sie bedroht habe, schildert sie dem Polizisten. „Er sagte, dass sonst Schlimmeres passieren werde“, berichtet sie.
Mutter soll während der Taten bei der Arbeit gewesen sein
Dass Mutter und Bruder nichts mitbekommen haben sollen, liege daran, dass die Übergriffe immer dann passiert seien, wenn die Mutter beim Arbeiten gewesen sei. Dann sei der kleine Bruder entweder mit seiner Mutter bei der Arbeit gewesen oder er sei frühzeitig vom Vater zum Schlafen geschickt worden.
Tochter offenbart sich schließlich
Über mehrere Monate hinweg soll es laut der ersten Aussage der Schülerin sechs bis acht solcher Vorfälle gegeben haben. Bis zu jenem Tag im Juni dieses Jahres, an dem ihre Mutter ihr eröffnete, dass sie erneut mit dem Vater allein sein würde, während diese zur Arbeit ging. Aus Angst, was dann passieren würde, überwand das Mädchen ihre Einschüchterung und offenbarte ihrer Mutter die Vorfälle, wie sie schildert. Die Polizei wurde gerufen und der Mann verhaftet.
Lehrer hatte einen guten Eindruck von den Eltern
Im Laufe des Prozesses werden viele Facetten des Familienlebens der Betroffenen beleuchtet. So hatte der Lehrer des Mädchens die Eltern als „sehr herzlich und fürsorglich“ erlebt. Sie hätten sich um schulische Dinge gut gekümmert, am Elternabend teilgenommen und sogar mit ihm telefonischen Kontakt aufgenommen, um sich zu informieren. Eine Vertreterin des Jugendamts schildert, dass die Mutter den Vater vermissen würde, seit er in Haft sei. Sie wolle, dass er wieder nach Hause komme. Die Tochter erwähnt jedoch in ihrer Aussage vom Juni, dass es in der Familie häusliche Gewalt gegeben habe. Der Mann habe seine Frau einmal geschlagen und bei diesem Vorfall sei auch die Polizei eingeschaltet worden.
Pornografie auf dem Handy des Angeklagten gefunden
Eine weitere Aussage am ersten Prozesstag ist diejenige eines Kriminalhauptkommissars, der die Daten ausgewertet hat, die von der Polizei in Friedrichshafen vom Handy des Angeklagten ausgelesen worden waren. Er berichtet von 15 pornografischen Bildern auf dem Mobilgerät des Vaters, von denen fünf für den Fall relevant seien. Dabei handelt es sich unter anderem um pornografische Bilder eines Paares.
Köpfe auf Pornobilder montiert
Die Gesichter der beiden seien in einer Fotomontage durch die Gesichter des Beschuldigten und seiner Tochter ersetzt worden. „Die Köpfe waren ausgetauscht, sodass es so aussah, als hätte der Vater mit seiner Tochter Geschlechtsverkehr“, schildert der Beamte. Einen Chat-Verlauf zwischen Vater und Tochter habe man nicht auf dem Handy gefunden.
Gutachterin attestiert Glaubwürdigkeit
Der lange Prozesstag endet mit der Aussage von Gutachterin Judith Arnscheid. Sie bescheinigt dem Mädchen, dass es Fantasie und Realität gut unterscheiden könne. Die früheren Aussagen sprechen für die Gutachterin dafür, dass hier selbst Erlebtes, nicht Erfundenes erzählt worden sei. Die geschilderten, komplexen Handlungen könne die Elfjährige ihrer Meinung nach nicht erfunden haben. Die neue Aussage des Mädchens konnte die Gutachterin nicht erklären, sie passe nicht zu dem, was bisher gesagt worden sei. Der Prozess wird am Mittwoch, 16. November, fortgesetzt. Dann soll ein Urteil fallen.