Jährlich erkranken laut Statistik rund 70 000 Frauen in Deutschland an der bei Frauen häufigsten Krebsart: Brustkrebs. Rechtzeitig erkannt und behandelt, gibt es oft gute Heilungschancen. Fünf Jahre nach der Erkrankung sind laut Statistik 88 Prozent der Patientinnen noch am Leben, die Sterbequote sinkt kontinuierlich. Aktuell machte Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, ihre Brustkrebserkrankung öffentlich. Weniger bekannt ist, dass auch Männer Brustkrebs bekommen können. Etwa 650 Männer in Deutschland erhalten pro Jahr die Diagnose.
„Sie haben nicht den Hamster, nicht den Schäferhund, sie haben den Tiger erwischt.“
Mit ihrer Brustkrebserkrankung geht Daniela Dittmann offen um. Die 46-jährige Erzieherin aus Mengen erhielt vor vier Jahren die Brustkrebsdiagnose „Triple negativ“. Daniela Dittmann erinnert sich noch genau an den 10. April 2015, als Chefarzt Dr. Edgar Schelble vom Brustzentrum Sigmaringen ihr und ihrem Mann Dirk die lebensverändernde Diagnose überbrachte. Oberarzt Dr. Peter Krezdorn beschrieb diese Tumorart laut Daniela Dittmann so: „Sie haben nicht den Hamster, nicht den Schäferhund, sie haben den Tiger erwischt.“
Wie Brustkrebs behandelt wird, erklärt Dr. Edgar Schelble
Kontakt zur Selbsthilfegruppe
Die meisten Tumore in der weiblichen Brust sind hormonabhängig. Ein „Triple negativ“-Tumor besitzt keine Hormonrezeptoren und ist daher schwerer zu behandeln. Daniela Dittmann benötigte eine Chemotherapie, Operation und Bestrahlung. „Mein erster Gedanke war: Wer macht das Turnen für mich und was ist mit unserem Urlaub?“, erinnert sie sich. Bis dahin war Daniela Dittmann ein Vereinsmensch, immer nur für andere da, leitete im Turnverein Mengen mehrere Gruppen. Bereits kurz nach der Diagnose wandte sich Daniela Dittmann an die Selbsthilfegruppe von Evi Clus. Am 27. April begann die sportliche Frau die Chemotherapie in Sigmaringen, erhielt jeweils vier Mal im Abstand von drei Wochen die Zytostatika EC (Epirubicin und Cyclophosphamid) und vier Mal Docetaxel. Diese Substanzen hemmen das Zellwachstum beziehungsweise die Zellteilung.
Hohe psychische Belastung
Die Chemotage im Krankenhaus habe sie sich „nett gemacht“, den DVD-Player und Bücher mitgenommen, aber nicht gebraucht. „Ich war nur am Reden“, berichtet sie. Sie habe eine starke Verbundenheit zu den anderen Chemopatienten gespürt. Dass sich der Tumor nach Abschluss der Chemotherapie laut Histologiebericht nicht verändert hatte, obwohl sie ihn selbst nicht mehr tasten konnte, habe sie hadern lassen. Es bestehe ein 98-prozentiges Rückfallrisiko. „Und das macht die Psyche nicht so gut mit“, schildert die 46-Jährige.
Gerne hätte sie sich mehr Persönlichkeitsschutz während der Chemotherapie gewünscht, denn die Arztgespräche fanden am Stuhl des Patienten statt, erzählt sie. Sie hoffe, dass in den neuen Räumlichkeiten des SRH-Klinikums Platz für Besprechungszimmer eingeplant werde.
46-Jährige erfährt viel Unterstützung
Die Erzieherin erfuhr während der Zeit ihrer Erkrankung viel Unterstützung. Daniela Dittmann hat diese in einem Krebsalbum aufgearbeitet. Sie hat viele Genesungskarten eingeklebt. „Es war Wahnsinn, was da kam“, sagt sie sichtlich bewegt.
Die Diagnose veränderte die Beziehung zu ihren Kindern. Auf die Frage „Musst du jetzt sterben?“ habe sie geantwortet: „Nee, hast du ‚nen Vogel?“ Das sei für sie nie zur Debatte gestanden. Während sich ihr Sohn in dieser Zeit eher abnabelte, wurde die Beziehung zur Tochter intensiver, erzählt sie. Von Ehemann Dirk erhielt die Erkrankte die größte Unterstützung: „Er war immer positiv eingestellt und war sich sicher, ich schaffe das.“ Daniela Dittmanns Vater übernahm die Fahrten zur Chemotherapie, ihre Mutter übernahm ihre Turngruppen. Der mit der Chemotherapie einhergehende Haarverlust habe ihr gar nichts ausgemacht.
„Das war das Schwierigste für mich. Ich musste meinem Körper vertrauen.“Daniela Dittmann
Bei der Nadelmarkierung vor der Operation hätten die Radiologen weder den Tumor noch den Clip lokalisieren können, berichtet Daniela Dittmann. Dennoch habe der Tumor laut Histologie komplett entfernt werden können. „Es war alles weg“, erzählt sie. Inklusive der Strahlentherapie war die 46-Jährige rund ein Jahr mit der Therapie beschäftigt und fiel in ihrem Beruf aus. Nun galt es, den Kopf in Schach zu halten. Ein Triple-negativer Brustkrebs streut recht schnell in Leber, Kopf und Lunge. „Das war das Schwierigste für mich. Ich musste meinem Körper vertrauen.“ Weil recht wenige Frauen an dieser Brustkrebsform erkranken, ist sie mittlerweile in Tübingen in der Nachsorge. Die Abstände zwischen den engmaschigen Kontrollen werden immer länger. Im April 2018 nahm Daniela Dittmann die dritte Rehabilitationsmaßnahme wahr.
Wie der Krebs das Leben verändert
„Eigentlich hat es mich positiv verändert“, sagt die 46-jährige heute über ihre Erkrankung. Sie sei toleranter geworden. In ihrem Kreis der Reha-Frauen habe sich jedes Mitglied verändert. Jede Betroffene überdenke auf die eine oder andere Weise ihr Leben, habe sich beruflich verändert, den Wohnort gewechselt oder sich vom Partner getrennt.
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Die Vereinsarbeit im Turnverein hat Daniela Dittmann stark reduziert. „Ohne die Erkrankung wäre ich aus diesem Stresshamsterrad nicht herausgekommen“, ist sie sicher. Sport hat trotzdem nach wie vor einen festen und wichtigen Platz in ihrem Leben, so zum Beispiel die Sport-nach-Krebs-Gruppe in Krauchenwies und die Sportgruppe für Frauen nach Krebserkrankung in Mengen. Als Mitglied der Selbsthilfegruppe für Menschen mit Krebs und ihre Angehörigen nimmt sie an Ausflügen, Vorträgen und Veranstaltungen teil.