Bislang war die Nutzung des Schulbusses für Grundschüler und Schüler von sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) im Landkreis Sigmaringen kostenlos. Das ändert sich ab 1. Januar 2026. Dann müssen auch diese Eltern für den Schulbus ihrer Kinder monatlich 30,70 Euro zahlen. Der Kreistag hat in seiner jüngsten Sitzung die Änderung bei der Schülerbeförderung mit großer Mehrheit gebilligt. Angesichts der prekären Finanzlage des Landkreises hatte die installierte Haushaltsstrukturkommission auf der Suche nach Sparpotentialen vorgeschlagen, diese kostenlose Leistung zu canceln und mindestens 650.000 Euro an Mehreinnahmen zu bekommen.

Verwaltung befürchtet in Zukunft höheres Defizit

Für die Schülerbeförderung erhält der Landkreis vom Land jährlich etwa 3,9 Millionen Euro als Zuschuss, wobei sich dieser Betrag in den vergangenen 20 Jahren kaum erhöht hat, obwohl die Transportkosten sich deutlich erhöht haben. Die Eigenanteile der Schüler betrugen bis 2023 durchschnittlich 1,7 Millionen Euro, der sich durch die Einführung des D-Ticket JugendBW auf zuletzt 0,5 Millionen Euro verringerte. Denn viele Schüler nutzen anstelle der Schülermonatskarte das günstigere D-Ticket. Somit erhöhte sich das Minus für den Landkreis von 155.000 Euro im Jahr 2019 auf 1,22 Millionen Euro im Jahr 2024. Und die Verwaltung erwartet für die kommenden Jahre einen weiteren Anstieg des Defizites, dem nun mit der Abschaffung des kostenlosen Angebots für Grund- und SBBZ-Schülern entgegen gewirkt werden soll. Die Höhe des Monatsbeitrags entspricht dabei 50 Prozent des Naldo-Tarifs, denn die Monatsfahrkarte kostet in der ersten Preisstufe 61,40 Euro. Eine Familie würde ab dem Schulkind vom Eigenanteil befreit.

Nur wenige Zuhörer verfolgen Sitzung des Kreistages

Ein knappes Dutzend Zuhörer, darunter im gelben T-Shirt erkennbar einige SBBZ-Schüler, verfolgten die Diskussion um diesen Schwenk in der ÖPNV-Politik des Landkreises.

In einem offenen Brief hatte der Elternbeirat der Stadt Sigmaringen noch an die Kreisräte und Landrätin Bürkle appelliert, auf diese Maßnahme zu verzichten (der SÜDKURIER berichtete). „Das ist eine öffentliche Dienstleistung, die Kosten verursacht“, bezeichnete Bürkle den Eigenanteil als „Schritt zur Gleichbehandlung“, denn bekanntlich müssen alle Schüler weiterführender Schulen für den Bus zahlen. Als „soziale Komponente“ bezeichnete die Kreischefin, dass man mit 30,70 Euro nur 50 Prozent des regulären Tarifs verlangen würde.

Zustimmung und Kritik von Kreisräten

Der Landkreis sei zu dieser Maßnahme gezwungen, eröffnete CDU-Fraktionschef Thomas Kugler die Debatte. Der offene Brief enthalte viele Schlagwörter, die „uns aber nicht weiterbringen“, stellte er die Grundsatzfrage: „Was ist finanzierbar?“ Wohlwissend, dass dieser Schritt nicht populär sei, müsse man die Situation in den Griff bekommen, denn der Landkreis sei auf jeden Euro angewiesen. „Wir werden mit Emails und Briefen bombardiert“, berichtete FW-Fraktionsschef Thomas Jacob, dass das Thema große Wellen schlägt. Er sieht für die Zukunft aber noch mehr Belastungen für den Landkreis, die von Bund und Land kommen. „Das ist das falsche Signal“, erklärte Sabine Petermann-Mayer, denn man dürfe Haushaltslöcher nicht mit Elterngeld stopfen. Dafür gab es Beifall von den Zuhörern.

Klare Mehrheit für Kostenbeteiligung

Kreisrat Stephan Frickinger erklärte, dass er als Vater zweier Grundschulkinder die Aufregung nicht verstehe: „Wer Kinder in die Welt setzt, hat nun einmal auch Kosten“, gab es vom Leibertinger Bürgermeister noch einen Hinweis für Eltern in spe. Martin Huthmacher (SPD) monierte, dass das Land seine Zuschüsse seit 22 Jahren nicht erhöht habe. „Wir müssen fair für alle handeln“, sieht Severin Rommeler (FW) diese Verpflichtung mit einer nur 50-prozentigen Kostenbeteiligung erfüllt. Baykal Ünal (FW) vom Wahlbezirk Bad Saulgau verwies darauf, dass die Kurstadt 13 Teilorte hat und die Schüler auf den Bus angewiesen seien. Deshalb sei die Eigenbeteiligung „die falsche Richtung.“ Immer mehr Lasten würden auf die Familien verteilt, die so viel für die Gesellschaft leisteten, nannte Hermann Brodmann (Grüne) ein solches Vorgehen „geradezu zynisch“ und forderte, dass die Belastungen verhältnismäßig bleiben müssten. Er votierte wie ein weiteres Dutzend Kreisräte mit „Nein“, ein Mitglied enthielt sich und 31 Kreisräte stimmten für die Kostenbeteiligung.

Statement des Landratsamtes

In einer ausführlichen Pressemitteilung nimmt das Landratsamt nochmals Stellung zu dem Kreistagsbeschluss und erläutert nochmals die maßgeblichen Ursachen, die zu dem Beschluss führten. Durch den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs im Landkreis, die bessere Bezahlung von Busfahrern sowie gestiegene Preise für Fahrzeuge und Instandhaltung sind nach Angaben der Verwaltung die Kosten im Bereich des ÖPNV für den Landkreis zuletzt deutlich gestiegen. Gleichzeitig stagnierten die Einnahmen, verweist man auf die seit 20 Jahren kaum erhöhten Landeszuschüsse. Für die Zukunft rechne der Landkreis daher mit einem weiteren Anstieg des Defizits, das 2024 bereits 1,2 Millionen Euro betragen habe. Um dieses Defizit zumindest teilweise aufzufangen, habe eine eingesetzte Sparkommission unter anderem die Einführung eines Eigenanteils an den Beförderungskosten für Grund- und SBBZ-Schüler vorgeschlagen. Bislang habe der Landkreis die Eltern von Grund- und SBBZ-Schülern vollständig von den Beförderungskosten befreit. „Angesichts der herausfordernden Haushaltslage, steigender Ausgaben und wachsender Aufgaben sieht er sich jedoch gezwungen, solche Freiwilligkeitsleistungen grundsätzlich zu überprüfen“, heißt es in der Mitteilung mit Blick in die Zukunft.