Die Landtagsfraktion der FDP hatte am Dienstagabend zu einem Bürgerdialog in die Stadthalle Sigmaringen eingeladen. Im Rahmen einer Klausurtagung, die die Freien Demokraten des Landes Baden-Württemberg in Sigmaringen abhielt, stellten sich die 18 Abgeordneten der FDP den Fragen von Bürgern. Coronabedingt mussten sich Interessierte zuvor anmelden, um dabei sein zu können, wobei naturbedingt die Anzahl der Gäste beschränkt worden ist.

Der Fraktionsvorsitzende Dr. Hans-Ulrich Rülke, der zu Beginn die rund 40 Angemeldeten begrüßte, wollte diese Veranstaltung nicht als Wahlkampftermin verstanden wissen. Er hob hervor, dass seine Partei zweimal im Jahr zu Bürgerempfängen einlädt, die immer an unterschiedlichen Orten stattfinden würden. Diesmal habe man Sigmaringen als Klausurtagungsort und damit einhergehend auch für den Bürgerempfang ausgewählt. Rülke: „Und wissen Sie, warum? Weil die letzte Landtagswahl uns hier in dieser Gegend besonders viele Stimmen beschert hat“. Hatte die FDP im baden-württembergischen Landtag nur sieben Abgeordnete, seien es durch die vergangenen Wahl nun 18.

Bevor sich die an Dreier- und Vierertischen sitzenden Anwesenden mit den einzelnen Abgeordneten, die sich den Hygienemaßnamen folgend mit Abstand zu den Gästen an die Tische setzten, in Dialoge treten konnten, machte Rülke in seiner rund 45-minütigen Ansprache dann doch ein wenig Wahlkampf. Dabei ging er auf die coronabedingte Krisenlage mit dem Lockdown im Herbst 2020 ein, bei der er die von der FDP damals mitgetragenen Maßnahmen verteidigte. „Wir haben die fünf Milliarden Schulden mitgetragen, weil Gastwirte und Ladenbesitzer überleben müssen!“ Denn diese Kleinunternehmer hätten wesentlichen Anteil am funktionierenden sozialen und wirtschaftlichen Leben. Auch das Gesundheitswesen dürfe nicht in Überlastung kommen wie in anderen europäischen Ländern, in denen letztlich die „Triage“ über Überleben der Erkrankten entschied. „Das ist für einen entwickelten Staat nicht würdig!“ Doch wenn eine Überlastung nicht mehr drohe, heiße es, abwägen. Denn darf der Staat auch dann in Bürgerrechte eingreifen? Das müsse zumindest gut begründet werden. „Wir hatten den Eindruck, dass in der Vergangenheit die Parteien entschieden haben, welche Rechte bleiben und welche nicht“, sagte Rülke. Nach seinem Dafürhalten war der „Wellenbrecherlockdown“ im Frühjahr unnötig und habe auch nichts gebracht. „Uns war immer klar, dass wir ja zur Impfung sagen, denn die Gefahr durch das Virus ist größer, als mögliche Nebenwirkungen der Impfung“. Aber es soll keine Impfpflicht und keine 2-G-Regelung geben. Natürlich müssten Impfgegner mit Einschränkungen rechnen, doch welche das sein sollen, sagte Rülke nicht.
Wer trägt Behandlungskosten für Impfverweigerer?
Auch in den Gesprächen am Tisch kam das Thema auf. Beispielsweise mit der Frage, wer denn für die Behandlungskosten eines strikten Impfgegners aufkommen soll. Erkrankte gehen selbstverständlich davon aus, dass die Solidargemeinschaft, also alle, dafür bezahlen. Das heißt, auch jene, die sich aus welchen Gründen auch immer, impfen ließen, sei es aus Selbstschutz oder weil sie ihren Beitrag zur Herdenimmunität leisten wollen, müssen für die Behandlungskosten eines ungeimpften Coronakranken aufkommen. „Finden Sie das gerecht?“ war die Frage an den Abgeordneten Dr. Jan Havlik, Pressesprecher der Fraktion. „Nein, das finde ich auch nicht richtig“, meinte er, „aber ich fürchte, damit werden wir leben müssen“.
Für Entwicklung der synthetischen Kraftstoffe
Ein weiteres Thema der Tischgespräche war die Automobilwirtschaft, der Verbrennungsmotor, die Umstellung auf Elektroantrieb und die Folgen für die Automobil- und Zuliefererindustrie mit Blick auf die Konkurrenz aus China. Auch für die FDP hätten die fossilen Brennstoffe keine Zukunft mehr, aber nur auf Strom zu setzen, sei auch nicht der richtige Weg, so Rülke. „Wir tun mit E-Autos fürs Klima wenig bis nichts“, so Havlik. Er sah in der Entwicklung der synthetischen Kraftstoffe, die in jedem Verbrennungsmotor genutzt werden können, die Zukunft. Allerdings sagte er nicht, dass die synthetischen Kraftstoffe bei der Herstellung noch viel Strom verbrauchen, sodass sie als sehr ineffizient gelten.
Zuwanderung an eigenen Interessen orientieren
Beim Thema Zuwanderung setze die FDP auf genaues Hinschauen. Wo Verfolgung und Bürgerkrieg die Menschen bedrohen, greife hierzulande das Asylrecht. In Notsituationen aufnehmen, aber nach Ende der Bedrohungslage wieder zurückschicken. Fluchtgründe wie der Klimawandel könnten nur im Verbund mit Europa gelöst werden. Andererseits würden Arbeitskräfte beispielsweise in der Pflege oder im Handwerk gebraucht. „Solche, die sich ordentlich verhalten und unsere Spielregeln einhalten, sollten wir willkommen heißen“, so Rülke. Er unterstrich: „Wir müssen Zuwanderung an unseren eigenen Interessen orientieren“.
FDP-Landtagsfraktion
Die FDP-Fraktion des baden-württembergischen Landtags besteht aus 18 Abgeordneten, die sich in Sigmaringen den Fragen der Bürger stellten: Dr. Hans-Ulrich Rülke, Fraktionsvorsitzender, Jochen Haußmann, parlamentarischer Geschäftsführer, Julia Goll aus Weinstadt-Endersbach, Dr. Tim Kern, Wahlkreis Freudenstadt, Nico Weinmann, Wahlkreis Heilbronn, Dennis Birnstock, Wahlkreis Nürtingen, Frank Bonath, Wahlkreis Villingen-Schwenningen, Stephen Brauer, Wahlkreis Schwäbisch Hall, Rudi Fischer, Wahlkreis Münsigen-Hechingen, Friedrich Haag, Filder-Wahlkreis, Klaus Hoher, Bodensee-Wahlkreis, Dr. Christian Jung, Wahlkreis Bretten, Daniel Karrais, Wahlkreis Rottweil, Nico Reith, Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen, Hans-Dieter Scheerer aus Weil der Stadt, Prof. Dr. Erik Schweickert, Wahlkreis Enz, Alena Trauschel, Wahlkreis Ettlingen.
Informationen über die Abgeordneten:
www.fdp-dvp.de