Heinirch Sturm

Julianna Ranzmeyer und Carsten Weber sahen die Chance, ihren Lebenstraum zu verwirklichen, als sie 2015 nach Leibertingen umsiedelten. Beiden war angeboten worden, einen Hof am Leibertinger Ortsrand zu übernehmen. Sein Besitzer wollte Gebäude und Flächen in eine Stiftung überführen und den Beiden die Möglichkeit geben, hier bedrohte Haustierrassen zu züchten und seltene Nutzpflanzen vor dem Aussterben zu schützen. Doch das gemeinsame Projekt verlief anders als geplant. Ranzmeyer und Weber müssen den Hof in Kürze verlassen. Sie suchen für sich und ihre mehr als 200 Tiere ab sofort ein neues Zuhause in der Region.

Geplant war eine Stiftung

Dass der Hof zur Stiftung wird, war der erklärte Wunsch der verstorbenen Frau des Eigentümers. Der Hof solle dem Erhalt von vom Aussterben bedrohten Haus- und Nutztierrassen, dem Naturschutz- und der Landschaftspflege dienen, hieß es damals in der Ausschreibung. In den Gebäuden sollte außerdem ein Veranstaltungsraum für Seminare zum Thema Naturschutz und für Kulturveranstaltungen entstehen. Ranzmeyer und Weber präsentierten ein Nutzungskonzept, das offenbar den Hofbesitzer überzeugte. Ein Pacht- und Mietvertrag für Flächen und Gebäude, der bis zur Gründung der Stiftung gelten sollte, wurde zwischen beiden Parteien vereinbart.

Seit 2015 Distelhummelhof

Die Henne Hanni mit ihren Küken. Das Sundheimer Huhn gilt als letzte badische Hühnerrasse.
Die Henne Hanni mit ihren Küken. Das Sundheimer Huhn gilt als letzte badische Hühnerrasse. | Bild: Heinrich Sturm

Im Laufe des Jahres 2015 zogen Julianna Ranzmeyer und Carsten Weber auf den Hof in Leibertingen, den sie Distelhummelhof tauften. Der Hofeigentümer, der bis dahin selbst in dem unsanierten Gebäude gelebt hatte, zog in ein Wohnhaus in der Nähe des Anwesens. Mit Carsten Weber kam kein unerfahrener Betreiber auf den Hof. Bereits in seiner Heimatstadt Karlsruhe hatte der Gutachter für Natur- und Artenschutz ein ähnliches, sogar größeres Hofprojekt mit vielen verschiedenen Beteiligten aufgebaut und mitgeleitet. „Wir wollten uns deutlich reduzieren und uns auf unseren Lebenstraum konzentrieren“, sagt Julianna Ranzmeyer mit Blick auf die damalige Entscheidung, nach Leibertingen zu kommen. Die Geoökologin hatte damals eine unbefristete Anstellung beim Landkreis Rastatt für den Neuanfang in Leibertingen aufgegeben. Der Umzug der 150 Tiere wurde von einem Filmteam des Südwestrundfunks begleitet. Weber arbeitet selbst für den Fernsehsender in Baden-Baden und berät in verschiedenen Sendungen zu den Themen Gartenpflege und Tierhaltung.

Tübingen lehnt Stiftungssatzung ab

Viel Geld investierten die Beiden in die teils baufälligen Ökonomie-Gebäude und das Wohnhaus, weil sie das Projekt voranbringen wollten. Und dass, obwohl vereinbart war, dass der Eigentümer die Sanierung des Hofs übernehmen sollte. Doch nach einiger Zeit auf dem Hof mussten die beiden feststellen, dass das Interesse des Besitzers nachließ, den gemeinsamen Plan umzusetzen. Vereinbarte Reparaturen wurden nach ihrer Darstellung nicht durchgeführt und die Stiftungsgründung nur unwillig vorangetrieben. Der endgültige Wendepunkt kam, als das Regierungspräsidium in Tübingen den Satzungsentwurf für die Stiftungsgründung ablehnte. Offenbar gingen die Vorstellungen des Hofbesitzers mit dem gebotenen Ziel der Gemeinnützigkeit einer Stiftung nicht konform. Daraufhin erklärte er den beiden, dass die Stiftungsgründung aus seiner Sicht nicht mehr möglich und das Projekt beendet sei. Er wolle selbst wieder auf dem Hof einziehen. Seitdem habe der Hofbesitzer jedes Gesprächsangebot zur Lösung der Situation und auch ein Kaufangebot abgelehnt, berichten Julianna Ranzmeyer und Carsten Weber.

Ob die vom Eigentümer ausgesprochene Kündigung wirksam ist, beschäftigt momentan die Justiz. Die Pächter rechnen sich wenig Chancen aus, bleiben zu dürfen. Die ungeklärten Verhältnisse belasten sie zudem psychisch. Auch deshalb haben sie sich entschlossen, den Hof aufzugeben.

Titel „GEH-Archehof“

Die robusten Exmoor-Ponys erhalten feuchte Lebensräume durch Beweidung. | Bild: Heinrich Sturm
Die robusten Exmoor-Ponys erhalten feuchte Lebensräume durch Beweidung. | Bild: Heinrich Sturm

Trotz ungewisser Zukunft haben die beiden Naturschützer ihr Projekt auf dem Distelhummelhof immer vorangetrieben. Mehr als 200 Tiere leben inzwischen auf dem Hof. Die Mehrheit stellen 170 Bergschafe, eine seltene Rasse, die die beiden hauptsächlich zur Landschaftspflege einsetzen. Julianna Ranzmeyer verarbeitet außerdem die Wolle zu Filztaschen und Satteldecken. Auf dem Hof tummeln sich daneben unter anderem selten gewordene Exmoor-Ponys, Hinterwälder Rinder und Sundheimer Hühner. Der Distelhummelhof gehört zu den wenigen Höfen in Deutschland, der den Titel „GEH-Archehof“ führen darf.

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