Der Schwatzhaftigkeit eines Schweizer Zöllners hatte der Pfarrer von Wiechs am Randen, Eugen Weiler, 1942 seine Verhaftung und seinen Aufenthalt im KZ Dachau zu verdanken. Das „Verbrechen“ des Geistlichen bestand darin, einer jüdischen Frau die Flucht in die Schweiz ermöglicht zu haben. Diese und weitere in Opposition zu den Nazis stehenden Pfarrergestalten aus dem Hegau standen im Mittelpunkt einer Vortragsveranstaltung im Herz-Jesu-Heim. Der Vortrag mit der Radolfzeller Historikerin Sibylle Probst-Lunitz war vom Bildungswerk organisiert worden. Nur rund 20 Zuhörer waren der Einladung gefolgt.
Pfarrer Weiler war aufgrund einer Bitte seines früheren Vorgesetzten, dem Singener Pfarrer August Ruf, tätig geworden. An ihn hatte sich die Jüdin Katharina Meyer, eine Arztwitwe aus Berlin, mit der Bitte gewandt, ihr bei der Flucht zu helfen. Der damals schon über 70-Jährige Geistliche leitete sie an Eugen Weiler weiter. Wegen der bis heute stark verwinkelten Grenze konnte dieser der Frau einen Weg in die Schweiz zeigen, ohne einer deutschen Patrouille in die Arme zu laufen. Ihre Flucht gelang. Vertrauensselig berichtete die geflüchtete Jüdin einem Schweizer Zöllner die Umstände ihrer Flucht. Beim Gespräch mit einem Kollegen vom deutschen Zoll erwähnte der Eidgenosse die gelungene Flucht. Als er seinem deutschen Gesprächspartner auch noch das Aussehen der inzwischen in Deutschland gesuchten Frau bestätigte, war es geschehen. Der deutsche Zöllner denunzierte den Pfarrer bei der Gestapo, die ihn kurz darauf verhaftete. Nach 1945 musste sich keiner der beiden Zöllner vor Gericht verantworten.
Stadtpfarrer Ruf erging es nicht viel besser. Er kam ebenfalls in Haft und erhielt am 29. Oktober 1943 eine sechsmonatige Haftstrafe. Zuvor hatte der Geistliche die von Freunden organisierte Flucht in die Schweiz abgelehnt. Der schwer herzkranke 74 Jahre alte Senior trat am 10. Dezember 1943 die Haft in der JVA in Rottenburg an. Die Haftbedingungen werden als unmenschlich geschildert. Er musste auf dem blanken Steinboden sitzen und schlafen. Im März 1944 erklärte ihn der Gefängnisarzt für haftunfähig. Sterbenskrank wurde der Priester entlassen. Er starb am 8. April 1944. Eugen Weiler überlebte die KZ-Haft und war bis ins hohe Alter Dorfpfarrer von Wiechs. Sein Bundesverdienstkreuz erhielt er, so schildert es die Historikerin, für seine mehrbändige Dokumentation unter dem Titel „Die Geistlichen in Dachau“.
Eine Würdigung für die Rettung der flüchtenden Jüdin erhielten die beiden mutigen Geistlichen erst 2004 im Ausland. Die Prüfungskommission der nationalen israelischen Gedenkstätte Jad Vaschem würdigte die Tat der beiden Pfarrer mit der Ernennung zu „Gerechten unter den Völkern“.
Noch zwei andere katholische Geistliche haben es gewagt, im Dritten Reich den braunen Machthabern die Stirn zu bieten. Das waren Johannes Schwall aus Raithaslach und Albert Riesterer, Pfarrherr in Mühlhausen. Riesterer hielt trotz Verbots an der kirchlichen Jugendarbeit fest. Probst-Lunitz: „Die Nazis haben ihm eine gute Stelle in der staatlichen Jugendbetreuung angeboten, wenn er dafür sein Priesterkleid ausziehen würde.“ Der Mühlhauser Pfarrer lehnte ab und fand sich ab 9. November 1941 im KZ Dachau wieder. Erst 1945 wurde er kurz vor der Befreiung des Lagers entlassen. Von November 1945 bis zur Pensionierung 1967 wirkte er wieder als Pfarrer in Mühlhausen. Er starb mit 97 Jahren 1996.
Pfarrer Johann Schwall war, so schildert es die Historikerin, eine schwierige Persönlichkeit. Sowohl mit seinen jeweiligen Gemeinden als auch später mit den Nazis hatte er Schwierigkeiten. Eine kritische Predigt brachte ihn vom 1. Dezember 1941 ins KZ Dachau. Schwall überlebte und war zuletzt Pfarrer in Gremmelsbach im Kinzigtal. Er starb 1978.
Ein zwiespältiges Bild bietet der evangelische Pfarrer von Singen, Helmut Bier. Auf der einen Seite war er überzeugter Nationalsozialist. Andererseits legte er sich mit der vom Staat kontrollierten kirchlichen Finanzverwaltung und den Deutschen Christen an. Wohl nur durch Zufall, so die Historikerin, sei er der Verhaftung entgangen.
Zur Person
Sibylle Probst-Lunitz ist Radolfzeller Historikerin und stellvertretende Vorsitzende des Hegau-Geschichtsvereins. Der Vortrag gehörte zu einer Veranstaltungsreihe des Bildungswerks Meßkirch, in dem es schwerpunktmäßig um den Widerstand von Geistlichen in der Region gegen das nationalsozialistische Gewaltregime ging. Ausstellungseröffnung ist am 2. April, um 19 Uhr. (hps)