Auf der Grundlage eines Bauplans aus dem frühen Mittelalter entsteht auf der Klosterbaustelle Campus Galli in Meßkirch ein Musterkloster. Von Hand und mit original Werkzeugen und Materialien aus dem 9. Jahrhundert wird der Gebäudekomplex seit 2012 Wirklichkeit.

Der Campus Galli: Muster-Kloster der Karolinger

Der St. Galler Klosterplan ist als Musterentwurf für eine ideale Klosteranlage zwischen 819 und 826 im Kloster Reichenau auf der gleichnamigen Insel im Bodensee entstanden. Abt Haito schickte ihn an seinen Kollegen in St. Gallen als Inspiration für dessen geplante Neubauten. „Für dich, mein liebster Sohn Gozbert, habe ich diese mit kurzen Bemerkungen versehene Kopie des Plans der Klostergebäude verfasst, womit du deinen Erfindungsgeist üben (…) magst“, schrieb der Reichenauer Abt. Die Anlage wurde so nie gebaut, enthielt aber alles, was eine Mönchsgemeinschaft idealerweise brauchte, um angenehm beten und arbeiten zu können. Nach 1200 Jahren errichten Wissenschaftler und Handwerker nun auf Grundlage des Plans das Kloster – ausschließlich mit den Mitteln und Materialien aus der Zeit der fränkischen Karolinger.

Die Meßkircher Klosterbaustelle Campus Galli im Oktober 2020. Hier der zentrale Platz mit der Kirche (unten im Bild).
Die Meßkircher Klosterbaustelle Campus Galli im Oktober 2020. Hier der zentrale Platz mit der Kirche (unten im Bild). | Bild: Gerhard Plessing Flug und Bild

Campus Galli: Mittelalterbaustelle – manchmal mischen Mönche Mörtel

Wie kam es zu dem Plan von St. Gallen? Unter Karl dem Großen, von 768 bis 814 König des Fränkischen Reichs, wurde das Mönchswesen reformiert. Statt in Abgeschiedenheit zu existieren, sollten die Klöster als Verwaltungszentren, Herbergen, Krankenhäuser und landwirtschaftliche Mustergüter fungieren. Außerdem waren die Klöster angehalten, als Hort des Wissens Klosterschulen einzurichten. Der St. Galler Klosterplan zeigt daher auch eine Schule und die Wohnung des Schulmeisters. Das sind nur zwei von zweiundfünfzig Gebäuden, die auf dem Plan eingezeichnet sind. Mehrere Generationen von Mönchen arbeiteten in der Regel daran, ihre Klosteranlagen zu errichten. Sicherlich hatten sie dazu die Unterstützung der lokalen Handwerker und Bauern, aber nach der Regel des heiligen Benedikt waren sie auch selbst zur Arbeit verpflichtet. Wie schrittweise, mühsam und langsam das damals vorwärts ging, zeigt heute die Baustelle des Campus Galli, vier Kilometer nördlich von Meßkirch: Als bisher einziges Gebäude des Plans ist 2021 die Kornscheune fertiggestellt worden. Die restliche Zeit wurde den Bauvorbereitungen sowie den dazugehörigen Werkstätten und Handwerkerhütten gewidmet.

Museumspädagogin Sonja Fecht erklärt Besucherinnen im Campus Galli, wie die Menschen im Mittelalter gemessen und Längen bestimmt haben.
Museumspädagogin Sonja Fecht erklärt Besucherinnen im Campus Galli, wie die Menschen im Mittelalter gemessen und Längen bestimmt haben. | Bild: Felix Kästle / dpa

Wissenschaft: experimentelle Archäologie auf dem Campus Galli

Die Bauzeit ist aktuell auf etwa vierzig Jahre veranschlagt, es arbeiten 35 Mitarbeiter fest auf der Baustelle. Sie leben und arbeiten von der Kleidung bis zur Unterkunft und den Mahlzeiten so genau wie möglich wie ihre karolingischen Vorgänger. Ziel ist ein Erkenntnisgewinn, um mehr detailliertes Wissen und Einblick in das Leben im frühen Mittelalter zu erhalten. Das Projekt begleiten ein wissenschaftlicher Beirat, Archäologen und Historiker, aber auch Mönche des Benediktiner-Ordens. Aus der praktischen Tätigkeit einer Großbaustelle lässt sich erfahren, wie die Dächer gedeckt, wie Holzbauten und Steinbauten errichtet und welche Tiere und Pflanzen verwendet wurden. Auch Töpferei, Seilerei, Korbflechterei, Weberei und viele andere Gewerke können so unter Original-Bedingungen beleuchtet werden. Das ist experimentelle Archäologie im XXL-Format.

Das Dach der neuen Scheune wird originalgetreu mit Stroh eingedeckt.
Das Dach der neuen Scheune wird originalgetreu mit Stroh eingedeckt. | Bild: Campus Galli

Führungen & Besuche, Finanzierung & Sponsoren

Die Finanzierung des Projekts soll langfristig durch zahlende Besucher und Sponsoren erfolgen, zusätzlich gab es außerplanmäßige finanzielle Unterstützung aus Corona-Nothilfefonds. Das Vorbild des Campus Galli, die Burg-Baustelle von Guédelon in Burgund, Frankreich, ist bereits selbsttragend. Das Projekt wird durch viele ehrenamtliche Helfer unterstützt, die auf der Baustelle eine Zeitreise ins Mittelalter machen oder traditionelles Handwerk ausüben. Auch Schulklassen und Jugendgruppen können sich auf dem Campus Galli für eine Weile in die Zeit der Karolinger zurückversetzen. Für historisch Interessierte werden Führungen und Seminare angeboten, aber auch mal ein mittelalterliches Festmahl angerichtet.