Stefan Schmid

In vielen Kirchen wird am heiligen Abend ein Krippenspiel vorgeführt. Die Weihnachtsgeschichte soll erlebbar werden und die Menschen von heute sollen in das Geschehen von damals mit hineingenommen werden. Auch bei den amerikanischen Soldaten in der Kaserne in Heidelberg war das Krippenspiel gute Tradition und folgende Geschichte erzählt man sich aus der Besatzungszeit:

Die Kinder der Soldatenfamilien probten kräftig. Am Begehrtesten waren die Rollen der Maria, des Joseph oder eines Hirten – den Herbergswirt, der die Heilige Familie davonschicken sollte, den wollte keines der Kinder spielen. Endlich war ein kleiner Junge gefunden, der den Herbergswirt übernehmen sollte. Doch jede Probe ging in die Hose, denn der kleine Junge vermasselte die Story, weil er der Heiligen Familie immer Einlass bot und sie nicht wegschickte. Viele Proben waren nötig, um den richtigen Verlauf der Geschichte darzustellen. Und dann kam der Heilige Abend: Gott sei Dank, der Junge genügte seiner Rolle des bösen Herbergswirtes. Maria und Josef klopften bei dem Wirt an. Der Junge öffnete und sah die beiden mit finsterem Blick an und rief: „Go away! Here is no place for you!“ (“Geht weg, hier ist kein Platz für euch!“).

Einen Augenblick hereinkommen

Es wurde still in der Kirche, doch dann überkam es den amerikanischen Jungen. Er rief den beiden hinterher: „But, just come in for a moment and have a cup of tea! Then I must send you away, because the game must go on!“ (“Aber kommt doch für einen Moment herein und trinkt eine Tasse Tee! Dann muss ich euch wegschicken, weil das Spiel weitergehen muss“). Das Krippenspiel war zwar im Eimer, aber für zumindest einen Jungen in dieser Kirche war es Weihnachten geworden. Er brachte es zwar übers Herz, die Heilige Familie wegzuschicken, für einen kurzen Moment jedoch ließ er Jesus in seinem Herzen einziehen, wenn auch nur zu einer kurzen Tasse Tee.

Passend zur Coronasituation

In diesem Jahr musste ich wieder an diese Geschichte denken. Besonders ist mir der Satz hängen geblieben: „The game must go on!“. Wie passend zur Coronasituation. Vieles kann im Moment nicht stattfinden: Weihnachtsmärkte sind abgesagt, kulturelle Veranstaltungen fallen aus, Gastronomen kämpfen ums Überleben und Weihnachtsfeiern finden nur im kleinen Rahmen statt, oder entfallen ganz, um nur einiges zu nennen. Viele Menschen sind am Limit, besonders jene in den pflegenden Berufen und in den Krankenhäusern.

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Aber dennoch: Wir müssen lernen mit der Situation umzugehen und uns mit dem Virus zu arrangieren. Wir verzichten derzeit auf vieles, aber wir leben nur einmal, zumindest hier auf dieser Welt. Wir dürfen uns die Freude am Leben nicht nehmen lassen. Das Krippenspiel war zwar nur ein „game“, aber unser Leben ist das gerade nicht. Gott hat uns das Leben geschenkt, es ist Realität. Und diese Realität des Lebens ist trotz allem Grund zur Freude. Jeden Morgen freue ich mich, wenn ich aufstehen kann. Jeden Morgen freue ich mich, dass ich gesund bin, auch, wenn es morgen ganz anders sein kann und jeden Morgen freue ich mich, dass ich einfach leben darf.

Gott nicht wegschicken

Ja, Gott ist ein Gott des Lebens, auch, wenn er uns derzeit auf viele Proben stellt. Wie der amerikanische Junge möchte ich Gott mit meinem Zweifel und mit meinen Fragen nicht wegschicken. Gerade jetzt, an diesem Weihnachtsfest, versuche ich Gott in mein Herz einziehen zu lassen, auch wenn es nur auf eine Tasse Tee ist.