Die Biberbahn startet am Sonntag, 18. Juli in den regulären Betrieb. Die Geschichte der Eisenbahn in Meßkirch beginnt jedoch viel früher. Am 3. Februar 1870 hält zum ersten Mal ein Zug in Meßkirch. Die ganze Gegend ist auf den Beinen, um das technische Wunderwerk zu bestaunen. Was bedeutet dies für die Stadt, dass sie nun Anteil hat an einer der großen Innovationen des 19. Jahrhunderts?
1859 werden erste Pläne gemacht
1859 wird der Plan gefasst, eine Bahnverbindung zwischen Ulm, dem Bodensee und dem Schwarzwald zu bauen. Ein überregionales Projekt: Die Strecke soll von Ulm über Mengen, Meßkirch, Radolfzell, Singen nach Basel führen, ein Abzweig von Meßkirch nach Tuttlingen über Freiburg ins Elsass. Wien-Paris, Berlin-Mailand – die beeindruckenden Bahnhofsgebäude in Schwackenreute zeugen heute noch von diesen weitreichenden Ideen.
Kleinstaaterei bremst den Ausbau
Kleinstaaterei von allen Seiten erschwert den Bau: Württemberg treibt verzögert die Strecke von Ulm her voran. Ab 1866 wird endlich der Abschnitt Radolfzell-Meßkirch von badischer Seite gebaut. Zwischen beiden Streckenteilen muss fremdes, hohenzollerisches Gebiet überquert werden. Als Gegenleistung dafür, dass man über Krauchenwies die Verbindung zwischen Meßkirch und Mengen bauen darf, entsteht schließlich bis 1873 die Abzweigung von Krauchenwies nach Sigmaringen. Streitereien gibt es auch um die Strecken nach Pfullendorf und Tuttlingen. So kommt die Verbindung nach Tuttlingen nicht zustande, weil man diesen von badischer Seite den Anschluss an das Eisenbahnnetz nicht gönnt. Dort baut man um 1890 eigenständig die heute noch befahrene Donautalbahn nach Ulm.

Wenn auch nicht so umfassend wie geplant, ist der Anschluss Meßkirchs ans Bahnnetz ab 1870 da. Die Stadt hat damit echten Anteil an der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung des ab 1871 im Kaiserreich vereinten Deutschlands.
Eisenbahn entscheidender Wirtschaftsfaktor
Die Eisenbahn selbst ist ein Wirtschaftsfaktor. Neue Technologien werden entwickelt, es entstehen Arbeitsplätze. Grundstücke werden gekauft, Hindernisse durch Brücken und Tunnels überwunden. In Meßkirch gibt es während der ganzen Zeit des Baus eine Inspektion im Schloss, deren Aufgabe die Ausschreibung, Vergabe und Beaufsichtigung der Arbeiten ist.
Stadtbild verändert sich nachhaltig
Die Bahn ist Teil einer Revolution des Transportwesens. Mehr und schnellere Transporte auch schwieriger Güter werden möglich. In Meßkirch kommt traditionell regionaler Baustoff, wie der in der Gegend vorkommende Kalkstein, zum Einsatz. Der Transport von weit her ist einfach zu aufwändig. Bedenkt man, dass erst 1888 Bertha Benz die legendäre Fahrt mit dem „Benz“-Motorwagen von Mannheim nach Pforzheim unternimmt, um zu zeigen, dass das „Automobil“ leistungsfähig ist, wird klar, dass die Bahn völlig neue Möglichkeiten bietet. Sie bringt den Baustoff für Steinbauten wie Kreutzer-Denkmal (1883), Bahnhofsgebäude (1896), Forstamt (1896), Rathaus (1899), den Turm der Heilandskirche (1901) und die Volksschule (1904). Das Meßkircher Stadtbild verändert sich nachhaltig.

Meßkircher Höhenfleckvieh auf der Weltausstellung in Wien
Finanziert wird dies aus den Einnahmen des Handels mit dem Meßkircher Höhenfleckvieh. Auch hier spielt die Eisenbahn eine Rolle: Wie anders hätten die Rinder aus der Region Meßkirch 1873 zur Weltausstellung nach Wien kommen sollen, als mit der Bahn? Mehr als 30 Tiere beeindruckten das Publikum, für die Zucht in der Region ein echter Durchbruch. Lokale Ausstellungen, zu denen Interessierte nach Meßkirch kommen, und der Besuch internationaler Messen, beispielsweise 1885 in Budapest, vervielfachen den Erfolg. Allein in der ersten Jahreshälfte 1890 werden Tiere im Wert von 1,5 Millionen Mark in die ganze Welt verkauft – und mit der Eisenbahn verschickt.
Bürgerliche Gesellschaft der Kaiserzeit entsteht
Es entsteht, auch durch die größere Mobilität, die für das Kaiserreich typische bürgerliche Gesellschaft: Meßkirch wird zur badischen Amtsstadt. Ehemalige Revolutionäre der Badischen Revolution, wie Johann Baptist Roder (1814-1890), werden zu Bürgern, die sich im neuen Staat engagieren. Er wird Gemeinderat, Landtags- und schließlich Reichstagsabgeordneter. Nach Berlin wird er wohl schwerlich mit der Kutsche gereist sein. Wie viele andere Bürger der Zeit ist der Begründer der Fleckviehzucht gleichzeitig ein erfolgreicher Unternehmer. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt wollen wie in anderen Städten auch für sich Bildung und Kultur. Ein neues, größeres Schulhaus für Meßkirch muss her, das Kreutzerdenkmal wird gebaut. Moderne medizinische Versorgung wird mit dem Bau des Krankenhauses (1896) möglich. Liberale, wie Roder, kommen in großer Zahl ins römisch-katholische, eher konservative Meßkirch. Eine von ihnen ist 1873 die bekannte Altkatholikin Mathilde Rüdt von Collenberg (1846-1921). Die Welt wird bunter: 1880 gründet sich die altkatholische Gemeinde, 1901 bauen die Evangelischen einen Turm an das bestehende Kirchengebäude. Den liberalen „Oberschwäbischen Grenzboten“ liest man ab 1872, ihm folgt 1898 das „Badische Volksblatt“. Die Vielfalt ist nicht nur positiv: Die Verwerfung zwischen konservativem und liberalem Lager aus dieser Zeit des Kulturkampfes spaltet Meßkirch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.
Damals schon im Stadtmarketing beworben

Die Bahnlinie wird 1954 zuerst teilweise, dann 1972 auf der ganzen Strecke für den Personenverkehr stillgelegt. Mit der Biberbahn ist nun ein hoffnungsvoller Anfang für eine positive Entwicklung gemacht, vielleicht in eine Richtung wie damals? Um 1900 ist die Bahnlinie Teil des „Stadtmarketings“. Gleich zwei Postkarten zeigen Meßkirch von Schnerkingen her: Die Stadt, vor ihr die Bahnlinie, auf der ein Zug fährt. Das Bahnhofsgebäude mit rauchender Lokomotive ist gesondert abgebildet. Die Botschaft lautet: Meßkirch liegt an der Bahn, sie ist eine Stadt auf der Höhe der Zeit!
Fahren mit der Biberbahn
- Der Fahrplan der Biberbahn tritt am kommenden Sonntag, 18. Juli, in Kraft. Sie wird auf der Strecke der Ablachtalbahn fahren. Dann wird es bis 17. Oktober an Sonn- und Feiertagen alle drei bis vier Stunden je drei Fahrten zwischen Mengen und Stockach geben. Zielpublikum sind Ausflügler. Der erste Zug startet um 9.13 Uhr in Stockach, der letzte um 16.13 Uhr in Stockach. Der erste in Mengen startet um 10.46 Uhr. Die Ticketpreise liegen zwischen etwa 9 Euro für Einzelpersonen und rund 20 Euro für Gruppen mit bis zu fünf Personen. Die Fahrkarten können im Zug gelöst werden.
- Im Preis enthalten ist die Anschlussfahrt nach Radolfzell beziehungsweise nach Stockach. Kostenfreie Fahrradmitnahme ist möglich. Größere Radgruppen werden gebeten, sich beim Förderverein Ablachtalbahn (Mobiltelefon 01 57/38 25 72 96 oder per E-Mail an kontakt@foerderverein-ablachtalbahn.de) zu melden.
- Die Hegau-Ablachtalbahn zwischen Radolfzell und Mengen wurde einst als Teil einer uberregionalen Verbindung Ulm – Schweiz konzipiert und errichtet. Aus politischen Gründen wurde zudem eine Zweigstrecke von Krauchenwies nach Sigmaringen gebaut. Dementsprechend ist die Bahn hinsichtlich der Steigungen, Kurvenradien und Kunstbauten sowohl tendenziell auf hohere Geschwindigkeiten wie auch auf eine Zweigleisigkeit ausgelegt worden.
Kontakt und weitere Informationen:
www.biberbahn.de