Vikar Jörg Künning, gebürtig in Vechta, trat vor einem Jahr, gleich nach der Priesterweihe, seine erste Vikar-Stelle in den Seelsorgeeinheiten Meßkirch-Sauldorf und Wald an. Im Interview erzählt er, wie er nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre (BWL) und nach der Tätigkeit als Risiko-Manager im Bereich Rohstoffe und Währungen für ein Unternehmen zum Studium der katholischen Theologie kam und welche Erfahrungen er bereits sammelte.

Herr Künning, haben Sie sich in Meßkirch gut eingelebt oder fehlt Ihnen das Stadtleben?

Ich habe mich super eingelebt und bin unheimlich freundlich aufgenommen worden. Darüber hinaus machte ich die Erfahrung, dass mir als Priester sehr große Wertschätzung entgegengebracht wird. Vielleicht empfinden mich manche als etwas distanziert. Das ist wahrscheinlich meiner norddeutschen Mentalität geschuldet. Aber ich freue mich, wenn andere auf mich zukommen, und bin gerne mit den Menschen zusammen. Das Ländliche gefällt mir ebenfalls sehr gut. Ich wuchs in einer ländlichen Gegend in Niedersachsen auf.

Sie studierten nach dem Abitur BWL und arbeiteten im Risikomanagement. Hat Sie das so sehr abgeschreckt, dass Sie einen vollkommen anderen Weg einschlugen und anfingen, Theologie zu studieren?

Nein, überhaupt nicht. Die Arbeit hat mir Freude bereitet und ich empfand sie auch als sinnvoll. Die Idee, Priester zu werden, kam nicht plötzlich, sondern war bereits in meiner Jugendzeit präsent. Schon in jungen Jahren zog es mich in die Kirche zum Gottesdienst. Ebenso empfand ich soziales Engagement schon immer wichtig. Ich hatte einen blinden Freund, um den ich mich kümmerte, und leistete meinen Zivildienst in einer Sozialstation.

Was hat Sie davon abgehalten, gleich Theologie zu studieren?

Der Wunsch, Priester zu werden, war vorhanden. Vielleicht kann man es ein Gefühl von Berufung nennen, das aber nicht stark genug spürbar war. Ich habe dem noch nicht getraut. Ich stellte mir stets die Frage: Will Gott auch, dass ich Priester werde? Diese Frage begleitete mich übrigens durch die gesamte Zeit im Priesterseminar.

Der gesellschaftliche Trend der vergangenen Jahre geht von der Kirche weg. Sie nahmen den umgekehrten Weg.

Ja, und ich stehe voll hinter der Kirche. Das ist zwar keine leichte Position und mir tut es immer leid, wenn Menschen wegen schwieriger Positionen auch mit der Kirche ringen müssen. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es sich lohnt, seine Christus-Beziehung mit der Kirche zu leben und sie in den eigenen Alltag zu integrieren. Die gemeinsame Eucharistiefeier gehört dazu und ist nicht ersetzbar. Mir ist aber auch bewusst, dass es häufig ein Spagat ist, die Freizeitplanung vor allem von Familien mit den Gottesdienstzeiten in Übereinstimmung zu bringen. Auch wenn aus Personalgründen der Gottesdienst am Sonntag nicht in allen Kirchen gefeiert werden kann, so ist es doch den meisten Gläubigen möglich, in anderen Kirchen zur Messe zusammenkommen.

Wie kann Kirche in der heutigen Gesellschaft weiter funktionieren?

Indem sie den Menschen nahebringt, dass Gott mit ihnen in ihrem Alltag lebt, ihnen mit seiner Liebe begegnet – in guten und in schwierigen Zeiten. Mir ist da mein Primizspruch wichtig: Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. (Joh. 3,16) Diese Liebe zeigt er uns ganz besonders in den Sakramenten, z.B. in der Eucharistie oder aber auch im Bußsakrament. Hier schenkt er uns seine Vergebung, die uns zusammen mit der Reflektion über die eigenen Schwächen dann aber auch im Alltag helfen kann, anderen leichter zu vergeben.

Mit was müsste die Kirche am meisten überzeugen?

Sie sollte sich darauf konzentrieren, Menschen mit Gott in Berührung zu bringen, mit ihnen gemeinsam unterwegs zu sein und gemeinsam den Glauben zu leben.

Sollte die Kirche bei ethischen Fragen mehr mitdiskutieren?

Der Kirche ist das ganze menschliche Leben wichtig, weil Gott jeder einzelne Mensch wichtig ist, bereits vor der Geburt bis nach dem Tod. Insofern positioniert sie sich auch in ethischen Fragen. Vielleicht müsste auf eine größere kirchliche Medienpräsenz gerade bei diesen Themen geachtet werden.

Können Sie verstehen, dass die Frauen frustriert sind, die in der katholischen Kirche gerne geweiht werden würden und nicht dürfen, weil sie Frauen sind?

Ja, das kann ich sehr gut verstehen, weil es wirklich schwer nachvollziehbar ist. Wichtig ist aber, dass man in die dogmatische Aussage, dass nur Männer zu Priestern geweiht werden können, nicht mehr hineininterpretiert, als dass nur Männer Priester werden können. Das sagt absolut nichts über die Wertigkeit, Fähigkeit oder Qualifikation von Frauen aus. Häufig wird da ja argumentiert, die Frauen seien weniger in der Kirche wert usw. Das ist eine völlig falsche Aussage und wird ja auch nicht dem gerecht, was wir in den Gemeinden vor Ort erleben: Dort sind es ganz besonders Frauen, die sich engagieren und viele Aufgaben der Kirche tragen.

Was bereitet Ihnen bei Ihrer Tätigkeit am meisten Freude?

Die klassische Seelsorge! Die Kranken- und Sterbebegleitung schätze ich sehr, weshalb ich gerne auch in der Rufbereitschaft für das Krankenhaus aushelfe. Hier ist immer jemand erreichbar: 24 Stunden lang, an sieben Tagen in der Woche. Auch für das Hospiz bin ich ansprechbar und einsetzbar, wenn zusätzlich zu den Seelsorgern dort ein Priester gebraucht wird. Aber auch die üblichen Tätigkeiten wie Gottesdienste, Trauungen, Taufen, Beerdigungen und den Religionsunterricht übernehme ich gerne. Es ist schön, mit jungen Leuten ins Gespräch zu kommen, und sie sind wiederum dankbar, einen Gesprächspartner zu haben.

Würden Sie gerne Ihr BWL-Wissen stärker einbringen?

Ich finde es wichtig, dass wir als Kirche auch strukturell und organisatorisch gut aufgestellt sind. Wo ich daran mitarbeiten kann, mache ich das gerne.