Dass Eltern für ihre Kinder keine Kumpel sein sollten, gehörte zu den wesentlichen Erkenntnissen, die Manfred Faden den Vortragsbesuchern mit auf den Heimweg gab. „Will ich mein Kind lieben oder will ich bei meinem Kind beliebt sein?“, sei eine der Fragen, die sich Eltern stellen müssten. Eltern sollen nach Fadens Auffassung eine Führungsrolle einnehmen und Kindern Struktur geben. Würden Eltern nicht ihre Rolle als „Leitwolf“ einnehmen, bedeute dies Stress für das Kind. Ein Kreislauf aus Machtvakuum, Verunsicherung, Angst, Wut, Eskalation und Chaos beginne und das bedeute eine konstante Ausschüttung von Stresshormonen.

Kritik an Helikopter-Eltern

Überfürsorgliche Eltern sind aus Sicht des Pädagogen ein „Affront gegen den Intellekt des Kindes“. Er brachte stattdessen den Begriff „intuitive Erziehung“ ins Spiel. Dieses tiefsitzende Erziehungswissen habe bereits der frühe Homo Sapiens vor 200.000 Jahren besessen, wenn es darum ging, Nachfahren großzuziehen. Helikopter-Eltern von heute kreisen förmlich um ihre Schützlinge und nehmen ihnen damit jegliche Selbstständigkeitsentfaltung und den Umgang mit Misserfolgen ab. Das Kind habe jedoch ein riesiges Interesse daran, selbstständig und selbstwirksam zu werden. Das Gehirn wachse nur mit Aufgaben und Anregungen aus der Umgebung und vor dem Hintergrund, dass nicht alles immer gelingt. Für die Potentialentfaltung bräuchten Kinder und Jugendliche Orientierung und Freiheit, sowie Raum, um selbst experimentieren zu dürfen, während Eltern die Rahmenbedingen vorgeben. Zu beachten sei zudem die Entwicklungsuhr, die bei Jungen im Vergleich zu Mädchen etwa eineinhalb bis zwei Jahre verzögert läuft. Mädchen könnten früher beide Gehirnhälften besser miteinander verbinden und besäßen dadurch ein ganzheitlicheres Sehen, während Jungen oft nur „straight on“, also auf das direkt vor ihnen Befindliche ausgerichtet seien, erläuterte Faden.

„Wenn ich mit dem Kind auf Augenhöhe sein will, muss ich auf die Knie gehen. Erfahrungen können wir nicht vererben, jeder muss sie ...
„Wenn ich mit dem Kind auf Augenhöhe sein will, muss ich auf die Knie gehen. Erfahrungen können wir nicht vererben, jeder muss sie selbst machen.“ | Bild: Laura Renninger

Die Rollen innerhalb der Familie

Die Mutter spiegelt laut Faden das Kind in seinen Gefühlen, gestalte den seelischen Innenraum und suggeriere das „Ur-Vertrauen“. Ein Mädchen lerne die weibliche Fühlweise von seiner Mutter, während der Vater diese Weiblichkeit bestätige und gewissermaßen schütze. Bezeichnet das Kind seine Mutter beispielsweise als „blöde Kuh“, so interveniert der Vater im guten Fall: „Das ist deine Mutter und die Frau, die ich liebe. Das höre ich nie wieder, verstanden?“ Parallel lerne der Sohn die männliche Fühlweise von seinem Vater, dazu gehöre die Achtung vor dem Weiblichen. Die Ordnung in einer Familie solle immer das Paar an oberster Stelle haben, bevor man sich als Eltern in seiner Elternschaft sehe. Die Partnerschaft zu pflegen und eigene Bedürfnisse außerhalb der Kinder auszuleben, komme vor der Rolle als Eltern, zu der auch Geschiedene und Verstorbene zählen würden und deren Stellen nicht durch neue Partner besetzt werden könnten.

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Kommunikation mit dem Kind

Ich-Botschaften der Eltern beschreibt Faden nicht als autoritär, sondern als gesund. Statt „Lüg nicht!“ zu sagen, ließe sich besser formulieren: „Weißt du, was ich von dir brauche? Ehrlichkeit.“ Faden erläuterte, wie wichtig es ist, negatives Verhalten beim Kind direkt anzusprechen und einzugreifen. Nichts zu sagen, sei der falsche Ansatz. Schweigen bestätige das Kind in dem, was es tut. Faden wählte die Metapher der „Ärger-Rabattmarken“, die Eltern schweigend und ohne Wissen des Kindes sammeln. Sei das Sammelheft erst einmal voll, wisse das Kind jedoch nicht, weshalb Mutter oder Vater auf einmal wütend reagiert.

„Böse sein“ mit Liebe

In Stress- und Wutsituationen schaltet sich beim Mensch das „Reptiliengehirn“ ein, erklärte der Referent. Dieses setze auf Erstarren-Kämpfen-Flüchten und schalte das rationale Denken für 20 Minuten aus. In solchen Momenten könnten Eltern kommunizieren: „Ich bin gerade so wütend, dass ich nicht denken kann, ich muss mich kurz sammeln“, und müssten das Kind nicht auf sein Zimmer schicken. Eltern seien Vorbilder und würden von ihren Kindern gespiegelt. Beachtung und Resonanz seien elementare Bedürfnisse der Kinder und vergleichbar mit einem Dünger für das Wachstum der Seele. In der Pubertät lasse das Reagieren auf die vertraute Stimme der Mutter nach, während eher auf Stimmen fremder Personen gehört werde. „Neue Menschen und Situationen zu erkunden, ist schließlich ein Kennzeichen der Pubertät.“

Weniger Medien, mehr Natur

Im Laufe des Vortrags erwähnt Faden immer wieder den Bewegungshunger von Kindern und wie wichtig die Natur für sie ist. Diese bezeichnete er als „Schutzschild für die Seele“. In ihr könne das Kind beobachten, Geduld lernen, sich bewegen und Sinneseindrücke schärfen. „Eine Stunde Medien, drei Stunden mit Freunden spielen“, lautet seine Formel. Was den übermäßigen Umgang mit Medien betrifft, machen neue Ergebnisse aus der Forschung nachdenklich: Nach sechs Wochen sei bereits eine Abnahme des Hirnvolumens nachweisbar, eine Verarmung des Gemüts und Gleichgültigkeit von Sinneseindrücken.