Eine Sonderausstellung in der Kreisgalerie Meßkirch anlässlich des Kulturschwerpunkts „Signifikante Frauen im Landkreis Sigmaringen“ befasst sich seit dem 10. November mit dem, „was Frauen betrifft, bewegt, herausfordert und beflügelt, aber auch, was ihnen Sorgen bereitet und sie quält“. Der SÜDKURIER wollte von Iris Geray (45) und Sandra Stump (35) wissen, was junge Frauen von heute bewegt. Die beiden sind Schulsozialarbeiterinnen in Meßkirch und Gespräche „von Frau zu Frau“ gehören zu ihrem Alltag. Sie sind da, wenn Schülerinnen ihre Sorgen und Nöte mitteilen wollen.
Schulform spielt keine Rolle
Geray ist seit 19 Jahren an der Conradin-Kreutzer-Grund- und Werkrealschule tätig und betreut dort Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur zehnten Klasse. Stump arbeitet seit 2015 an der Grafen-von-Zimmern-Realschule und hat ein offenes Ohr für Kinder der Klassen fünf bis zehn. „Was die Mädchen heutzutage beschäftigt, ist unabhängig von der Schulform“, betont Geray. Sie und Stump tauschen sich regelmäßig im Team mit Kolleginnen vom Meßkircher Gymnasium und der Goldösch-Schule aus.
Praktika und Berufsberatung sind sinnvoll
Wenn es darum geht, welchen beruflichen Weg die Mädchen nach der Schule einschlagen wollen, haben Geray und Stump einen Wandel bemerkt. In dem Zusammenhang machen Schulpraktika aus Sicht der Schulsozialarbeiterinnen absolut Sinn. Auch die Berufsberatung werde von den Jugendlichen gut in Anspruch genommen. „Früher waren vor allem frauentypische Berufe wie Friseurin oder Einzelhandelskauffrau gefragt. Doch der handwerkliche Bereich wird für Mädchen immer interessanter, zum Beispiel Schreinerin oder Industrie- und Kfz-Mechanikerin.“ Waren sie beim Wahlpflichtfach Technik in der Vergangenheit zurückhaltender, stünden sie den Themen nun viel aufgeschlossener gegenüber. Die Schulsozialarbeiterinnen freuen sich, wenn die Mädchen sich ihrer Fähigkeiten und Stärken bewusst sind.

Einstellung der Eltern liberaler
„Und wenn ein Mädel dann die einzige weibliche Auszubildende zwischen vielen männlichen Azubis ist, dann behauptet sie sich“, sagt Geray. „Männliche Chefs freuen sich über weibliche Verstärkung. Da kommen keine schrägen Blicke, sondern Motivation.“ Umgekehrt sei bei den Schülern der pflegerische und erzieherische Bereich im Kommen und das Wahlpflichtfach AES (Alltagskultur, Ernährung, Soziales) sei längst nicht mehr so frauenlastig wie früher. „Das ist alles nicht mehr so festgefahren. Auch die Eltern werden weitestgehend liberaler und unterstützen ihre Kinder. Es herrscht eher die Auffassung: Wenn dir das Spaß macht, dann mach das.“ Diese Einstellung sei auf jeden Fall beflügelnd.
Einfluss der sozialen Medien
Ein großes Thema seien die sozialen Medien und Plattformen wie Snapchat, Instagram, Bereal oder Tiktok. „Darüber spielt sich viel ab. Konflikte über WhatsApp auszutragen, geht aber meistens schief. Schnell wird in Klassengruppen mal ein blöder Sticker oder ein fieser Spruch rausgehauen und natürlich gibt es im Internet reihenweise falsche Vorbilder. Mit Präventionsprojekten zum Thema Medien fangen wir deshalb schon ab der fünften Klasse an, früher war das ab der achten.“ Geray wünscht sich, dass Eltern den Umgang ihrer Kinder mit dem Smartphone etwas mehr im Auge behalten. „Mal nachfragen, welche Apps sie benutzen, welche Bilder sie bei Instagram hochladen, wo sie online unterwegs sind. Ich meine damit nicht, dass die Eltern heimlich in den Chats schnüffeln sollen. Wichtig ist es, mit den eigenen Kindern ins Gespräch zu kommen.“
Positives Selbstbild
Filter, die makellose Profilbilder erzeugen, seien das eine. Doch den Sozialarbeiterinnen ist aufgefallen, dass „Body positivity“ – die positive Einstellung zum Körper – immer mehr in den Vordergrund rückt. Vor ein paar Jahren wäre Bereal undenkbar gewesen, also unbearbeitete Bilder von sich zu posten. Mehr Toleranz beobachten Geray und Stump beim individuellem Stil, sei es bei der Kleidung oder beim Musikgeschmack. „Manche wollen sich ganz bewusst vom Mainstream abheben, das wird dann auch akzeptiert. Oft sind die Jugendlichen viel entspannter als manche Erwachsene. Die Vielfalt ist heute viel größer und das ist schön“, so Stump.
Pandemie hat belastet
Schule, Eltern, Pubertät – Heranwachsende sind schon immer und ständig mit Herausforderungen konfrontiert. Doch wo sehen die Schulsozialarbeiterinnen zusätzliche Belastungen? Herausfordernd und beängstigend sei für viele Mädchen – und Jungen natürlich auch – die gesellschaftliche und politische Lage in der Welt. „Kriege und Pandemie, so etwas geht nicht spurlos vorbei und führt zu psychischen Problemen.“ Das könne sich dann in depressiver Stimmung widerspiegeln, in Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit bis hin zu Zukunftsängsten. Geray: „Wir sind keine Therapeuten, doch wir sind oft eine erste Anlaufstelle und können an Hilfsstellen weitervermitteln. Seit der Pandemie ist der Bedarf groß, aber gerade im ländlichen Raum haben die Psychotherapeuten zum Teil lange Wartezeiten.“