Die Besucherinnen und Besucher der Meßkircher Mittelalterbaustelle Campus Galli haben jüngst Einblicke erhalten, welche Bedeutung das Reisen für die Menschen des frühen Mittelalters hatte. Wobei das Reisen im heutigen Sinn für die damalige einfache Bevölkerung schlicht kein Thema war. Wohl aber für das reisende Handwerk und Händler, die ihre Produkte und Waren aus anderen Regionen bei ihrer Ankunft feilzubieten hatten. So konnten die Gäste der Klosterbaustelle an diesem Wochenende Reisegruppen und fahrende Handwerker erleben, die einen Stopp auf der frühmittelalterlichen Klosterbaustelle Campus Galli eingelegt hatten.

Daniel von der Gruppe Alamanni setzt ein Kettenhemd zusammen.
Daniel von der Gruppe Alamanni setzt ein Kettenhemd zusammen. | Bild: Susanne Grimm

Mit dabei waren etliche „Living-History-Gruppen“ wie die Museumsgruppe „Alamanni“ aus Ellwangen oder die „Bodanohuntari“ aus dem Bodenseeraum. Wie der Knochenschnitzer Jörg Schaal und eines der Gruppenmitglieder von „Hjordis Bone Jewelleri“ den Zuhörern berichteten, waren Klöster und Klosterbaustellen damals wichtige Knotenpunkte des Handels, der Kommunikation und der Gastfreundschaft, die für Reisende eine bedeutende Rolle gespielt hatten. Zudem boten sie Unterkunft und Schutz vor den Unwägbarkeiten einer Reise, die aufgrund der langsamen Fortbewegung zu Fuß, mit Pferde- oder Eselkarren Wochen dauern konnte. Für viele Menschen hatte das Kloster natürlich auch eine religiöse Bedeutung. Sie nutzen die Gelegenheit, um zu beten oder um Rat bei den Mönchen zu suchen.

Christian Müller von der Gruppe Bodanohuntar fertigt eine aufwendige Gürtelschnalle.
Christian Müller von der Gruppe Bodanohuntar fertigt eine aufwendige Gürtelschnalle. | Bild: Susanne Grimm

Zugleich eine Zeitreise

An diesem Themenwochenende haben die Verantwortlichen der Klosterbaustelle die Besucher zugleich auf eine Zeitreise geschickt und vermittelten mit den Gruppen einen Eindruck vom Leben im frühen Mittelalter. Die Gruppenmitglieder erklärten im Gespräch, was ihre dargestellte Kultur so besonders machte und brachten den Menschen, neben verschiedenen Aspekten des damaligen Lebens, die verschiedenen Handwerkstechniken nahe.

Knochenschnitzer Jörg Schaal führt ein Knochenbohrgerät vor, das nach dem Jo-Jo-Prinzip funktioniert. Vor ihm liegt ein Kamm aus Bein.
Knochenschnitzer Jörg Schaal führt ein Knochenbohrgerät vor, das nach dem Jo-Jo-Prinzip funktioniert. Vor ihm liegt ein Kamm aus Bein. | Bild: Susanne Grimm

Jörg, der Knochenschnitzer, führte die Zuschauer in die Kunst der Beinbearbeitung, speziell der Kammherstellung ein. So hatte er nach einem archäologischen Fund einen aus drei Lagen gefertigten frühmittelalterlichen Kamm aus der Merowingerzeit hergestellt, der dem Original samt feinen Zinken und Ornamenten in nichts nachsteht. Er erzählte, dass nicht jeder Knochen für die Kammherstellung geeignet sei, es muss schon der starke Knochen, ein „Metacarpus“ oder Mittelhandknochen eines Rindes, sein. „Nur daraus kann man Plättchen schneiden, wie sie für Kämme gebraucht werden“. Auf die Frage, wieso es im fünften und sechsten Jahrhundert solch aufwendig herzustellende Kämme sein mussten, meinte er vielsagend: „Wie heute ein Porsche Prestigeobjekt ist, war das damals ein dicker Kamm!“ Denn klar war, dass sich nur Reiche ein solches Utensil leisten konnten. Sein in Handarbeit gefertigtes Paradestück war aber die Nachbildung eines aus Knochen geschnitzten Klappspiegels aus dem 12. Jahrhundert, dessen Original im Braunschweigischen Landesmuseum zu sehen ist. Bis auf den metallenen Spiegel stimmt die Replik genau, was ein Foto belegte. „Wir gehen davon aus, dass als Spiegel damals eine beschichtete Glaslinse verwendet worden ist, wissen das aber nicht sicher“.

Tiara schreibt mit einem Knochenstift auf eine Wachstafel.
Tiara schreibt mit einem Knochenstift auf eine Wachstafel. | Bild: Susanne Grimm

An weiteren Zelten präsentieren die Reisenden unter anderem Möbel, Musikinstrumente, Schmuck, Schreibmaterial, Kleidung und Reiseutensilien. Spannende Einblicke gab es auch in weitere Handwerksbereichen, wie die Goldschmiedekunst und Kerzenherstellung, das Schuhhandwerk oder die Holz- und Lederbearbeitung.

Einige der Gruppen boten auch die Möglichkeit, etwas selbst auszuprobieren. So versuchte sich die zehnjährige Tiara beim Schreiben mit Knochenstift auf einem Wachstäfelchen. Auch wie das Feuermachen geht, konnte ausprobiert werden, ebenso das Schreiben mit dem Federkiel in der historischen Schreibwerkstatt.