Ein besonderes Konzert an einem besonderen Tag: Am Volkstrauertag, an dem jährlich der Toten und Gefallenen der Kriege gedacht wird; dem Tag, an dem der Pazifist und von den Nazis hingerichtete Max Josef Metzger seliggesprochen wurde und Russland einen der heftigsten Luftangriffe gegen die Ukraine verübt, führten der Kirchenchor Rast-Bichtlingen und die Junge Sinfonie Reutlingen in der Meßkircher Stadtkirche St. Martin die Friedensmesse „The armed man“ von Karl Jenkins auf.
Zwar hatte Jenkins die Messe einst unter dem Eindruck des bewaffneten Kosovo-Konfliktes komponiert. An Aktualität hat die Friedensmesse bis heute nichts verloren, auch wenn Jenkins um die Jahrtausendwende herum voller Hoffnung war. Der Kirchenchor Rast-Bichtlingen verstärkte sich für die Friedensmesse mit 30 Sängern. Die somit 90 Sänger und rund 60 Musiker der Jungen Sinfonie Reutlingen nahmen den gesamten Altarraum ein. Mit rund 700 Zuhörern war die Aufführung ausverkauft. Sie sei der grandiose Abschluss des Jubiläums anlässlich 250 Jahre Barockisierung der Martinskirche gewesen, sagte Gemeindereferent Thomas Haueisen zu Beginn und gab den Zuhörenden den Gedanken mit: „Wie sieht meine Mission von Frieden aus, und was kann ich im Kleinen dazu beitragen.“

Wie aus dem Nichts begannen die marschierenden Schritte der Sänger. Nach und nach setzten Trommelschläge, Flöten, Gesang und Hörner ein. Immer eindringlicher wurde der Aufruf, sich zu bewaffnen. Die sich steigernde Intensität drang unter die Haut. Karl Jenkins nutzte für seine Messe militärische Marschmusik, schuf mit mittelalterlicher Gregorianik, alten und neuen Musikstilen ausdrucksstarke Kontraste, die unter die Haut dringen. Texten der katholischen Messe fügte er Dichtungen aus verschiedenen Kulturen und Epochen hinzu, Zeugnisse eines Überlebenden von Hiroshima, das indische Epos „Mahåbhårata“, Passagen aus der Bibel, Psalmen, Verse von Kipling und anderen Autoren.
Die Gesamtleitung der Aufführung oblag Volker Nagel, dem Chorleiter des Kirchenchores Rast-Bichtlingen. Er verfügt über die Magie und Kunst, den gedruckten Noten über die Sänger und Musiker Leben und eine Ausdrucksstärke einzuhauchen, die bei den Zuhörenden tiefe Emotionen weckt. Auf eindringliche Passagen folgten einfühlsamer solistischer Gesang, Gregorianik, dann wiederum symphonische Klänge. Die Texte wurden in Französisch, Englisch, Latein gesungen. Dank der Übersetzungen im Programmheft verstanden die Zuhörer das Gesungene. Es erzählte von Flehen um Gnade, vom Tod vor Augen, wie zum Angriff geblasen wird. Das Durcheinander von eindringlichen Rufen ließ die Zuhörer mitten in die Kriegshandlungen hineinspüren. Abrupt verstummten die Rufe, eine beklemmende Stille zog ein.
Vom Schrecken des Krieges erzählte das indische Epos. Auf dieses folgte das melodiöse und fließende „Agnus Dei“. „Nun, da die Waffen schweigen“ erzählte davon, froh zu sein, überlebt zu haben und wie mit dem Tod des Freundes und dem Erlebten weitergelebt werden muss. Das gefühlvolle „Benedictus“ am Ende legte sich wie ein heilendes Pflaster über die aufgewühlten Seelen. Nach dem Schlusston setzte das volle Glockengeläut in St. Martin ein und die Stille aller Akteure und Zuhörer. Sie trugen im Gedenken an Millionen von Menschen, die in zahllosen Kriegen ihr Leben verloren haben, die Hoffnung auf Frieden in die Welt hinaus.
Ein großes Meisterwerk ist nicht nur dem Komponisten selbst gelungen, sondern auch den rund 150 Mitwirkenden. „Gigantisch“, fanden Ilona Müller und Renate Kästle aus Schwandorf. Die Kirchenchorsängerinnen waren von dem gewaltigen Gesang beeindruckt und wie der Dirigent alles koordinierte. „Wirklich großartig“, lobte Heidi Stark aus Walbertsweiler. Hubert Keller aus Worndorf sagte: “Ein tolles Konzert. Es war schön. Ich hoffe, dass wir das nie erleben. Wir konnten richtig mitfühlen.“

Im Publikum in der Stadtkirche St. Martin saßen auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann, seine Frau Gerlinde, die Landtagsabgeordnete Andrea Bogner Unden mit ihrem Partner Manfred Illing und der Landtagsabgeordnete Klaus Burger mit seiner Frau Hildegard. Klaus Burger war beeindruckt, wie die schweren Texte in der Harmonie zwischen Chor und Orchester sehr harmonisch und beschwingt rübergekommen seien und noch tagelang im Gehör blieben.