Auf einer Wiese in der Nähe des Sassenage-Gartens hatten sich Ende vergangener Woche zahlreiche Menschen versammelt, um bei einem besonderen Dankesfest dabei zu sein. Manche trugen gelb-blaue Freundschaftsbändchen am Handgelenk, andere hatten sich die Farben der ukrainischen Fahne auf die Wangen gemalt. Mit der Pflanzung eines Süßkirschenbaums bedankten sich die in Meßkirch lebenden Ukrainer für die Unterstützung der Stadtverwaltung, der Kirchen, der Caritas, der Schulen und Kindergärten und allen Helfern aus der Meßkircher Bevölkerung. Es helfe sehr, Mitgefühl, Akzeptanz und Solidarität zu erfahren, wenn einem der Boden unter den Füßen weggerissen werde, hieß es. Die Sprachbarriere zu überwinden sei schwierig, doch immer wieder dürfe man die Erfahrung machen, dass es eine Sprache des Herzens gebe. Der Kirschbaum sei ein Symbol für den Wert des Lebens.

Eine enge Freundschaft verbindet Julia Mittler (Zweite von links) aus Heudorf mit Oleksander und seiner Mutter Yevheniia sowie Olena und ...
Eine enge Freundschaft verbindet Julia Mittler (Zweite von links) aus Heudorf mit Oleksander und seiner Mutter Yevheniia sowie Olena und ihrem Sohn Andrii (von links). | Bild: Johanson, Kirsten

Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine im Februar 2022 und dem Kriegsbeginn sind viele Menschen aus dem osteuropäischen Land nach Deutschland geflüchtet. Auch nach Meßkirch sind viele Ukrainer gekommen. Momentan leben 116 in Meßkirch und den Teilorten. Sie fanden Aufnahme in Wohnungen, Ferienwohnungen und Gästezimmern oder im leer stehenden Kindergarten St. Raphael sowie in der Goldösch-Schule. Ganz persönliche Einblicke in ihre Geschichte gaben Yevheniia, Vladimir und Georgiy, der im Rollstuhl sitzt. „Als jemand mit besonderen Bedürfnissen war mir eure Hilfe besonders wertvoll“, so der junge Mann.

Kleine Gesten mit großer Wirkung

Manchmal seien es nur kleine Gesten – etwa das Mitbringen von Buchweizen, einem typischen Lebensmittel in der Ukraine – gewesen, die sie zutiefst berührt hätten. „Wir haben viele wunderbare Menschen getroffen und sie haben Spuren in unseren Herzen hinterlassen“, übersetzte Oleksandra Litvin die Worte Yevheniias. Die blumigen Formulierungen trugen zur bewegenden Atmosphäre bei. Während der Feier wurden hier und da Taschentücher gezückt, um Tränen wegzuwischen. So auch bei Julia Mittler, die ihre Freundin Yevheniia immer wieder umarmte. Weil sie in ihrem Haus in Heudorf Platz hatten, zögerten Julia Mittler und ihr Mann nicht und nahmen im April 2022 zwei ukrainische Frauen, Yevheniia und Olena, mit deren Söhnen auf. Außerdem gibt sie Deutschunterricht. Heute verbindet die Frauen eine „großartige Freundschaft“, wie Julia Mittler sagt. „Sie sind ein Teil der Familie.“

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Die Ansprache von Bürgermeister Arne Zwick wurde von Oksana Makovetska ins Ukrainische übersetzt. Makovetska unterrichtet an der Grundschule zur Zeit elf ukrainische Kinder. Als die ersten Kriegsflüchtlinge eintrafen, habe keiner damit gerechnet, dass „wir heute immer noch zusammen sind“, so Zwick. Er versicherte den Ukrainern: „Wir werden immer weiterhelfen, egal, wie lange es dauert.“ Hilfe sei dann auf längere Zeit möglich, wenn sie wie in Meßkirch auf viele Schultern verteilt sei. „Nicht, weil wir Sie loswerden wollen, Sie sind uns weiterhin herzlich willkommen, aber wir wünschen Ihnen, dass Sie bald in Ihre Heimat zurückkehren können“, sagte Zwick.

Café als Begegnungsstätte

Wie an dem Nachmittag deutlich wurde, sind es nicht allein das Bereitstellen von Wohnraum, das Ausfüllen von Dokumenten, das Beantworten unendlich vieler Fragen und die materielle Hilfe, was den ukrainischen Familien Hoffnung und Zuversicht gibt. „Seit dem Moment unserer Ankunft wurden wir mit Wärme, Verständnis und der Bereitschaft empfangen, uns bei der Wiederherstellung unseres Lebens zu helfen“, sagte Yevheniia Sushko in ihrer Muttersprache. Dankbar sei man auch über die Einrichtung des evangelischen Kirchencafés, um sich mit Landsleuten zu treffen und auszutauschen. „Unser gemeinsamer Schmerz und die Sorgen um unsere Heimat haben uns vereint“, formulierte es Georgiy. Im Café engagieren sich zum Beispiel Ulrich und Christine Marx, die bei der Pflanzaktion dabei waren. „Das Café mit selbst gebackenem Kuchen findet jeden Montag von 15 bis 17 Uhr statt und es kommen jedes Mal zwischen 20 und 40 Leute“, so der Vorsitzendes des Kirchengemeinderats. Theresia, die ehrenamtlich im Begegnungscafé mitwirkt, sagte: „Ich erlebe die Ukrainer als überaus höflich und manche sind schon sehr gut integriert, zum Beispiel die musikalische Larissa, sie singt im Kreutzer-Chor mit.“

Svitlana (links) und Anastasia kommen aus dem russisch besetzten Sewerodonezk.
Svitlana (links) und Anastasia kommen aus dem russisch besetzten Sewerodonezk. | Bild: Johanson, Kirsten