In einem Offenen Brief appellieren neben anderen der Tuttlinger Landrat Stefan Bär wie auch Sebastian Freytag, Geschäftsführer des Klinikums Tuttlingen, an die Menschen im Kreis Tuttlingen, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Daneben wird auch darum geworben, Kontakte soweit als möglich einzuschränken, um eine weitere Übertragung der Infektion zu verhindern. Der Landrat hatte bereits während einer Pressekonferenz am Mittwoch mit Blick auf die Inzidenzahlen von einer „verheerenden Entwicklung“ gesprochen.

Den Offenen Brief unterzeichneten neben den bereits Genannten auch Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck, im Namen des Kreisverbandsvorsitzenden des Gemeindetags Baden-Württemberg, Rudolf Wuhrer, und der Pandemiebeauftragte der Kassenärztlichen Vereinigung im Landkreis Tuttlingen, Dr. Matthias Szabo.

Fallzahlen explodieren

Hier der Wortlaut des Offenen Briefes (mit geringfügigen Kürzungen): „Die Corona-Lage im Kreis Tuttlingen ist dramatischer als wir es uns bislang vorstellen konnten. Die Fallzahlen explodieren, wir verzeichnen so viele Neuinfektionen wie nie zuvor und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis unser Klinikum Patienten abweisen muss. Seit Tagen füllen sich sowohl die Normal- als auch die Intensivstation. Und dabei fallen zwei Dinge auf: Es sind immer mehr jüngere Menschen, die behandelt werden müssen. Und die meisten von ihnen sind ungeimpft.

Die Belastung für die Pflegekräfte, für die medizinischen Angestellten, für die Ärztinnen und Ärzte wird von Tag zu Tag schlimmer. Und sie ist schon jetzt kaum mehr erträglich. Auch die Arztpraxen stoßen an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Wir steuern also sehenden Auges auf die Katastrophe zu. Und wir müssen es leider so deutlich sagen: Wenn es uns nicht gelingt, diese Entwicklung zu stoppen, werden wir in schwierige Grenzsituationen kommen. Was passiert dann mit Menschen, die zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder einem Autounfall nicht angemessen versorgt werden können, weil alle Betten belegt und alle Ärzte ausgelastet sind?

Impfquote im Kreis liegt unter Bundesdurchschnitt

Leider gehört der Kreis Tuttlingen auch zu den Landkreisen, in denen die Impfquote unter dem ohnehin schon geringen Bundesdurchschnitt liegt. Und leider erkennt man auch bei uns, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Impfquote und der Auslastung unseres Klinikums gibt. Die nötigen Auffrischungsimpfungen haben erst begonnen und bei älteren Menschen, die frühzeitig geimpft wurden, lässt der immunisierende Schutz nach.

Wir alle wissen: Natürlich können sich auch Geimpfte infizieren. Natürlich können auch Geimpfte schwer erkranken. Natürlich können auch Geimpfte das Virus weitertragen. Aber die Wahrscheinlichkeit ist um ein Vielfaches geringer. Die Situation an unserem Klinikum zeigt, dass viele Personen mit schweren Verläufen ungeimpft sind. Wollen wir vor diesem Hintergrund weiterhin auf unser Recht beharren, ungeimpft zu bleiben, obwohl wir dadurch nicht nur uns, sondern auch andere stärker gefährden als nötig?

Wenn wir die verheerende Entwicklung nachhaltig stoppen wollen, gibt es nur eine Möglichkeit: Wir müssen die Zahl der Impfungen deutlich steigern. Die entsprechenden Angebote bauen wir gerade auf. Neben den Impfungen durch niedergelassene Ärzte werden im Kreis demnächst durch mobile Impfteams von montags bis samstags an verschiedenen Orten Impfungen angeboten. Nutzen Sie diese Möglichkeit und lassen Sie sich impfen. Und falls Sie bereits geimpft sind: Lassen Sie Ihre Impfung auffrischen.

Vorsicht im sozialen Umgang

Das Virus hat sich bereits so stark verbreitet, dass wir alle unser Verhalten überdenken müssen. Beachten Sie die geltenden Regelungen und Hygienekonzepte. Hinterfragen Sie die Notwendigkeit von Zusammenkünften, bleiben Sie im Zweifel lieber zu Hause. Schützen Sie ältere Menschen, vor allem auch Angehörige durch besondere Vorsicht beim sozialen Umgang und durch Beachtung der Regeln, auch wenn diese zu Beginn des Jahres geimpft wurden. Denn hier geht es nicht um die rechtliche Frage, was erlaubt ist und was nicht. Sondern vor allem um eine moralische Entscheidung. Wollen wir wirklich bedenkenlos Geselligkeit pflegen und Normalität spielen, während im Klinikum Menschen um das Überleben anderer kämpfen?“

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