Das öffentliche Paartanzen in Sälen von Gasthäusern zwischen Meßkirch und Pfullendorf war die Attraktion in der Nachkriegszeit bis in die 1970er Jahre. In Pfullendorf war es neben dem Gasthaus "Lamm" vor allem der "Adler" mit seinem großen Ballsaal und dem darüber liegenden Kino.

Viele Kultbands gegründet
Der riesige Adlersaal besaß einen großen Tanzboden aus Parkett. Beiderseits der Tanzfläche war eine leicht erhöhte Galerie mit Tischen und Stühlen, die sich hinter einer durchlaufenden Galerie befand. Auf einem Podium spielte jeden Sonntag eine Band nach den Idolen der Zeit. Dabei entstanden Musikbands wie "Die Sterntaler", "The Kings", "Kobras", "Melodies" oder die die Senkrechtstarterband "Flippers".

Vergnügungsstätte "Adler"
Der Adlersaal war auch der Ballsaal der Pfullendorfer Vereine. An Fasnacht überboten sie sich mit ihren farbigen Programmabenden. Diese erlebten auch die damaligen Nachbarinnen des Adlers hautnah, Charlotte Zoller und ihre Schwester Inge Rebholz. Willi Nusser, Besitzer des "Flair Hotel Adler", bezeichnet das Schwesternpaar als "Pfullendorfer Urgesteine". "Jeden Abend war ein anderer Verein an der Reihe", erinnert sich Charlotte Zoller an den Ball des SC Pfullendorf ebenos wie an den Ball des Turnvereins, des Tennisclubs und der Gesangvereins.

In den Anfangstagen des Saalbetriebs im "Adler" engagierte Willi Nusser, Vater des langjährigen Hoteliers, auch Künstlertruppen zu bunten Abenden. So begeisterte Zarah Leander das Publikum, und auch Maria Valente, Mutter von Caterina Valente, hatte einen großen Auftritt als Musikclown. Gefeiert wurde auch der Schweizer Stimmenimitator Jacky Platini, und ganz schlecht weg kam ein berühmter Wiener Kammersänger. Und, es wurden auch Schönheitswettbewerbe durchgeführt.
Damals und heute
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"Ich lernte hier Balletttanz"
Der 79-jährige Walter von Schramm erinnert sich noch gut an den "Adler", denn dort startete er seine Ballettkarriere. "Ich war der einzige Mann, der in Pfullendorf damals Ballett lernte", erinnert sich der Rentner, der jahrzehntelang bei der Firma Alno gearbeitet hat, an die 60er Jahre. Die Familie von Schramm war nach dem Zweiten Weltkrieg aus der schlesischen Heimat geflüchtet. Mit seiner Schwester Gisela ging er später zur klassischen Ausbildung nach Überlingen zu Meistertrainerin Ruth Hampel-Schilosky. Höhepunkt seiner Ballettkarriere war der Auftritt im "Schwanensee", wo er im Kursaal Überlingen den weißen Schwan tanzte. Schwester Gisela hat dann später die Ballettschule in Pfullendorf geleitet. Nach mehr als einem Jahrzehnt hängte Walter Schramm seine Ballettschuhe an den berühmten Nagel, weil er beruflich eingespannt war. (siv)