Noch in den 50ern war viel los im Benediktinerinnenkloster „Unserer Lieben Frau“, das große Geschichte durchlebte. Etwa 30 Nonnen lebten hier. Sie empfingen viele Gäste, feierten viele Feste und lebten viel Liturgie. Das Kloster war eine Welt für sich und die Nonnen waren Selbstversorger. Sie bewirtschafteten die klostereigene Landwirtschaft und übten sich als Handwerker. Jede Frau brachte eine Fähigkeit mit, die sie im Kloster ausüben konnte. Sonst wurde sie als Landwirtin oder Köchin ausgebildet. Bei den Feldarbeiten waren die Nonnen immer besonders schnell, vor allem wenn sich ein Unwetter ankündigte, denn es waren stets genügend helfende Hände vorhaben. Darum wurden sie von den Bauern beneidet, die ihre Felder mit ihren Familien zusammen bestellten. Die Nonnen halfen dort gern mit, damit die Bauern ebenfalls keinen Schaden davontrugen, wenn sich Hagel ankündigte. In dieser Zeit erlebte auch die Paramentenstickerei ihre Blütezeit. Das kam auch der Klosterkasse zugute, von der die nächsten Generationen noch leben konnten.
Wenn die Mauern des einstigen Besitztums des Pfalzgrafen Hugo IV. von Tübingen erzählen könnten, wüssten sie manches Interessante zu berichten. Er übergab seine Ländereien am 20. Mai 1259 an eine fromme Frauengemeinschaft, eine Beginen-Sammlung, die sich einige Jahre zuvor im Kontext der mittelalterlichen Frömmigkeits- und Armutsbewegung in der benachbarten vorderösterreichischen Stadt Mengen gebildet hatte. Noch im selben Jahr wurde der Grundstein für den Bau einer Kirche und eines Klosters gelegt, in das die Schwestern übersiedelten.
In dieser Zeit prägten in der Taille geschnürte Obergewänder mit einem geweiteten, bodenlangen Unterkleid die Frauenmode. Verheiratete Frauen trugen das Haar bedeckt. Dafür dominierten in der Romanik eine Art Schleiertuch und ein langer Stoffstreifen, der um Kopf und Hals geschlungen wurde. In den Anfängen trugen die Ordensgemeinschaften oft die alltägliche Kleidung der Leute, wie sie zur Gründungszeit der jeweiligen Orden üblich war. Doch die Mode änderte sich schnell und das bewirkte, dass die Ursprungskleidung nach und nach zu etwas Besonderem wurde und daraus eine Ordenstracht entstand. Diese wurden zum Erkennungszeichen der jeweiligen Orden, weil jede Gemeinschaft ihre eigene Farbe und Form hatte.
Die Habsthaler Priorin Kornelia Kreidler zeigt Fotos aus der damaligen Zeit, als nur noch das Gesicht einer Nonne zu sehen war. „Es gab dann neue Ordensgewänder“, erzählt sie. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965 wurde die Ordenstracht vereinfacht und nahm die Form an, die sie heute noch hat. Das hatte weitere Einflüsse auf das Klosterleben in Habsthal. Bis dahin erlebte die Paramentenstickerei ihre Blütezeit. Die Schwestern beherrschten diese Kunst und fertigten regelrechte Schätze an. „Bis dahin trugen die Priester die römischen Messgewänder, die sehr aufwendig bestickt waren“, erzählt die Priorin. „Danach trug man die gotischen Gewänder, die waren schlichter.“ Damit sank die Nachfrage nach Gewändern und langsam starb diese Stickkunst im Kloster aus.
Zeitgeschichtlich war in der Kirche ein Wendepunkt. „Konzil-Neuerungen wurden eingeführt und man wandte sich der Welt zu. Vieles wurde über Bord geworfen, manches zu schnell.“ Im Kloster gingen Veränderungen immer etwas langsamer, weil erst alles besprochen wurde. „Es war bestimmt eine spannende Zeit, denn nicht jeder war mit den Änderungen einverstanden.“ Doch die Aufbruchsstimmung war deutlich zu spüren, „auch politisch mit den 68ern“. „Die Frauen änderten sich und hatten nicht mehr vor, ins Kloster zu gehen. Stattdessen traten sie aus. Manche Junge kamen und hatten Schwung, wollten verändern, manchen ging es nicht schnell genug, dann gingen sie wieder.“ Die Priorin sagt: „Aber es gab auch Ordensmenschen aus dieser Zeit wie Amseln Grün, die sehr wertvoll sind.“ Einige hätten versucht, "das gute Alte zu behalten und das Neue zu integrieren“.
Für Habsthal sei die Zeit schwierig gewesen: „Es gab wenig Eintritte.“ Schwester Kornelia vermutet, dass sich die Schwestern zu sehr auf die Paramentenwerkstatt konzentrierten, die dann in die Krise geriet. „In anderen Klöstern haben die Nonnen das Gästeangebot erweiterte und damit Kontakt zur Außenwelt bekommen. Das war hier nie“, sagt sie.
Bis in die 80er Jahre bildete das Kloster Habsthal mit Hermetschwil in der Schweiz eine Gemeinschaft. In Habsthal waren der Sitz der Äbtissin und das Noviziat. Die deutschen Ordensschwestern wurden in die Schweiz geschickt, um die Gemeinschaft zu erhalten. Die Führung war sehr streng. 1985 trennten sich die Wege und die strengen Klausurvorschriften konnten aufgelockert werden. „Heute gibt es auch noch Grenzen, aber wir leben nun nicht mehr für die Klausur, wie es früher war, sondern sie ist für uns da, und das hat man oft vergessen. Es muss etwas Gesundes haben und nicht krank machen“, betont die Priorin.
1993 trat Schwester Kornelia in den Orden ein. Teile der Veränderung erlebte sie hautnah mit. Das klösterliche Leben sei wieder intensiver geworden. „Von den Gästen her ist es jetzt viel gefragter und viel mehr Menschen suchen hier wieder die Werte, die ihnen selber helfen.“ Als große Veränderung betrachtet sie, „dass nun die Menschen sehr nahe mit uns mitleben können, über den ganzen Tagesablauf hinweg.“ Aufgrund der kleinen Gemeinschaft, die aus drei Nonnen und Pater Pius besteht, meint sie, „dass wir wesentlicher geworden sind und unwesentliche Arbeit gar nicht leisten können.“ Das betrachte sie als Gewinn, „denn ich erfahre damit, was auch eine kleine Gemeinschaft bewegen kann.“ Für die Zukunft wünscht sie sich, dass das klösterliche Leben weitergeht und die Menschen den Ort finden, den sie brauchen und der ihnen guttut. Es geht ihr dabei um das Pflegen der Beziehung zu Gott, „denn was nicht gepflegt wird, stirbt irgendwann. Und um Gott zu erfahren, braucht es Ruhe und Struktur.“ Klöster seien die Orte, wo wieder gelernt werden kann, einen Rhythmus ins Leben einzubauen.
"Schade, dass es nun so wenige sind"
Hans Krug, Jahrgang 1938, erinnert sich an das Kloster Habsthal in den 50er Jahren.
Sein Elternhaus liegt unterhalb des Klosters, jeder Blick aus dem Fenster ging auf das Kloster. „1950 waren es genau 50 Nonnen.“ Wie der Habit in dieser Zeit zu tragen war, weiß Krug noch gut. „Die Tante meiner Frau war auch im Kloster und sie trug noch alles hochgeschlossen.“
„Die Schwestern hatten früher ein Gitter am Tor und griffen nur mit der Hand raus, wenn etwas war.“ Die Äbtissin sei sehr streng gewesen. „Die Nonnen waren immer sehr nett und freundlich und sie haben gern mit uns gesprochen, aber nicht zu lang, denn das durften sie nicht.“ Niemand im Ort habe verstehen können, warum die Nonnen so abgeschieden leben. „Bei den Wahlen gab es immer Schwierigkeiten“, sagt Hans Krug. „Die Nonnen wählten das, was die Äbtissin sagte, und damit entschieden sie jedes Mal die Wahl.“ Der Nachbar erinnert sich, dass es deswegen zwei oder drei Mal sogar Ärger gegeben habe. „Schlimm war es bei den örtlichen Wahlen.“ Die Gesamteinwohnerzahl lag damals bei 220, „davon allein 50 Schwestern.“
Die Habsthaler gingen gern in die Klosterkirche, „vor allem bei Einkleidungen, da war die Kirche immer voll.“ Krug weiß: „Die Nonnen freuten sich, wenn die Bevölkerung kam, aber alle anderen Feste waren intern.“ Bis auf die öffentlichen Kirchenfeste, wie Fronleichnam oder die Kommunion. „Am Weißen Sonntag war es eine schöne Geste, dass die Kommunionkinder vom Pfarrer ins Kloster zum Kabatrinken gebracht wurden.“ Die Nonnen wollten die Kinder kennenlernen und hatten Geschenke vorbereitet. „Jeder bekam ein Spitzenkörbchen mit überzogenen Eiern und mit Bändchen verziert.“ Die Nonnen fertigten die Körbchen selbst. „In der Paramentenwerkstatt waren Künstlerinnen, aber die waren alle unbekannt.“ Die Körbchen wurden in Ehren gehalten.
Nach den Hungerjahren im Ersten Weltkrieg hatten die Nonnen den heutigen Geflügelhof Knäpple gekauft. Sie wollten eine bessere Selbstversorgung gewährleisten, doch „sie hatten viel Pech mit den Verwaltern.“ Aufwärts ging es, „als 1950 Walter Bernard von Schlesien kam“. Seine Schwester war Nonne im Kloster und er bewies seine landwirtschaftlichen Fähigkeiten. „Die Ernten waren gut und nach und nach rüsteten sich die Frauen gut aus.“ Jede hatte ihre Aufgabe, „aber im Stall für die Tiere waren es zu wenige.“ Der Nachwuchs blieb aus, die Zahl der Nonnen sank. „Dann hätte man in den Stall viel investieren müssen, denn er war veraltet.“ Eine Lösung musste her. „Deshalb haben die Nonnen ihn verpachtet und der Pächter hat ihn vor Kurzem gekauft.“
Hans Krug bedauert: „Schade, dass es nun so wenige sind.“ Gleichzeitig freut er sich, dass alles offener geworden ist und sich die Nonnen immer wieder unters Volk mischen.