Die Ergebnisse der Bundestagswahl haben für Pfullendorf zwei Trends bestätigt. Die CDU hat den Rückweg zu alter Stärker angetreten und der seit Jahren deutliche Höhenflug der AfD hat ungeahnte Dimensionen angenommen und mit 27,2 Prozent hat die blaue Partei ein Rekordergebnis eingefahren. In den drei Wahlbezirken der Kernstadt erhielt die Partei von Direktkandidatin Alice Weidel von denjenigen, die ihren Stimmzettel in die Wahlurne waren, sogar die Mehrheit vor der CDU.
CDU-Vorsitzender ist besorgt
Mit dem Gesamtwahlergebnis ist Philipp Dürr, CDU-Stadtverbandsvorsitzender, nicht zufrieden.
Er hätte sich Ergebnis über 30 Prozent gewünscht. „Dass dies nichts wird, hatte sich leider bereits in den letzten Wochen abgezeichnet“, erklärt im SÜDKURIER-Gespräch. Nachdem das BSW denkbar knapp gescheitert ist, werde die Regierungsbildung mit einem Zweierbündnis aus CDU und SPD funktionieren. Wesentlich einfacher wird nach seiner Überzeugung diese Zusammenarbeit nicht. Mit Blick auf den Wahlkampf und den eher ausdifferenzierten Programmen und Schwerpunkten werde dies alles andere als ein Selbstläufer. Das Ergebnis der AfD als zweitstärkste Kraft bleibe bedeutend zu hoch und liegt in Pfullendorf nochmal höher als im Bundesschnitt: „Das macht mir Sorge, da Teile dieser Partei einfach fernab dessen sind, was unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ausmacht.“ Dürr ist überzeugt, dass Friedrich Merz diese Regierung als zehnter Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland in einer Weise anführen wird, die die Demokratie und die demokratische Mitte stärkt, was die richtige Strategie sei, um die Ränder zu schwächen.
SPD konnte Wählerpotenzial nicht aktivieren
SPD-Ortsvereinsvorsitzender Hans Halder konstatiert, dass man es in Pfullendorf nicht geschafft hat, das Wählerpotenzial für seine Partei zu aktivieren.
Er bescheinigt dem Kandidaten Leon Hahn einen sehr guten Wahlkampf gemacht zu haben, denn dessen Erst-Stimmenergebnis liege deutlich über den Zweitstimmen. „Leider ist sein Landeslistenplatz 14 nicht ausreichend für einen Sitz im Bundestag. Das ist wirklich schade. Er hätte uns gutgetan.“ Halder hofft nun auf eine funktionierende Koalition und tatkräftige Regierung.
Wahlbeteiligung stimmt Pfarrer zuversichtlich
„Ein verunsichernder Wahlkampf und ein aufreibender Wahlsonntag liegen hinter uns“, stimmt Sebastian Degen, evangelischer Pfarrer, die höchste Wahlbeteiligung seit Jahren zuversichtlich.
Die Kirchen hätten bekanntlich dazu ermutigt, bei der Wahlentscheidung Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt in den Vordergrund zu stellen. Mehr als zwei Drittel haben das getan. „Dass im Umkehrschluss ein Drittel – in manchen Pfullendorfer Wahlkreisen fast die Hälfte – nach einer Alternative gesucht haben, empfinde ich als bitter.“
Entsetzen über die Erfolge der AfD
Die Vorsitzende des Netzwerks, Anthia Schmitt, freut sich über die hohe Wahlbeteiligung. Sie zeige, dass die Menschen ihre Politikverdrossenheit hinter sich lassen, wenn es um wichtige Weichenstellungen geht.
„Andererseits bin ich entsetzt über den gewaltigen Rechtsruck in Pfullendorf“, ist Schmitt schockiert. Mit 27,2 Prozent für die AfD und sogar 29,8 Prozent für Alice Weidel selbst liege das Ergebnis der Rechtspartei noch deutlich über dem schon erschreckenden Bundesergebnis: „Und das in Oberschwaben, wo Demokratie und Freiheit schon immer einen sehr hohen Stellenwert hatten, und ausgerechnet in Pfullendorf, wo Menschen mit vielerlei Herkunft gut zusammenleben. Ich hoffe, dass die Parteien der Mitte sich jetzt zusammenraufen und eine regierungsfähige Zweierkoalition zustande bringen, die sich um die wirklich wichtigen Themen wie Wirtschaft, Wohnungsmangel, marodes Straßen- und Schienennetz, Pflegenotstand, Gesundheitswesen, Klimaschutz oder zuverlässige Kinderbetreuung und Bildung kümmern. Diese Themen sind im Wahlkampf, in dem zu sehr Ausländer und Migration in den Mittelpunkt gerückt wurden, viel zu wenig diskutiert worden.“
Landrätin appelliert an Grüne
Landrätin Stefanie Bürkle zeigt sich beeindruckt von der überragend hohen Wahlbeteiligung, die zum Ausdruck bringe, dass den Menschen das Land wichtig ist.
„Jetzt wird es an CDU und SPD liegen, in den nächsten vier Jahren ruhig und konsequent die Probleme zu lösen, die unser Land hat, und Deutschland auch innerhalb Europas und global gut zu positionieren. Angesichts der knappen Mehrheit wünsche ich mir, dass auch die Grünen Inhalte der Regierung unterstützen, die sie mittragen können.
Spitzenkandidat stoppte grünen Sinkflug
Der grüne Bundestagsabgeordnete Johannes Kretschmann konstatiert, dass die Grünen mit ihrem Spitzenkandidaten Robert Habeck einen langen grünen Sinkflug in den Umfragen gestoppt zu haben.
„Wir konnten aus einer unbeliebten Regierung heraus unser zweitbestes Ergebnis bei Bundestagswahlen einfahren.“ Trotzdem sind wir unzufrieden und besorgt, erklärt Kretschmann, der im Januar für seine verstorbene Parteikollegin Stephanie Aeffner für wenige Wochen in den Bundestag nachrückte. Die bürgerliche Mitte, die Europa stärken und die Ukraine retten will, hat nach seinen Angaben stark eingebüßt.