Eine der spektakulärsten Pleiten der vergangenen Jahre, die Insolvenz der Alno AG im Juli 2017, wird nun juristisch aufgearbeitet. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Anklage wegen des Verdachts der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung, des Kreditbetrugs, des Bankrotts und der Untreue erhoben. Anklage wird gegen neun Personen erhoben und den Beschuldigten drohen lange Haftstrafe.

Landgericht Stuttgart entscheidet über Eröffnung des Hauptverfahrens

Staatsanwältin Stefanie Ruben bestätigt auf Anfrage des SÜDKURIER, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Zusammenhang mit den Insolvenzen der Alno AG und zweier Tochterunternehmen gegen neun Personen unter anderem wegen des Verdachts der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung, des Kreditbetrugs, des Bankrotts und der Untreue am 19. Juni Anklage erhoben habe, und zwar vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart. „Bei einer Untreue im besonders schweren Fall liegt der Strafrahmen bei Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahre“, antwortet sie auf die Frage nach dem möglichen Strafmaß, weist allerdings darauf hin, dass bis zur rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gelte. „Weitere Auskünfte kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht erteilen, nachdem nun zunächst das Landgericht Stuttgart über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden hat.“ Unbeantwortet bleibt deshalb auch die Frage, ob auch gegen das ehemalige Vorstandsduo Max Müller und Ipek Demirtas Anklage erhoben wird.

Ermittlungen laufen seit etlichen Jahren

Hätte die Alno AG früher als 2017 Insolvenz anmelden müssen? Um diese Frage zu beantworten, hatte der vom Gericht eingesetzte Insolvenzverwalter Martin Hörmann ein Gutachten in Auftrag gegeben, das zum Ergebnis kam, dass das Unternehmen schon 2013 zahlungsunfähig gewesen sein soll. Die Folge war eine Anzeige von Hörmann wegen Insolvenzverschleppung und weiterer Strafbestände gegen den damaligen Vorstand, einschließlich des langjährigen Vorstandschefs Max Müller, der seit 2011 den Posten inne hatte sowie der damaligen Finanzchefin Ipek Demirtas.

Was machen Ex-Vorstandsmitglieder heute?

Nach Informationen des Branchendienstes „möbel kultur“ fungiert die ehemalige Finanzchefin Ipek Demirtas als Mitinhaberin und CEO der Forster Home AG. Die Forster Stahlküchen mit Sitz im schweizerischen Altstätten gehörten früher zum Alno-Konzern. Von Tätigkeiten des Ex-Vorstandschefs Max Müller ist öffentlich nichts bekannt geworden. Allerdings datiert vom 22. Dezember 2022 eine Neueintragung im schweizerischen Handelsregister über die Firma „Forster La Cucina AG“ mit Sitz in Arbon (Schweiz), wo Max Müller als Präsident des Verwaltungsrats genannt wird. Weitere Verwaltungsratsmitglieder sind Ipek Demirtas und Giovanni Cerfada. Das Stammkapital beträgt 100.000 Schweizer Franken.

Ex-Investor verklagte früheres Vorstandsduo schon 2019

Der ehemalige Hauptinvestor, das bosnische Familienunternehmen Hastor, hatte die beiden früheren Vorstände schon im Jahr 2019 auf Schadenersatz in Höhe von knapp 60 Millionen Euro verklagt und das Landgericht Hechingen den Eingang der Zivilklage vom Juni 2019 bestätigt. Mit Tahoe Investors, war 2016 der Investmentzweig von Hastor bei dem damals schon angeschlagenen Küchenproduzenten eingestiegen. Nach der Pleite hatte der Investor den Vorwurf erhoben, dass Müller und seine Leute die wahre finanzielle Lage von Alno verschleiert, was der Ex-Vorstandschef zurückgewiesen und seinerseits den Tahoe-Leuten Fehler vorgeworfen hatte.

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Nach den damaligen Informationen der „Stuttgarter Zeitung“ hat Tahoe rund 70 Millionen Euro bei seinem Engagement in der Küchenmöbelbranche verloren, wobei man 27 Prozent der Aktien selbst gehalten und 16 Prozent über Poolverträge kontrolliert hatte. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte die Ermittlungen wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung und des Betruges gegen insgesamt zwölf Beschuldigte aufgenommen, darunter ehemalige Alno-Vorstände.

Insolvenzverwalter bestätigte Deal mit US-Unternehmen

Von der Alno-Pleite 2017 war auch der frühere Großaktionär Bauknecht betroffen, ein Tochterunternehmen des US-Hausgeräteherstellers Whirlpool. Dem Unternehmen wurde vorgeworfen, früh von der desolaten Lage bei Alno gewusst zu haben. Zudem hatte Insolvenzverwalter Hörmann den Verdacht geäußert, dass der Pfullendorfer Küchenmöbelhersteller über Jahre hinweg Elektrogeräte von Bauknecht erworben habe, die „über den Preisen für vergleichbare Konkurrenzprodukte lagen“, heißt es in einem früheren Bericht des Insolvenzverwalters. Der amerikanische Mutterkonzern Whirlpool war indirekt mit einem Minderheitsanteil an Alno beteiligt. Die „Wirtschaftswoche“ berichtete vor einigen Jahren, dass die Amerikaner 52,75 Millionen Euro an Martin Hörmann zahlten, um den juristischen Streit beizulegen. Der rückwirkend zum 31. Dezember 2019 gültige Vergleich gehe aus dem im Januar 2020 veröffentlichten Whirlpool-Geschäftsbereich hervor, informierte die Wochenzeitung. Klar sei, dass die 52,75 Millionen Euro in die Insolvenzmasse flössen, aus denen dann die Gläubiger bedient werden. Auf Anfrage des SÜDKURIER hatte der Insolvenzverwalter damals nur bestätigt, dass es einen Vergleich mit Whirlpool/Bauknecht gegeben hat, aber keine weiteren Details genannt.