Seit 1. Oktober ruht der Geschäftsbetrieb der Neuen Alno GmbH und derzeit wird das Unternehmen abgewickelt. Vor mehr als einem Jahrzehnt waren in der einstigen Alno AG mehr als 2000 Menschen beschäftigt und jetzt wechselten 95 Prozent der verbliebenen 230-GmbH-Mitarbeiter in eine Transfergesellschaft, die im ehemaligen Verwaltungsgebäude ihr Domizil hat.
Mitarbeiter der Transfergesellschaft bekommen vier Monate Geld
Im SÜDKURIER-Gespräch erläutert Geschäftsführer Jochen Braun die aktuelle Situation und nennt Ursachen für die Insolvenz der GmbH. Zu Beginn bestätigt er, dass Beschäftigte maximal vier Monate in der Transfergesellschaft bleiben und während dieser Zeit etwa 80 Prozent ihres früheren Lohns erhalten, finanziert von der Agentur für Arbeit und dem ehemaligen Eigentümer der Alno GmbH, der Investmentfirma Riverrock. Das heißt, ein Mitarbeiter, der im Oktober eingetreten ist, erhält bis Januar sein Geld, und für diejenigen, die spätestens Ende Januar eintreten, läuft die Transfergesellschaft bis Ende Mai.
Real Estate GmbH wird liquidiert
Dass ein Investor nach einer Insolvenz sich noch so engagiere, habe er in seiner langjährigen beruflichen Laufbahn noch nicht erlebt, sagt Braun, dessen Aufgabe derzeit ist, die Neue Alno GmbH abzuwickeln. Bekanntlich wurde das rund 18,5 Hektar große Areal mittlerweile an die Vierhaus Group verkauft, die im Juli bereits den Campingausrüster Tegos im benachbarten Ostrach übernommen hat. Die Real Estate GmbH, in der die Immobilien des einstigen Alno-Stammsitzes gebündelt waren, wird liquidiert.
Veraltete IT- und Produktionsanlage in Pfullendorf
Auf die Frage nach den Ursachen für die letztlich überraschende Insolvenz der 2018 gestarteten Neuen Alno GmbH erklärt Braun, dass es letztlich nicht gelungen sei, die Kostenstruktur schnell und nachhaltig genug zu verändern, um ausreichende Erlöse zu generieren und die Firma in die Gewinnzone zu führen. „Wir waren auf einem guten Weg“, beteuert der Manager und schildert, dass man besonders mit der veralteten IT zu kämpfen hatte.
Produktionsanlage in Pfullendorf lief unstabil
Und auch die Produktionsanlage der einstigen Alno AG, mit der man täglich bis 8000 Schränke herstellen könnte, sei für neu ausgerichtete Fertigungsstrategie der GmbH, die eine breite Farbpalette beinhaltete, erst nach Monaten stabil gelaufen. Braun bestätigt Medienberichte, wonach man den Maschinenpark eines Möbelherstellers kaufen, in Pfullendorf montieren und dann mit der Schrankproduktion durchstarten wollte. Diese Pläne zerschlugen sich, weil es für die Übergangsphase zwischen alter und neuer Produktionsanlage keine Finanzierungszusagen gab.
„Break-even-Point“ noch nicht erreicht
Wie viele Unternehmen kämpfte die Alno GmbH im vergangenen Jahr mit den Folgen von Corona, und trotz einer Umsatzsteigerung von 62 Prozent war der „Break-even-Point“ noch nicht erreicht. Letztlich musste man Ende Juni beim Amtsgericht Hechingen einen Insolvenzantrag stellen, wobei das Gericht eine Insolvenz in Eigenverwaltung genehmigte und der Firma einen Sachwalter zur Seite stellte. Von Juli bis September übernahm die Agentur für Arbeit in Form einer Insolvenzgeldvorfinanzierung die Lohnzahlungen für die Mitarbeiter.
Investor sagt quasi in letzter Sekunde ab
Schon im Frühjahr hatte der einstige Eigentümer Riverrock erklärt, dass man neue Investoren oder Eigentümer für die Neue Alno GmbH suche und diese Suche wurde während der Insolvenz fortgesetzt. Die Geschäftsführung bestätigte mehrfach, dass man weltweit Gespräche führe und verbreitete wie der Sachwalter durchaus Optimismus. „Das war berechtigt“, versichert Geschäftsführer Jochen Braun, dass man mit einem deutschen Unternehmen im Prinzip einig war und umso mehr erschütterter sei er gewesen, als der Investor quasi in letzter Sekunde absagte.
Jobbörse für ehemalige Beschäftigte
Froh ist Braun, dass schon viele ehemalige Alno-Beschäftigte wieder einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben. „Es gibt viele Anfragen von Firmen“, erklärt der Geschäftsführer, dass am 26. bis 27. Oktober vor Ort eine „Jobbörse“ stattfindet, bei der Firmen, die auf Mitarbeitersuche sind, sich präsentieren.
Kunden und Lieferanten haben Geld verloren
Klar ist für den Geschäftsführer, dass die Insolvenz nicht nur die Beschäftigten ihren Arbeitsplatz gekostet hat, sondern auch für Kunden und Lieferanten der GmbH teilweise massive finanzielle Einbußen mit sich bringt. So haben Kunden für Küchen, die sie kurz vor der Bekanntgabe der Insolvenz kauften, noch Anzahlungen geleistet, aber die Küche wurde nie geliefert. Das überwiesene Geld wird nach Angaben von Braun im Rahmen des Insolvenzverfahrens in eine Tabelle angemeldet. Dort werden Forderungen in eine Gläubigerliste eingetragen, aber erfahrungsgemäß erhalten Kunden, wenn überhaupt, im Rahmen des Insolvenzverfahrens nur einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Forderung.
Kunde muss Beweise erbringen
Die in Rottweil ansässige Anwaltskanzlei „Hirt und Teufel“ ist auch auf Insolvenzrecht spezialisiert und Anwalt Alexander Kästle gilt als einer der Besten seines Fachs. Im SÜDKURIER-Gespräch erklärt der Rechtsexperte die juristische Lage. Beim Abschluss eines Kaufvertrages und Entgegennahme einer Anzahlung, kurz vor Insolvenzantragsstellung, stelle sich stets die Frage, ob die spätere Insolvenzschuldnerin zu diesem Zeitpunkt bereits insolvenzpflichtig war. „Sollte dies der Fall sein, würde dies gegebenenfalls Schadenersatzansprüche gegenüber den Beteiligten auslösen, wobei die Beweislast hierfür beim Kunden liegt“, erklärt der Fachmann. Auf die SÜDKURIER-Frage, ob sich an der Sachlage etwas ändern würde, wenn ein Küchenberater nicht Angestellter, sondern freier Verkaufsagent wäre, antwortet Kästle mit „Nein“. Bezüglich der Rolle des vom Amtsgericht eingesetzten Insolvenzverwalters und der damaligen Zusicherung, dass ausstehende Aufträge noch abgearbeitet würden, erläutert der Experte, dass für den Insolvenzverwalter die Wirtschaftlichkeit der zu bearbeitenden Aufträge im Fokus stehe.