Wegen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in fünf Fällen verurteilte das Amtsgericht Sigmaringen unter Richterin Julia Veitinger einen 35-Jährigen aus Pfullendorf zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe. Der Angeklagte hatte sich die Tochter seiner Lebenspartnerin gefügig gemacht und ihr nachweislich ein Kind gezeugt. Der ungeschützte Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen erfülle das Strafmaß im vorgegebenen Bemessungsrahmen, sagte die Richterin. Strafverschärfend bei ihrem Urteil hätte sich sein Vorstrafenregister mit 21 Eintragungen ausgewirkt. Darüber hinaus stand er unter dreifacher Bewährung. „Da gibt es keinen Raum mehr für weitere Bewährungen“, so ihr Schlussresümee.
Mutter hat zur Tochter keinen Kontakt mehr
In der nun fortgesetzten Hauptverhandlung vom 2. November wurden vier weitere Zeugen gehört. So kam die 37-jährige Lebenspartnerin des Angeklagten zu Wort, die – seitdem die Tochter die gemeinsame Wohnung verlassen hat – keinerlei Kontakt zu ihr hat. Beharrlich pochte sie darauf, dass jene durchzechte Partynacht, in der ihr Lebenspartner im Bett der Tochter gelandet war, nicht Ende Januar 2023, sondern Ende Februar gewesen sein müsse.
Auch der 28-jährige Sohn der Schwester des Angeklagten verlagerte die Partynacht in den Februar, obgleich er bei früherer Vernehmung noch den exakten Tag im Januar zu benennen wusste. In der Wohnung habe das Mädchen mit ihrem Fuß an seinen Beinen gespielt. Sein 25-jähriger Kumpel beschrieb im Zeugenstand das Mädchen als „sehr willig“, sie hätte den Angeklagten schwärmerisch umgarnt, der wiederum sehr, sehr betrunken gewesen sei.
Mutter zeitweise depressiv
Klärende Gespräche wegen ihres übergriffigen Lebenspartners hat die Mutter mit ihrer Tochter nicht geführt. Erschrocken reagierte sie erst, als sie von der Polizei über Aussagen der Tochter vom Missbrauch und ihrer Schwangerschaft erfuhr: „Ich glaube nicht, dass es mit Absicht zustande gekommen ist. Wenn ich nachdenke, ist sie eifersüchtig auf mich gewesen,“ sagte sie. Mehrere sexuelle Begegnungen zwischen Tochter und Lebensgefährten könne sie sich nicht vorstellen. Von Staatsanwältin Jasmin Niedermann zur Trennung 2019 von ihrem damaligen Lebensgefährten und zu ihren depressiven Phasen befragt, brach sie in Tränen aus. Die Staatsanwältin interpretierte ihr gegenüber das Verhalten ihrer Tochter auch als Ausdruck von Verzweiflung, die Tochter befürchtete, dass ihre Mutter, die aktuell wieder schwanger ist, bei einer weiteren gescheiterten Beziehung in ein noch tieferes Loch fallen könnte.
Belastende Chatprotokolle
Der Vernehmungsbeamte, ein Hauptkommissar aus Sigmaringen, schilderte die von ihrer Tante begleitete Heranwachsende als sehr zurückhaltend und schüchtern. Das Mädchen sei aber sortiert gewesen, hätte sich bei sexuellen Annäherungen des 35-Jährigen sehr unter Druck gesetzt gefühlt. Zumal er seine Bedürfnisse zum Geschlechtsverkehr mit Drohungen verband, die Familie ansonsten verlassen zu wollen. Das Lügengebäude des Angeklagten, der alle Vorwürfe der Tochter resolut in Abrede stellte, fiel spätestens in sich zusammen, als die Richterin die zwischen Tochter und ihm gesicherten Chatprotokolle verlas. Daraus gingen nicht nur seine Liebesschwüre (“Jede Sekunde mit dir genieße ich“) an sie zweifelsfrei hervor, er formulierte darin auch ordinär sein sexuelles Begierde und drohte immer wieder, abhauen zu wollen, wenn sie den Sex mit ihm verweigern würde. Das Angebot der Staatsanwältin auf eine strafmildernde geständige Einlassung schlug der Beschuldigte aus: „Ich nehme von meinem Schweigerecht Gebrauch!“
Wechsel zwischen rückfällig und clean
Ein Bewährungshelfer bezeichnete die Entwicklung des Angeklagten als „sehr wechselhaft“. Der 35-Jährige hätte zwar eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen, sei aber 2023 durch den Konsum von Kokain und Cannabis rückfällig geworden. Erst 2024 hätten ausgewertete Tests belegt, dass er clean sei. „Alkohol wurde noch nie nachgewiesen“, sagte sein Bewährungshelfer.
Gericht lehnt Gutachten ab
Obgleich Verteidiger Jürgen Richter alle Register für seinen Mandanten zog, kam er damit nicht durch. Das Gericht lehnte sein gefordertes psychologisches Gutachten über das Mädchen ebenso ab, wie die Feststellung einer verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten nach durchzechter Partynacht. „Die Beweismittel sind völlig ungeeignet“, wies die Richterin auf Ungereimtheiten, dass sich Zeugen auf Seiten des Angeklagten ja nicht einmal über den Zeitpunkt der Partynacht einig wären.
Wiederholt straffällig
Ein Blick der Richterin ins Strafregister zeigte auf, dass der seit 2004 straffällig gewordene Angeklagte sich wegen einer Vielzahl an Diebstählen und Betrügereien, wegen vorsätzlicher oder gefährlicher Körperverletzung, wegen Erschleichung von Leistungen und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu verantworten hatte. Zwei Mal wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
„Vollumfänglich glaubhaft“
Zu den Plädoyers der Staatsanwältin und des Verteidigers war die Öffentlichkeit wegen intim bezogener Inhalte ausgeschlossen. Richterin Julia Veitinger sagte bei ihrer Urteilsbegründung, dass die Aussagen der Heranwachsenden „vollumfänglich glaubhaft“ gewesen seien, den ungeschützten Geschlechtsverkehr habe der Angeklagte bis in den Mai 2023 weiter betrieben. Die Geschädigte habe sich für ihre Mutter extrem verantwortlich gefühlt. Die Aussagen der Mutter fand sie hingegen nicht überzeugend.