Ein riesiges Loch klafft derzeit vor dem „Deutschen Haus“, denn die Stadtwerke wollen in den Schützenbühl ein Blockheizkraftwerk (BHKW) einbauen. Dazu wurde der Parkplatz abgebaggert und das im ehemaligen Stadtgraben aufgeschüttete Erdreich mit zahlreichen Betonpfeilern und Querstützen gesichert. Auf dem Areal, auch entlang der historischen Stadtmauer wurden etliche Bäume gefällt.

Architekt informiert das Landesdenkmalamt

Das BHKW ist Teil des Nahwärmeprojekts in der Innenstadt, das derzeit in vollem Gange ist. Aktuell sind die Bauarbeiten am Schützenbühl allerdings eingestellt, denn bei den Baggerarbeiten vor dem „Alten Haus“, im ehemaligen Stadtgraben, wurde eine mächtige Mauer entdeckt.

Für die Hangsicherung mussten viele Betonpfeiler eingebracht werden, die mit Querverstrebungen verbunden sind.
Für die Hangsicherung mussten viele Betonpfeiler eingebracht werden, die mit Querverstrebungen verbunden sind. | Bild: Volk, Siegfried

Sofort informierte der Architekt das Landesdenkmalamt und seitdem untersuchen Experten das Gelände, dokumentieren jede Einzelheit und sammeln Informationen, was es mit der 1,70 Meter breiten Mauer auf sich hat. Ist sie womöglich Teil einer vergessenen Stadtmauer oder wird das Fundament eines Wehrturms sichtbar, der als Vorläufer des „Alten Haus“ dort gestanden haben könnte?

Spekulationen um Wehrturm oder vergessene Stadtmauer

Schnell geben die Experten Entwarnung, was Spekulationen um Wehrturm oder frühere Stadtmauer angeht – es handelt sich um eine so genannte „Kontermauer“, die gegenüber der historischen Stadtmauer errichtet wurde. Auch Heimathistoriker Peter Schramm, der sich die Baustelle anschaut, ist ob der Entdeckung verblüfft. Bislang habe niemand von der Existenz der Mauer gewusst. Historisch belegt ist, dass im Jahr 1841 beim „Alten Haus“ die Stadtmauer durchbrochen wurde und mit dem Material dann der Stadtgraben aufgefüllt wurde. Der Zweck war, den Untergrund der neu angelegten Straße, die durch den Durchbruch in die Stadt hinein- beziehungsweise hinausführte, zu stabilisieren. Allerdings waren die Kräfte am Schützenbühl so gewaltig, dass man wohl die Kontermauer errichtete, um die Straße beziehungsweise Gelände zu stabilisieren.

Josef Groner berichtet in der Chronik über Stadtgraben

Unterhalb des „Alten Hauses“ wurde der Hang mit Pfeilern und Beton befestigt, wobei das Gebäude auf einem Felsen steht.
Unterhalb des „Alten Hauses“ wurde der Hang mit Pfeilern und Beton befestigt, wobei das Gebäude auf einem Felsen steht. | Bild: Volk, Siegfried

In seiner Chronik „Pfullendorf im Linzgau“ berichtet Josef Groner, dass Eduard Berenbold, dem damals das „Alte Haus“ gehörte, im Jahr 1907 quer in den Stadtgraben eine Betonmauer hatte bauen lassen, und das Terrain aufschüttete, um Platz für einen Anbau zu schaffen. Der Bau wurde aber nicht errichtet, stattdessen das Areal als Garten und später als Parkplatz genutzt.

Nachbarn wehren sich weiter gegen BHKW-Projekt

An den Parkplatz kann sich Christel Huber-Stiddig, die das Anwesen am Schützenbühl bewohnt, noch als Kind gut erinnern. Mit mehreren Nachbarn wehrt sie sich seit Bekanntwerden der Pläne vehement gegen das geplante BHKW der Stadtwerke.

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Allerdings hat sich der Stadtrat hinter das Projekt gestellt. Aufgeben will Huber-Stiddig noch nicht und so haben sie und ihre Mitstreiter eine Petition gestartet. Sie befürchten unter anderem, dass durch die Grabungen das „Alte Haus“ und an die Stadtmauer angebaute Häuser in Mitleidenschaft gezogen werden. Nach Angaben von Stadtwerkechef Jörg-Arne Bias sind die Ängste unbegründet, denn das „Alte Haus“ sei auf festem Fels errichtet, wie er in einer Stadtratssitzung erklärte.

Baugesuch wurde mehrfach nachgebessert

Das Baugesuch für das BHKW musste mehrfach nachgebessert werden, unter anderem wurde untersucht, ob das Gewölbe unterhalb der Schützenbühls Fledermäuse beherbergte, was nach Angaben des beauftragten Gutachters aber nicht der Fall war. Aber irgendwo müssen die Fledermäuse, die Christel Huber-Stiddig dort beobachtet, ja hausen und so durchkämmen sie und ihre Nachbarn überall die Dachböden und Gebäude auf der Suche nach dem Fledermausdomizil.

Mauerfund bewirkt keinen Baustopp

Eine Auflage für den BHKW-Bau ist übrigens, dass Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes die Arbeiten vor Ort beobachten und begleiten. Die nun entdeckte Mauer bewirkt allerdings keinen Baustopp, sondern der Fund wird kartiert und dokumentiert und dann zugeschüttet. Ein besonderes Auge auf die Bauarbeiten werden die Archäologen allerdings in den nächsten Tagen haben, wenn die Arbeiter die Straße am Durchbruch des „Alten Hauses“ aufgraben, denn darunter befinden sich Überreste der ehemaligen Stadtmauer.

Das „Alte Haus“ – ein rätselhafter Bau

In seiner Chronik „Pfullendorf im Linzgau“ bezeichnet Josef Groner das „Alte Haus“, das im Ruf steht, das älteste bürgerliche Wohnhaus Süddeutschlands zu sein, als „rätselhaften Bau“. Im Türbogen ist das Jahreszahl 1317 eingemeißelt. Niemand wisse, welchem Zweck das Gebäude im 14. Jahrhundert gedient habe. War es Teil der Stadtbefestigung oder ein Wohnhaus? Im Jahr 1714 wurde das Haus renoviert. Groner vermutet, dass damals neuer Wohnraum gewonnen werden und mehr Licht in die Zimmer geleitet werden sollten. Allerdings wurde durch die Sanierung, bei der viele Verstrebungen abgesägt wurden, die gesamte Holzkonstruktion geschwächt. Von 1953 bis 1955 wurde das „Alte Haus“ erneut renoviert, um den Originalzustand wieder herzustellen.

Bewohnt wurde das Gebäude zunächst von den Junkern von Gremlich, später fiel es in das Eigentum der Zisterzienser von Salem, die 1486 das Haus an einen Hans Hemling von Pfullendorf verkauften. Später war das Anwesen wieder im Besitz von Junkern, wobei 1631 die Reihe der adligen Bewohner zu Ende ging. Es folgten viele Familien, darunter der Bäürenwirt, Stadtrichter und Bürgermeister. Seit 1798 gibt es Urkunden, die die Bewohner, sogar nach Stockwerken getrennt, auflisten. Im Jahr 1887 erwarb Schreinermeister Eduard Berenbold das Haus, das 1911 dann von der Spitalstiftung erworben wurde und letztlich 1983 von der Stadt für 180 000 Mark gekauft wurde.