Nur wenige Meter trennen das Anwesen von Christel Huber-Stiddig, hoch über Pfullendorf auf dem Schützenbühl gelegen, von der Stadtmauer und dem „Alten Haus“. Ein Fußgängerweg verläuft an ihrem Haus entlang der Stadtmauer, der von alten, stattlichen Bäumen umsäumt wird. Wer die frisch gemähte Wiese zwischen historischem Wehrwall und Fußweg betritt, sieht eine Stützmauer am Hang, und oberhalb einen Parkplatz.

Kamin mit 20 Meter Höhe wäre sichtbar

Die Stadtwerke planen, diesen Hang quasi zu öffnen, darin ein Blockheizkraftwerk (BHKW) zu errichten, die Baustelle wieder zu schließen und die Parkplätze wieder herzurichten. Vom 14 Meter langen, 13 Meter breiten und sechs Meter hohen BHKW, das für das geplante Nahwärmenetz in der Innenstadt nötig ist, wäre später im Prinzip nur ein 20 Meter hoher Kamin sichtbar. Bekanntlich müssen Anwohner bei Bauvorhaben informiert werden.

Bauvoranfrage wegen Formfehler nichtig

Weil Christel Huber-Stiddig aber nicht unmittelbare Anwohnerin, sondern „nur“ Nachbarin ist, wusste sie von dem Projekt nichts. Erst als eine Anwohnerin im Dezember 2019 eine erste so genannte Bauvoranfrage erhielt, damit aufgeregt zu der pensionierten Lehrerin kam, wurde diese aktiv. Sie holte sich juristischen Rat ein, und der Rechtsbeistand machte klar, dass Huber-Stiddig ein Recht auf Information hat. Wegen Formfehlers war somit der erste Bauantrag nichtig und im April flatterte ihr die zweite Bauvoranfrage ins Haus.

Das könnte Sie auch interessieren

Anwohnerin fürchtet massive Lärmbelästigung

„Ich habe nichts gegen ein BHKW, nur gegen den Standort“, macht Christel Huber-Stiddig im SÜDKURIER-Gespräch mehrfach deutlich und präsentiert auch eine Alternative: Das Grundstück beim Jugendhaus wäre aus ihrer Sicht auch für eine solche Heizzentrale geeignet, die im 24-Stunden-Betrieb läuft. Diese möglichen permanenten Lärmbelästigungen nennt sie auch als wichtigsten Einwand gegen den Standort „Schützenbühl“. Ihr Widerstand basiere selbstverständlich teilweise auf egoistischen Motiven, bekennt sie freimütig, nennt aber noch andere Gründe.

„Wird das Alte Haus womöglich instabil?“

Unvorstellbar ist für die gebürtige Pfullendorferin, deren Mutter einst das Gasthaus „Schützen“ betrieb, dass wenige Meter vom „Alten Haus“ ein 20 Meter hoher Kamin in die Höhe ragt. Eine Frage treibt sie und weitere Betroffene um: Wird der Schützenbühl durch den Eingriff womöglich instabil, und bringt eine erhöhte Einsturzgefahr für Stadtmauer und dem „Alten Haus“?

„Haben nie eine Antwort erhalten“

Ziemlich erbost ist Christel Huber-Stiddig über das Gebaren der Verwaltung. „Auf alle unsere Schreiben haben wir nie eine Antwort erhalten“, weiß die pensionierte Lehrerin dieses Behördenverhalten nicht richtig einzuschätzen: „Ist das Ignoranz oder ist Widerspruch einfach nicht erwünscht?“ Dass der Gemeinderat beziehungsweise zuständige Ausschuss das Bauvorhaben zu Jahresbeginn in nichtöffentlicher Sitzung billigte, passe da gut ins Bild. Jedenfalls hat die Anwohnerin auch gegen die dritte Anfrage einen Einspruch eingelegt.

Zukunftfähiges und nachhaltiges Konzept für Wärme- und Stromversorgung entwickeln

Auf Anfrage des SÜDKURIER bestätigt Stadtwerkechef Jörg-Arne Bias, dass man entsprechend eines Gemeinderatsbeschlusses vom Oktober 2018 ein Gutachten zur Quartiersentwicklung im Altstadtbereich bei der Energieagentur Sigmaringen in Auftrag gegeben habe, um für die denkmalgeschützte Altstadt ein zukunftsfähiges und klimaverträgliches Konzept für die Wärme- und Stromversorgung zu erarbeiten. Dazu würden verschiedene Szenarien entwickelt und eine Möglichkeit sei, ein BHKW zu errichten.

Stadtwerke hoffen auf Entscheidung deutlich vor Weihnachten

„Aus diesem Grund wird aktuell mit sämtlichen Fachbehörden und dem Landesdenkmalamt ein Standort für eine mögliche innovative Nahwärmeversorgung mittels klimaschonender Kraft-Wärme-Kopplung geprüft“, heißt es in der Pressemitteilung der Stadtwerke. Auf Nachfrage des SÜDKURIER erklärt Bias, dass eine solche Bauvoranfrage üblich sei, um die Umsetzbarkeit eines Projekts zu prüfen. Der Stadtwerkechef hofft, dass noch deutlich vor Weihnachten eine Entscheidung über das Projekt getroffen wird. Im März war eine Informationsveranstaltung geplant, die corona-bedingt nun Anfang 2021 stattfinden soll.