Das Schöffengericht im Amtsgericht Sigmaringen hat im Verfahren gegen einen 34-jährigen Straftäter aus Pfullendorf die Überführung in eine Klinik für Suchtmedizin – die Entziehungsanstalt liegt im Bodenseegebiet – angeordnet. Vollzogen wurde dies nach der Urteilsverkündung durch anwesende Polizeikräfte. Vorausgegangen war eine fünfeinhalbstündige Gerichtsverhandlung unter dem Vorsitz von Richterin Isabelle Voß.
Feuer im Container gelegt
Dem Angeklagten wurde zur Last gelegt, eine vorsätzliche Brandstiftung nachgewiesenermaßen im Oktober 2022 in seiner Wohnunterkunft begangen zu haben. Dabei habe er in einem Container am Bannholzerweg von Pfullendorf ein Feuer verursacht, das völlig außer Kontrolle geraten war. Der Mann befand sich in einem psychischen Ausnahmezustand, der vom übermäßigen Kokainkonsum herrührte. Im Prozess taxierte ein Beamter der Stadt Pfullendorf den angerichteten Schaden auf über 40.000 Euro. Nur das schnelle Eingreifen der alarmierten Pfullendorfer Feuerwehr hätte ein Übergreifen des Feuers auf die beiden anderen Containeranlagen verhindert.
Beschuldigter mit Hand- und Fußfesseln im Gerichtssaal
Der unter Bewachung stehende Angeklagte wurde in Hand- und Fußfesseln direkt aus einer oberschwäbischen Suchtklinik vorgeführt. Seine Angaben deckten den Sachverhalt in der Anklageschrift. Durch die fortwährende Einnahme von Betäubungsmitteln hatte er irgendwelche Stimmen in seiner Wohnung vernommen. „Ich wollte diese Stimmen loswerden“, erzählte er im Gerichtssaal, weshalb er sich spätabends auf den Weg machte, eine mitgebrachte Flasche an der nahe gelegenen Tankstelle mit Benzin befüllte, um in seiner Wohnung ein kleines Feuer zu entfachen. „Damit die es sehen und mich in Ruhe lassen“, schilderte er seine wahnhaften Vorstellungen, sie hätten ihn Lebensangst verspüren lassen. Doch als er den rasch sich ausbreitenden Brand bemerkte, hätte er seinen Rucksack gepackt und die Flucht ergriffen. „Hilfe, Hilfe, jemand will mich umbringen“, hätte er in die Nacht gerufen und sich in einer offenstehenden Garage versteckt, ehe er sich dazu aufraffte, bei Angehörigen Unterschlupf zu suchen. Wo ihn schließlich Polizeikräfte nach erfolgreicher Spurensicherung (sein Rucksack lag in der Garage) dingfest machten und in Hechingen dem Haftrichter vorführten.
Job, Partnerin und gemeinsame Kinder verloren
Wegen körperlicher Erkrankung hatte der 34-Jährige nach eigenem Bekunden diverse Morphine von Ärzten verschrieben bekommen, später wurde ihm Methadon als Schmerzmittel verabreicht, bis er über Opioide und Kokain die berauschenden Substanzen weiter immens steigerte. Sie wurden zum Lebensinhalt und beeinträchtigen massiv seinen Alltag. So verlor er seinen inneren Halt, aber auch seinen Job, seine Partnerin und die gemeinsamen Kinder. Auch Alkohol spielte bereits vor Gericht wegen fahrlässiger Trunkenheitsfahrt eine Rolle. Aufenthalte in Psychiatrien und Entzugskliniken brach er zumeist vorzeitig ab, er trug sich mit Suizidgedanken und unternahm auf seiner letzten Station sogar einen Fluchtversuch.
Gutachter schätzt Rückfallrisiko als sehr hoch ein
Ein Gutachter beurteilte dessen Werdegang in multipler Abhängigkeit, die zur depressiven Störung und schwerwiegenden psychotischen Suchterkrankung und zur Paranoia zum Tatzeitpunkt führten. Er schätzte die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls beim Angeklagten als „sehr hoch“ ein und die Sozialprognose in punkto Arbeit und Wohnung als ungünstig, obwohl sein im Zeugenstand vernommener früherer Arbeitgeber erklärte, ihn sofort wieder beschäftigen zu wollen. Der Gutachter sah eine weitere Unterbringung des 34-Jährigen als notwendig an, die Therapiemaßnahme sollte zwei Jahre andauern.
Viele Entzugschancen nicht genutzt
Für den Ersten Staatsanwalt Markus Engel war klar, dass sich trotz der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten die vorsätzliche Brandstiftung tatsächlich so zutrug. Gleichwohl läge keine Einsichtsfähigkeit vor. „Da beißt sich die Katze in den Schwanz“, sagte Engel, dass sich dieser Benzin besorgt und in seiner Obdachlosenunterkunft Feuer gelegt hat, sei ein objektiver Vorsatz. Zudem hätte der Angeklagte zig Entzugschancen in stationären Einrichtungen stets abgebrochen. Jetzt gehe es nur über den Maßregelvollzug und um den Schutz der Allgemeinheit: Den Angeklagten auf freien Fuß zu setzen sei unrealistisch.
Beschuldigter hätte gern fünf Jahre auf Bewährung
Darauf hatte Verteidiger Axel Kästle mit „fahrlässiger Brandstiftung“ plädiert, es sei ganz wichtig, seinem Mandanten über eine ambulante Suchttherapie die Arbeitsaufnahme zu ermöglichen. Doch dies wie auch das letzte Wort des Angeklagten: „Ich will frei sein, ein neues Leben führen, geben sie mir fünf Jahre auf Bewährung“, lehnte das Schöffengericht ab. Richterin Voß hielt den Freiheitsentzug aufrecht und urteilte: „Sie sind zuletzt in einer Abwärtsspirale vor die Wand gefahren, alle stabilisierenden Faktoren konnten sie davon nicht abhalten. Auch der Gutachter garantiert nicht, dass sie keine weiteren Straftaten begehen!“ Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.