Einstimmig hat der Pfullendorfer Gemeinderat beziehungsweise der Spitalfonds am Donnerstagabend die Beauftragung eines zweiten Gutachtens für die Zukunft der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH durch das in München ansässige Büro WMC Healthcare GmbH gebilligt, wobei der 25-prozentige Kostenanteil rund 30 000 Euro beträgt, der Landkreis übernimmt als zweiter Auftraggeber die übrigen 75 Prozent.
Grundsätzliche Stellungnahmen der Ratsfraktionen
Die Fraktionssprecher und Bürgermeister Thomas Kugler nahmen nochmals grundsätzlich Stellung zum Erstgutachten, das die Schließung der Krankenhäuser in Pfullendorf und Bad Saulgau empfiehlt. Etwa 40 Besucher, darunter viele SRH-Beschäftigte, verfolgten die Debatte. Sie hatten sich vor Sitzungsbeginn am Stadthalleneingang postiert und mit Transparenten ihre Meinung klar artikuliert. „Wir kämpfen auf jeden Fall“, versprachen Rathauschef Kugler und Gemeinderäte den Protestierenden.
FW-Sprecher: „Einheit des Kreises steht auf dem Spiel“
Thomas Jacob, Fraktionssprecher der Freien Wähler (FW), fehlt aufgrund der Nähe zwischen SRH und dem Gutachterbüro Curacon das Vertrauen in deren Expertise. „Gibt es eine reelle Chance für drei Krankenhausstandorte?“. Diese Frage soll durch das Zweitgutachten beantwortet werden. Der Landkreis gebe viel Geld für Projekte wie die Heuneburg aus und deshalb müsse auch geprüft werden, ob der Kreis nicht Defizite des Krankenhausbetriebs übernehmen sollte. „Die Einheit des Landkreises steht auf dem Spiel“, ist der FW-Chef überzeugt. Bürgermeister Thomas Kugler ergänzte, dass man die Frage beantworten müsse, „was ist uns die gesicherte Gesundheitsversorgung wert?“, und ergänzte, dass die Betroffenheit im Landkreis über die mögliche Schließung der zwei Klinikstandorte mit zunehmender Entfernung zu Pfullendorf und Bad Saulgau abnehme.
UL: „Alternativen ernsthaft prüfen.“
Die Unabhängige Liste (UL) unterstütze ausdrücklich die Stellungnahmen der Pfullendorfer Kirchen, der Hospizgruppe und des Sozialverbandes VdK zum Erhalt des Pfullendorfer Krankenhauses, erklärte UL-Sprecher Michael Zoller.
Im ersten Gutachten fehlen nach Überzeugung der UL unter anderem ein Nachnutzungskonzept für Gebäude und Einrichtung, die Sicherstellung der BG-Versorgung und der Notfallversorgung und auch die ernsthafte Prüfung von Alternativen, wie der Errichtung eines Gesundheitszentrums, einer Praxisklinik oder eines Primärversorgungszentrums, listete Zoller auf. Eine qualitativ hochwertige Medizin, ausreichend gutes und motiviertes Personal und eine auskömmliche Wirtschaftlichkeit seien sicherlich wichtige Faktoren für eine hohe Qualität der stationären Versorgung im Landkreis, erklärte der UL-Sprecher und schob die Mahnung hinterher: „Der Mensch mit seinen Sorgen, Ängsten und Nöten bezüglich seiner Gesundheitsversorgung darf in diesem System nicht außen vor gelassen werden.“
CDU: „Letzte Chance für ehrliche Kommunikation“
„Wir müssen andere Wege suchen“, erwartet Winfried Potrzeba, der für die CDU/SPD-Fraktion sprach, vom neuen Gutachten kreative Vorschläge für den möglichen Erhalt des Pfullendorfer Krankenhauses. Er sprach von gravierenden Kollateralschäden und richtete eine klare Ansage an SRH: „Das ist die letzte Chance für eine ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe mit uns.“
Gescheiterte Geriatrie als „Bauernopfer“ bezeichnet
Ausnahmsweise erteilte Bürgermeister Kugler einem Besucher das Rederecht und der SHR-Beschäftigte berichtete über die veränderte Stimmung bei SRH seit dem Abgang des früheren Vorstandschefs Klaus Hecking, der sich 2014 maßgeblich für den Einstieg von SRH in der Kliniken GmbH einsetzte. Projekte wie der gescheiterte Betrieb einer Geriatrie in Pfullendorf bezeichnete der Redner als „Bauernopfer für die Öffentlichkeit“.
Zu Beginn der Debatte hatte Bürgermeister Kugler nochmals begründet, warum Pfullendorf mit dem Landkreis ein Zweitgutachten einfordert, das bis Ende 2021 vorliegen soll. Als Mitgesellschafter stelle man sich der Verantwortung gegenüber dem gesamten Landkreis und betreibe keine stupide Blockadehaltung. Die Beteiligung von SRH an der Kliniken GmbH 2014 sei richtig und, dass die Kliniken in Pfullendorf und Bad Saulgau defizitär sind, sei bekannt gewesen, so der Rathauschef. Im neuen Gutachten stünde die Situation der kleineren Häuser ausdrücklich im Fokus, erinnerte Kugler daran, dass das Krankenhaus Pfullendorf eine Nutzfläche von 12 000 Quadratmetern habe. Wenn das Ergebnis des Zweitgutachtens vorliege, liege es an den Gesellschaftern dies zu bewerten, wobei es durchaus zu Streitfällen kommen könne.
Kugler: Politik in Berlin und Stuttgart duckt sich weg
Schier in Rage redete sich Kugler, als er der Landes- und Bundespolitik vorwarf, sich vor den Problem des „kranken Finanzierungssystems in der Gesundheitspolitik“ wegzuducken. Kommunen müssten ausbaden, was „realitätsferne Politiker in Berlin entscheiden“, und das Land komme seiner Verpflichtung für die Krankenhausfinanzierung nicht nach.
Einwohnerversammlung zur Zukunft des Krankenhauses
In der Pfullendorfer Stadthalle findet am kommenden Montag, 25. Oktober, 19 Uhr, eine Bürgerinformation über das medizinische Zukunftskonzept für die SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH statt. Die Stadt beziehungsweise der Spitalfonds Pfullendorf möchten aufgrund der aktuellen Situation und der öffentlichen Diskussion zusammen mit den weiteren Gesellschaftern der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH – der SRH Gesundheit GmbH und dem Landkreis Sigmaringen – sowie der Geschäftsführung der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH das Zukunftskonzept der SRH Kliniken im Landkreis vorstellen. Es besteht auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Für die Veranstaltung gilt die 3-G-Regel. Testmöglichkeiten gibt es vor Ort. Während der gesamten Veranstaltung gilt die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske.