Der Regen hielt gestern mehrere hunderte Menschen nicht ab, für den Erhalt des Krankenhauses zu demonstrieren. Zur Protestaktion aufgerufen hatte die Gewerkschaft Verdi mitsamt den Beschäftigten. „Worte sagen viel. Taten die Wahrheit“, war auf einem Transparent zu lesen, das Beschäftigte aus einem Fenster der Klinik gehängt hatten. Die Einhaltung der Corona-Regeln war ebenso gesichert, wie die polizeiliche Begleitung, als sich der Protestzug vom Krankenhausparkplatz am Oberen Tor vorbei zum Marktplatz bewegte.
Menschen wollen ein Zeichen setzen

Viele Pfullendorfer nutzten die Gelegenheit, um sich mit den SRH-Beschäftigten solidarisch zu erklären und den Schließungsplänen eine eindeutige Absage zu erteilen. „Natürlich muss das Krankenhaus bleiben“, kann sich Rentner Ernst Straka die ehemalige Reichsstadt nicht ohne sein Krankenhaus vorstellen. „Wir müssen doch ein Zeichen setzen. Ob es etwas nützt, steht auf einem anderen Blatt“, erklärte Rita Heun. Ein Blick in die Nachbarschaft zeige, dass kleinere Häuser mit Schwerpunktbildung durchaus existieren könnten, wünscht sich Peter Berdnik von den SRH-Verantwortlichen mehr Fantasie bei den Nutzungskonzepten.
Einstieg der Privaten ermöglicht
„Es ist Zeit, Fragen zu stellen“, eröffnete Verdi-Vertreter Benjamin Andelfinger die Wortmeldungen auf dem Marktplatz. Dass SRH die Schließung der kleineren Häuser mit deren Verlusten begründe, sei nur vordergründig logisch. „Warum müssen Krankenhäuser überhaupt Gewinn erwirtschaften?“, fragte er in die Menge. Klar sei, dass die Politik mit Einführung der Fallpauschale im Jahr 2004 das Ziel verfolgt habe, die Zahl der bundesweit 2500 Krankenhäuser zu reduzieren und die Kliniken zu privatisieren. Tatsächlich hätte in den vergangenen 17 Jahren fast jedes dritte Krankenhaus geschlossen, und besonders viele, die in kommunaler Trägerschaft ein Defizit ausgewiesen haben. Als Lösung habe man der Bevölkerung erklärt, dass private Träger die Kliniken betreiben sollten und diese hätten versprochen: „Wir machen das schon!“

Kritik an „privaten Renditejägern“
Andelfinger sprach von „privaten Renditejägern“, die mindestens sechs bis acht Prozent Rendite pro Jahr für ihren Einstieg forderten. Und nun komme SRH, das 2014 den Erhalt aller drei Standorte vertraglich zugesichert hatte, mit einem Gutachten und erkläre: „Tut uns leid!“ Klar ist für den Gewerkschaftsvertreter, dass kleinere Krankenhäuser wie Pfullendorf und Bad Saulgau nur gerettet werden können, wenn die Gesundheitspolitik verändert wird. Er forderte die SRH-Leitung auf, bei der Neukonzeption für die SRH-Kliniken Landkreis Sigmaringen auch die Beschäftigten und die Bevölkerung einzubeziehen.
Massive Kritik des DGB-Kreisvorsitzenden

Als „unverantwortlich“ bezeichnete im Anschluss DGB-Kreisvorsitzender Jürgen Witt, der bekanntlich für die SPD im Gemeinderat sitzt, die Schließungspläne. „Und alle, die als Kreistagsmitglieder die Kapitalinteressen eines milliardenschweren Konzerns für alternativlos halten und diesen Vorschlag absegnen wollen, zeigen ein beschämend mangelndes soziales Gewissen“, donnerte Witt unter dem Beifall der Teilnehmer. Auch die Landrätin müsse sich fragen lassen, ob sie als Vorsitzende des Aufsichtsrates, also des Kontrollgremiums der SRH-Geschäftsleitung, noch objektiv die Interessen aller Bürger im Landkreis vertrete.
Die Menge quittierte seine Ansage, dass Bürgermeister und Gemeinderat die vorgelegte Konzeption einstimmig ablehnen und man nach Einholung der Zweitmeinung schnell handeln müsse, um eine Schließung zu verhindern.
SPD-Abgeordneter Mesarosch marschiert vorneweg
Der frisch gebackene SPD-Bundestagsabgeordnete Robin Mesarosch, der sich aktiv für den Erhalt der im Juni geschlossenen Geburtenstation in Bad Saulgau eingesetzt hatte, marschierte mit dem Protestzug, der von drei Landwirten auf ihren Traktoren begleitet wurde. „Gesundheit muss sich nicht rechnen müssen“, bezeichnete er das aktuelle Gesundheitssystem als „schwachsinnig“. Er wiederholte seine Vorwürfe, wonach der Hebammenmangel in Bad Saulgau von der SRH verschuldet wurde, die ihr Personal schlecht behandle. Viele Beschäftigte hätten ihm berichtet, dass sich die Arbeitsatmosphäre seit dem Einstieg des Konzerns im Jahr 2014 verschlechtert habe. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen verändern und SRH sich bei der Personalsuche anstrengen. „Wir müssen kämpfen, um bessere Bedingungen an Krankenhäusern zu schaffen“, will Mesarosch nicht locker lassen.

Krankenhausbündnis für Landkreis
Nach knapp 45 Minuten schloss Versammlungsleiter Andelfinger die Kundgebung, wobei er zuvor ankündigte, dass man dabei sei, ein Krankenhausbündnis für den Landkreis Sigmaringen zu schmieden. Mit dem alten Slogan: „Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren“, verabschiedete er sich von der Menge und kündigte an, dass man weiter aktiv sein werde. Trotz des Regens diskutierten viele Menschen auf dem Marktplatz in kleinen Grüppchen weiter. Ihnen hatte der Verdi-Vertreter mit auf den Weg gegeben: „Kommt am 7. Oktober in die Ablach-Halle, wenn der Kreistagsausschuss tagt.“