Der Bauboom hält unvermindert an und mit dem sogenannten Baulandmobilisierungsgesetz, das jüngst in Kraft getreten ist, sollen Kommunen leichter Flächen ausweisen können. Deshalb kehrt auch der Paragraf 13b im Baugesetzbuch zurück, der schon bis Ende 2019 existierte. Er erlaubt Kommunen, am Ortsrand bis zu 10 000 Quadratmeter große Baugebiete auszuweisen. Dabei können sie auf etliche Vorgaben zum Arten- und Naturschutz sowie zur Bürgerbeteiligung verzichten, was sonst Pflicht sind.
Pfullendorf hat aktuell keine konkreten Pläne für weitere 13b-Gebiete
„Die Stadt Pfullendorf begrüßt die Neuauflage des Paragrafen 13b als wirksames Mittel, dem Wohnungsnotstand zu begegnen“, antwortet Hauptamtsleiter Simon Klaiber auf eine SÜDKURIER-Anfrage. Aktuell habe man aber keine konkrete Planung für weitere 13b-Gebiete. Derzeit werde der Flächennutzungsplan der Verwaltungsgemeinschaft Pfullendorf, Wald, Herdwangen-Schönach und Illmensee fortgeschrieben, wo auch künftige Flächen für Wohngebiete aufgeführt sind, die dann in einem Aufstellungsbeschluss konkretisiert werden. Dann könnten in einem Parallelverfahren auch schneller Flächen für den Wohnbau durch einen Bebauungsplan ausgewiesen werden. „Im Zuge der Fortschreibung des Flächennutzungsplanes können sich somit durchaus Möglichkeiten und Notwendigkeiten ergeben, bis zum 31. Dezember 2022 weitere Bebauungspläne im vereinfachten Verfahren aufzustellen“, so Klaiber.
Gemeinde Wald sieht Handlungsbedarf
„Wir erhalten jeden Tag Anfragen wegen Bauplätzen und werden im Herbst darüber beraten, wie wir mit Paragraf 13b umgehen und ob wir neue Baugebiete ausweisen“, sieht Bürgermeister Joachim Grüner aus Wald für seine Kommune durchaus Handlungsbedarf. Denn in den ausgewiesenen Baugebieten „Hürsten II“ in Wald sowie im „Dampferweg“ in Walbertsweiler steht kein Grundstück mehr zur Verfügung. „Und in Sentenhart im Spatzenbühl II sind alle 20 Bauplätze vorreserviert“, ergänzt Grüner, dass im September die Kaufverträge abgeschlossen werden.
Illmensee ist derzeit in der Planung für ein neues Baugebiet
Noch schwieriger ist die Situation in Illmensee. „Im Moment haben wir keinerlei Baugrundstück seitens der Kommune“, antwortet Bürgermeister Michael Reichle auf Anfrage des SÜDKURIER. Es gebe nur noch ein paar Bauplätze, die sich in privater Hand befinden. „Wir sind in der Planung mit einem neuen Baugebiet, hier kommt es für uns sehr gelegen, dass der Paragraf 13b reaktiviert wird“, ergänzt Reichle, dass aktuell die Gespräche mit den Grundstückseigentümern wegen des Flächenkaufs laufen. Wenn diese erfolgreich verlaufen, werde der Gemeinderat einen Grundsatzentscheid fällen, um dann einen Aufstellungsbeschluss zu fassen und in der Folge den Bebauungsplan aufzustellen.
Herdwangen-Schönach plant ohne neue Baugebiete nach Paragraf 13b
Die Gemeinde Herdwangen-Schönach hat nach Angaben von Bürgermeister Ralph Gerster den Paragrafen 13b schon im Jahr 2019 für Aufstellungsbeschlüsse für zwei Gebiete genutzt. „Weitere Baugebiete nach 13b werden aller Voraussicht nicht dazukommen“, so der Rathauschef.
Protest gegen Flächenversiegelung
Gegen eine weitere Flächenversieglung wird der Protest immer größer, zuletzt bei der Verabschiedung des neuen Regionalplans für die Region Bodensee-Oberschwaben, der für die nächsten 15 Jahre etliche hundert Hektar für neue Wohn- und Gewerbeflächen in den Landkreisen Ravensburg, Sigmaringen und Bodenseekreis vorsieht. Als historische Hiobsbotschaft bezeichnet die „Initiative für einen zukunftsfähigen Regionalplan“, in der sich mehrere Dutzend Organisationen, Vereine und Verbände zusammengefunden haben, deshalb die Mehrheitsentscheidung der 56 Mitglieder des Regionalverbandes und setzt seine Proteste fort.
Forderung nach einem nachhaltigen Siedlungsmanagement
Alternativen für eine zukunftsfähige Raumplanung hätten die Umweltverbände und viele weitere Verbände sowie Einzelpersonen im Verlauf der aktuellen Regionalplanung zu Genüge und sehr detailliert aufgezeigt, erklärt dazu Hermine Städele von der Initiative im SÜDKURIER-Gespräch. Sie fordert ein nachhaltiges Siedlungsmanagement mit Innenentwicklung und Verdichtung für bezahlbaren, an den ÖPNV angeschlossenen Wohnraum.
Traum vom Eigenheim soll nicht verboten werden
Auf die SÜDKURIER-Frage, dass sich aber Menschen den Traum vom Eigenheim erfüllen wollen, antwortet Hermine Städele, dass der Eigenheimbau nicht verboten werden soll, gibt aber zu bedenken, dass für viele dieser Wunsch wirtschaftlich nicht machbar ist und künftig deshalb der Quartierswohnungsbau als soziale, ökonomische und ökologische Alternative gefördert werden müsse. Dazu müssten vor allem innerörtliche Brachflächen und bestehende Wohnsubstanz genutzt werden. Sie verweist auf verödende Dorfkerne, wo viele Gebäude oftmals von Alleinstehenden oder von Senioren zu Zweit bewohnt würden, während an der Peripherie neue Häuser gebaut würden. Für Ältere müssten Wohnalternativen ermöglicht werden, damit sie möglichst lange in ihrem Heimatort bleiben könnten. Deshalb ist für Städele ein gutes ÖPNV-Angebot im ländlichen Raum sehr wichtig. Dieser gesellschaftliche Prozess erfordere ein Umdenken, auch was die Lebensweise des Einzelnen und dessen Verantwortung für die nachhaltige Zukunftssicherung angeht. Oftmals klafften zwischen Theorie und Praxis große Lücken, sprich zwischen Bekenntnis beispielsweise zum Umweltschutz oder Tierwohl und dem tatsächlichen Handeln der Menschen.
Änderung des Mietrechts zugunsten der Vermieter
Zustimmung gibt es von Hermine Städele auf die Feststellung, dass es jetzt schon viel ungenutzten Wohnraum gibt, weil potenzielle Vermieter, oftmals nach schlechten Erfahrungen, nicht mehr anbieten. Hier könnte eine Änderung des Mietrechts und zwar im Sinn der Vermieter, möglicherweise helfen, lautet die pragmatische Ansage der Mitbegründerin der „Initiative für einen zukunftsfähigen Regionalplan.“ Auf den SÜDKURIER-Einwand, dass der Regionalverband bei einer Bebauung vorgebe, dass je Hektar mindestens 75 Personen dort wohnen müssen, antwortet die Aktivistin mit einer schlichten Gegenfrage: „Wer kontrolliert wann die Einhaltung dieser Vorgabe?“