Fast 200 Tote, Schäden in Milliardenhöhe, verwüstete Dörfer, zerstörte Straßen, verzweifelte Menschen und Existenznot – die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat in Deutschland für schieres Entsetzen ob der Dimension des Ereignisses gesorgt. Jetzt ist Aufräumen angesagt, wobei die Einsatzkräfte vor Ort von hunderten Freiwilligen unterstützt werden. Viele Existenzen wurden zerstört, darunter zahlreiche Bauernhöfe. Die Häuser eingestürzt, die Ställe überflutet, die Scheunen nicht mehr nutzbar und die Vorräte vernichtet. Äcker und Wiesen stehen unter Wasser, vom Schlamm überflutet, ja vergiftet und die Bauern haben kein Futter für ihre Tiere. Deshalb wurden deutschlandweit Hilfsaktionen gestartet und Landwirte unterstützen ihre Berufskollegen in den Flutgebieten mit Stroh und Heu.
Landwirt Kaltenbach handelt mit Berufskollegen

Alfred Kaltenbach, der in vierter Generation einen Bauernhof in Kleinstadelhofen bewirtschaftet, zögerte keine Minute, als es darum ging, eine Hilfsaktion für betroffene Berufskollegen zu starten. Er weiß, wie wichtig eine solche Unterstützung ist. Er, beziehungsweise seine Familie, hat nach einem verheerenden Feuer auf seinem Hof im Jahr 1969 Hilfe von Nachbarn erhalten, die nach dem Stallbrand Tiere der Familie Kaltenbach bei sich unterstellten und fütterten.
Transporter bringt Gerstenstroh in Flutgebiete
Mit seinem riesigen Gespann erreichte Lkw-Fahrer Ralf Erdmann von der in Dunningen ansässigen Firma Keller den Kaltenbachhof und steuert den Sattelschlepper dann rückwärts zum großen Schuppen, wo das Stroh lagert, das die Landwirte in den Flutgebieten dringend benötigen. Das Gerstenstroh wird als Futter und als Einstreu genutzt. Schon zwei Mal transportierte der 51-jährige Erdmann mit seinem Truck das Stroh direkt bei den Landwirten ab, wobei in Ahrweiler eine große Sammelstelle für die landwirtschaftlichen Hilfsgüter eingerichtet wurde. „Gebäude, Scheunen und Ställe sind zerstört. Die Äcker und Wiesen stehen unter Wasser, sind vom Schlamm geflutet und regelrecht vergiftet“, schildert er seine Eindrücke. In der Region seien besonders viele Pferdehöfe betroffen. Vor zwei Wochen war er in einem Teilort von Euskirchen, wo das Wasser zwei Meter hoch stand. „Auf einem Pferdehof wurden 600 Strohballen einfach weggeschwemmt und es gibt in diesem Jahr keine Ernte“, ergänzt Ralf Erdmann, dass die Landwirte bis ins nächste Jahr auf Futterhilfen angewiesen sein werden.
Hofstelle wird als Sammelstelle genutzt
Die Strohballen sind rasch verladen, und zwar vom 17-jährigen Fabian Kaltenbach. Der Gymnasiast beherrscht das Staplerfahrzeug perfekt und schichtet einen Strohballen nach dem anderen auf den Anhänger. 25 Ballen spendet sein Großvater für diese erste Fahrt und schon treffen die nächsten Wagen und Anhänger mit Stroh ein. Fünf Landwirte aus der Region nutzen den Hof von Kaltenbach als Verladestelle für ihren Beitrag für den Hilfstransport.
Verein zur landwirtschaftlichen Fortbildung will helfen
Wenige Minuten bevor der Hilfstransporter in den Hof von Alfred Kaltenbach einfährt, klingelt sein Telefon. Stefan Käppeler, Vorsitzender des Vereins zur landwirtschaftlichen Fortbildung (VLF) im Kreis Sigmaringen, erkundigt sich nach der Aktion und erklärt, dass er versuchen will, finanzielle Unterstützung zu organisieren. Bei seinem Verein, dem Genossenschaftsverband oder bei anderen Organisationen will Käppeler entsprechende Anträge auf Übernahme beziehungsweise Beteiligung an den Transportkosten für die Lkw-Fahrten stellen. Einig sind sich Käppeler und Kaltenbach, dass die Hilfsaktion noch etliche Monate dauern wird. Wenn es nach dem VLF-Vorsitzenden geht, dann rollt ab September wöchentlich ein Transporter ins Flutgebiet und er wird mit dort ansässigen Futtermittelherstellern Kontakt aufnehmen. Die Idee ist, dass diese Firmen das leere Gespann dann zum Frachttransport nutzen, sodass die Kosten gesenkt werden.