In 61 Stunden von Pfullendorf zur polnisch-ukrainischen Grenze und wieder zurück – mit einem Transporter brachten Christian Sakru und Eugen Gutbrot Hilfsgüter in die Ukraine, und zwar im Auftrag der römisch-katholischen Kirchengemeinde Sigmaringen, unterstützt von Privatleuten und Pfullendorfer Firmen.

Netzwerk wird aktiviert

Am Beginn der Hilfsaktion gab es einen Aufruf via Social Media von Pater Stefan Havlik, der als Militärpfarrer in den Bundeswehrkasernen in Stetten a.k.M. und Pfullendorf tätig ist und im Pfarrhaus in Zell lebt. Er hatte Kontakt zu Schwester Olena Kuts, katholische Ordensfrau in Lwiw (Lemberg). Die Ordensfrau hat in Lwiw eine Zufluchtsstätte für Waisen und geflüchtete Frauen mit ihren Kindern eingerichtet und es fehlt an allem. Pater Stefan Havlik sammelte Geld für die Geflüchteten und Christian Sakru fragte: „Was brauchen die Menschen?“ Der Geschäftsmann aktivierte sein Netzwerk und binnen kurzer Zeit hatte er von den Firmen Admiral und den dm-Märkten Pfullendorf und Sigmaringen einen Transporter, Medikamente, Stromgeneratoren, Schlafsäcke, Mikrowellen bis hin zu Babynahrung, Windeln, Decken und Kissen und 5000 Euro auf dem Spendenkonto von Privatpersonen. Die Landmetzgerei Walk in Sauldorf spendete 400 Portionen Fertiggerichte. Sponsoren ermöglichten zudem den Kauf von 42 Kindermatratzen für das Krankenhaus in Lwiw.

Reisesegen in der Fidelis-Kirche in Sigmaringen

Das Material wurde verladen und das Fahrerduo Christian Sakru und Eugen Gutbrot konnte starten. Zuvor hatten die Beiden den Reisesegen von Pater Stefan Havlik und Pfarrer Ekkehard Baumgartner in der Fidelis-Kirche in Sigmaringen erhalten. Nach 1200 Kilometern erreichten die Pfullendorfer Breslau, von wo es nach Medyka an die polnisch-ukrainische Grenze weiterging.

Im SÜDKURIER-Gespräch schildert Sakru nach der Rückkehr seine Eindrücke. Er berichtet von vielen Hilfstransporten, deren Fracht allerdings nicht abgeholt wird, weil die Helfer ohne vorherige Absprachen und Kontaktpersonen sich auf den Weg gemacht hatten. Man sehe „Berge von Klamotten“, die nicht benötigt würden. Er wiederholt den dringenden Rat der großen Hilfsorganisationen in Deutschland, nicht auf eigene Faust loszufahren, sondern vorher unbedingt den Kontakt mit den erfahrenen Helfern zu suchen. Auf den letzten 15 bis 20 Kilometern vor der Grenzstation sahen die Beiden entlang der Straße viele Fahrzeuge der polnischen Polizei, die das Geschehen überwachen. „An der Grenze sahen wir unzählige Menschen, die sich nach Polen in Sicherheit bringen wollen“, berichtet Sakru auch von Männern, die in umgekehrter Richtung in die Ukraine gehen: „Das sind Reservisten, die dort kämpfen wollen.“

Mulmiges Gefühl bei Grenzübertritt

Die Pfullendorfer Eugen Gutbrot (links) und Christian Sakru (rechts) brachten Hilfsgüter an die polnisch-ukrainische Grenze, wo sie von ...
Die Pfullendorfer Eugen Gutbrot (links) und Christian Sakru (rechts) brachten Hilfsgüter an die polnisch-ukrainische Grenze, wo sie von Schwester Olena Kuts und ihren Helfern erwartet wurden. | Bild: Christian Sakru

Die Pfullendorfer haben eine Kontaktperson – Schwester Olena Kuts. Sie wartet mit Helfern auf die Hilfsgüter aus Deutschland. Die wehrfähigen ukrainischen Männer dürfen die Grenze aber nicht passieren, denn der ukrainische Präsident Selensky hat die Ausreise für alle Männer zwischen 16 und 60 Jahren verboten. Also muss der Transporter in die Ukraine. „Es waren nur 300 Meter, aber das war schon ein mulmiges Gefühl“, erzählt Sakru und ergänzt, dass die polnischen Grenzbeamten sehr freundlich waren. Auf der anderen Seite parkte er sein Fahrzeug direkt neben dem Transporter, mit dem die Spenden nach Lwiw gebracht werden.

Schwester Olena Kuts ist die Freude über die Hilfsgüter anzusehen. Sie berichtet in einer Videobotschaft davon, wie sich Menschen, die den Bombardierungen von Mariupol entflohen sind und bei den Schwestern in Lwiw Obdach gefunden haben, sich am Brot von Bäckermeister Unger aus Altheim erfreuten.

Viel Zeit bleibt den Helfern nicht, denn die Güter müssen dringend nach Lwiw gebracht werden und so machen sich Christian Sakru und Eugen Gutbrot auf den Rückweg. Als sie wieder zuhause sind, informieren sie ihre Unterstützer: „Wir sind in Pfullendorf angekommen!“ Auf die Frage, was ihn zu dieser Aktion bewegt hat, antwortet der Pfullendorfer mit einem Wort: „Nächstenliebe“. Und er fügt mahnend an: „Der Krieg ist verdammt nahe!“

Weiterer Hilfstransport

Am Donnerstag vergangener Woche starteten drei weitere Transporter mit Hilfsgütern der Spendenaktion Ukraine, die von den Pfullendorferinnen Angelika Klug und Anastasia Deisling initiiert wurde, und unter anderem von der evangelischen Diakonie Überlingen/Pfullendorf unterstützt wird. Schon vor zwei Wochen war ein Konvoi mit fünf Fahrzeugen mit Hilfsgütern an die slowakisch-ukrainische Grenze aufgebrochen. Auf der Rückfahrt wurden mehrere Dutzend Geflüchtete in die Region gebracht. Sie kamen in Wohnungen unter, die von Privatleuten zur Verfügung gestellt werden.