Innovativ, kreativ und vorausschauend, so könnte man die Geschäftspolitik von Off Grid Europe bezeichnen. Das Unternehmen ist gerade dabei, seinen Sitz von Heiligenberg nach Pfullendorf zu verlegen. Produziert wird hier im Industriegebiet Hesselbühl schon länger. Trotzdem dürften nur Insider die Firma kennen. In 120 Dörfern im Senegal ist das nicht so. Denn dort sorgen die Pfullendorfer dafür, dass endlich Strom zur Verfügung stehen wird. Der kommt aus aufgeständerten Solar-Paneelen und wird dann in kapazitätsstraken Akkustationen gespeichert und an die Verbraucher abgegeben. 50 Prozent der Bevölkerung des afrikanischen Landes sind nicht an ein öffentliches Stromnetz angeschlossen. „Die Menschen dort wünschen sich vor allem Strom für Wasserpumpen, damit die Frauen nicht mehr kilometerweit Wasser schleppen müssen“, erklärt Geschäftsführerin Christiane Kragh ihren Besuchern. Johannes Kretschmann, Bundestagskandidat der Grünen für den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen, und die ehemalige Europaabgeordnete und Bundestagkandidatin für den Bodenseekreis Maria Heubuch staunen nicht schlecht über die Technik und auch darüber, wie das Projekt im Senegal zustande gekommen ist.
Dorfälteste werden in Projekte einbezogen
Dörfer sollen mit Strom versorgt werden in einem Land, in dem es nur wenig Infrastruktur, aber viel Sonne gibt. Gegen den Willen der Menschen soll die moderne Technik aber nicht Einzug halten. „Man hat dort mit den Dorfältesten gesprochen. Wer nicht will, der braucht nicht mitmachen“, sagt Kragh. Ihr Ehemann und Mitinhaber Mark ist derzeit vor Ort und sorgt dafür, dass einheimische Arbeiter die Stahlfundamente aufbauen, auf denen die Energiecontainer platziert werden. In diesen wird dann die Technik installiert, die dafür sorgt, dass aus der Sonnenenergie Strom wird. In den Containern sind auch die Akkus untergebracht. Die Container werden von Solarpanelen beschattet. Für die richtige Betriebstemperatur sorgt eine elektrische Klimaanlage. Und die wird von Pfullendorf aus gesteuert. Das Internet über ein Mobilnetz oder Satellitenkommunikation macht das möglich. Auch einen Live-Schaltung in den Senegal, von wo aus Mark Kragh die Besucher begrüßt. Mit der Handykamera macht er einen kleinen Rundgang über die Baustelle. Die Stahlträger, auf die die Container kommen, werden im Boden mit einer Art riesiger Schrauben verankert. Beton kommt nicht zum Einsatz. Denn der braucht viel Wasser. Und Wasser, das ist hier Mangelware.

Heubucher und Kretschmann sind beeindruckt. Auch davon, dass 90 Prozent der Technik und des sonstigen Materials in Deutschland produziert sein muss. „Das schreibt die senegalesische Regierung so vor“, erklärt Christiane Kragh. Bevor das komplette Equipment auf den Seeweg gebracht wird, muss erst der deutsche TÜV ran und alles überprüfen. „Made in Germany hat in Senegal einen unheimlich hohen Stellenwert“, betont die Geschäftsführerin. Und auch, dass ihre Mitarbeiter vor Ort zusammen mit Vertretern der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ einheimisches Personal schulen, damit der Technik nicht durch eine Fehlbedienung der Garaus gemacht wird. Es gibt Hilfestellung per Internet oder Mobiltelefon aus Pfullendorf, wenn ein Fehler behoben werden muss.

Johannes Kretschmann kritisierte die Chinesen. „Die betreiben Geopolitik mit zweitklassiger Ware, um sich Rohstoffe und andere Vorteile zu sichern.“ Für Deutschland sei es wichtig, eine Entwicklungshilfe zu machen, die Maßnahmen auch flankiere. Das Engagement der Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW bei der Finanzierung des Solarprojekts im Senegal sei da ein gutes Beispiel. „Ich finde es beeindruckend, dass die Menschen im Vorfeld bereits eingebunden sind und gefragt werden, ob sie ein solches Projekt überhaupt wollen“, betont Maria Heubuch. Off Grid Europe sei eine Firma, die ein Stück weit auch das leiste, was man Transformation in der Wirtschaft nenne. Heubuch: „Hier wird versucht, zukunftsgerichtete Produkte auf den Markt zu bringen. In Afrika bedeutet das auch eine Verbesserung der Lebensqualität der Menschen vor Ort.“
Geschäftsführerin fordert stabile Lieferketten
Die Corona-Pandemie sorgt auch bei Off-Grid-Europe für Probleme. „40 Prozent Preissteigerung bei Stahl, längere Lieferfristen für Komponenten und auch ein eingeschränkter Seetransport“, führt Christiane Kargh an. Ihre Forderung an die Politik ist klar: „Wir brauchen stabile Lieferketten.“ Ein anderes Problem hat nichts mit Corona zu tun. Kharg: „Wir suchen ganz dringend einen Elektriker und einen Leiter für unsere Finanzabteilung.“ Im Senegal sind derzeit 20 Mitarbeiter im Einsatz. Und die sind darauf angewiesen, dass die Lieferungen aus Pfullendorf vollständig ankommen. Der Australier Damien arbeitet gerade im Team mit Bilal aus Bahrein. Der Masterstudent aus Strahlsund macht sich hier mit der Praxis vertraut. In Pfullendorf werden die Container mit der Technik komplett betriebsbereit bestückt und für den Transport dann wieder alles zerlegt. Vor Ort im Senegal kann eine komplette Anlage innerhalb von vier Tagen betriebsbereit gemacht werden.
Off Grid Europe
Die Firma wurde im Jahr 2010 in England gegründet und war Europas größter Wiederverwerter von Solarzellen. 2013 zog man nach Deutschland und begann mit der Entwicklung von Hard- und Software für Solarsysteme. 2015/16 wurde der erste Energiecontainer gebaut. 2020 bekam man den Auftrag, 120 Dörfer im Senegal mit Solarstrom zu versorgen. Produziert wird in Pfullendorf. Die Komponenten stammen von namhaften deutschen Herstellern.
Weitere Informationen: off-grid-europe.com