Die bestmögliche stationäre Gesundheitsversorgung für die Bürger, erbracht durch qualifiziertes Fachpersonal und hochwertiger Medizintechnik. Mantrahaft wiederholten Geschäftsführung und Gesellschafter der SRH Kliniken GmbH bei der Einwohnerversammlung in der Stadthalle ihre Zielsetzung. Von keinem der mehr als 300 Zuhörer gab es Widerspruch gegen diese Ziele, aber heftigen Widerspruch und harsche Kritik an dem Weg, den die SRH dafür einschlagen will – nämlich mit Pfullendorf und Bad Saulgau zwei von drei Krankenhausstandorten im Landkreis zu schließen.
Bündelung der Kräfte ist nötig
Die SRH-Geschäftsführer Jan-Ove Faust und Werner Stalla erläuterten die Situation, die von sinkenden Fallzahlen, medizinischem Fortschritt, Spezialisierung der Ärzteschaft, Fachkräftemangel und der politisch gewollten Zentralisierung der Krankenhauslandschaft geprägt sei. Nur durch die Bündelung der Kräfte am Standort Sigmaringen könne man diese Herausforderungen bewältigen, ist das Duo überzeugt. Landrätin Stefanie Bürkle, die als Vertreterin des Landkreises als zweitgrößter Gesellschafter auf dem Podium saß, sprach von einer „schmerzhaften Diagnose“, und machte deutlich, dass sich viele Landkreise mit dieser Thematik beschäftigen. Man müsse bereit sein, auch Veränderungen zu denken, appellierte sie an die Zuhörerschaft.
Spitalfonds Pfullendorf lehnt vorgeschlagene Schließung ab
„Von einem Kahlschlag im stationären Bereich“, sprach Bürgermeister Thomas Kugler als Vertreter des kleinsten Gesellschafters, des Spitalfonds, dass man die Schließungspläne des Erstgutachtens ablehne. „Es zerreißt einen fast“, befürchtet der Rathauschef, dass das Aus für den Krankenhausstandort eine Ausdünnung in der Ärzteversorgung nach sich zieht. „Die Fakten sind auf dem Tisch“, fordert Kugler eine strategische Betrachtung, machte er klar, dass die Probleme durch Aussitzen nicht gelöst würden.
Land vernachlässigt Pflicht bei den Krankenhausinvestitionen
„Wir waren selbst über das Ergebnis überrascht“, erklärte SRH-Vertreter Werner Stalla zur Schließungsempfehlung des Erstgutachtens. Er wiederholte seine Zusicherung, dass SRH sich mit Rat und Tat bei der künftigen Sicherung der Gesundheitsversorgung einbringen werde. Jan-Ove Faust hatte zuvor Probleme wie Fachkräftemangel, Mindestmengenregelung bei Operationen bis hin zum steigenden Investitionsbedarf angesprochen. Eigentlich ist das Land für diese Aufgabe zuständig, aber seit vielen Jahren wird diese Pflicht nicht erfüllt, sodass die Kliniken mit eigenen Mitteln Investitionen stemmen müsse.
SPD-Stadtrat eröffnet Fragerunde
Man erwarte vom Zweitgutachten keine wesentlichen Abweichungen, erklärte Werner Stalla auf die Frage von SPD-Stadtrat Jürgen Witt, was SRH machen würde, wenn die Zweitmeinung den Erhalt aller drei Standorte ergebe. Gelächter gab es für Jan-Ove Faust, der von Witt auf erhöhte Kündigungen von Pflegekräften angesprochen wurde und erklärte, dass man derzeit einen Rückgang der Fluktuationsquote verzeichne.
Beate Jäger lenkte den Fokus auf die 300 Mitarbeiter, die von einer Schließung der kleineren Häuser betroffen wären. Man rede mit allen und benötige alle, die am Standort Sigmaringen arbeiten wollen, erklärte Faust, schränkte aber ein, dass viele Pflegekräfte nicht in die Kreisstadt wechseln wollen.
Heftiger Widerspruch gegen die Wortwahl „Zerreißprobe für den Landkreis“
„Das sind suggestive Äußerungen“, reagierte Faust ungehalten auf die Vorhaltung von VdK-Chef Fahlbusch, dass SRH ein Image-Problem habe und eine andere Unternehmensphilosophie benötige. Von „falschen Zahlen“ und einer „Zerreißprobe für den Landkreis“ sprach Alfred Kaltenbach, worauf es von Faust (“Das müssen Sie belegen“) und Landrätin Bürkle (“Das Wort Zerreißprobe sollte man nicht in den Mund nehmen“) heftigen Widerspruch gab. Nicht verstehen kann Friedrich Henning, dass die SRH in der Krankenpflegeschule Pfullendorf eigenen Nachwuchs ausbildet, gleichzeitig über Personalmangel beklagt. Man habe die Schulkapazität auf 90 Plätze aufgestockt, aber manche Absolventen entschieden sich für andere Arbeitsstellen, erklärte Geschäftsführer Faust.
Freie Wähler fragen nach Konzept von 2017
„Warum wurde das Konzept von 2017 nicht umgesetzt? Warum gibt es in Pfullendorf keine Geriatrie?“, hakte FW-Fraktionschef Thomas Jacob ein. Durch neue, strukturellen Vorgaben sei die Idee, an den kleineren Standorten sogenannte „Leuchttürme“, sprich Spezialangebote zu machen, nicht umsetzbar gewesen, antwortete Faust. Und auch die Geriatrie hätte in Pfullendorf nicht zum Erfolg geführt, da man hierfür ein multiprofessionelles Team benötige und vor allem, weil Geriatrie die Unfallchirurgie als Partner benötige. FW-Gemeinderat Karl Abt zitierte ein Interview von Ex-Geschäftsführerin Melanie Zeitler-Dauner, die noch im Januar 2020 erklärte, dass die SRH Kliniken GmbH dank des Medizinkonzepts mit Schwerpunktbildungen die „Trendwende“ geschafft habe. „Was hat sich seit Januar 2020 verändert?“, wollte Abt wissen. Werner Stalla wiederholte, dass sich der Trend zur Ambulantisierung und der Fachkräftemangel sich verstärkten und man musste deshalb diese Entscheidung revidieren.
SRH-Geschäftsführer versichert, dass man sich an Vertrag hält
Josef Freudemann erinnerte an die Zusicherungen des 2014 geschlossenen Vertrages mit SRH: „Sind die Verträge das Papier noch wert?“, fragte er und erhielt von Stalla die eindeutige Antwort: „Wir halten uns an den Vertrag.“ Dieser beinhaltet eine Bestandsgarantie für die drei Standorte, bestätigte Bürgermeister Thomas Kugler und ergänzte, dass man durch das Zweitgutachten etwas Zeit gewonnen habe.
Hugo Müller erinnerte an den jahrhundertealten Auftrag der Spitalstiftung zur Pflege von Kranken und Armen und fragte, warum ein kleines Krankenhaus wie Stockach quasi nicht vom „Aus“ bedroht ist. Er habe dort keine konkreten Einblicke, sprach Faust sibyllinisch von Gerüchten, die er nicht wiedergeben wolle.
Krankenhaus Pfullendorf verursachte stets Defizit
Von Rathauschef Kugler gab es einen Exkurs in die Geschichte des Krankenhauses Pfullendorf, das vom Spitalfonds für 60 Millionen DM saniert wurde, aber dessen Betrieb jährlich 500 000 bis 800 000 DM Verlust verursachte. „Ohne die Fusion mit dem Landkreis und später mit der SRH wäre das Krankenhaus schon lange zu“, gab es von ihm ein klares Bekenntnis zu den SRH-Partnern. Schon vor dem Eintritt von SRH hätten Berechnungen ergeben, dass man sich für Pfullendorf und Bad Saulgau einen Jahresverlust von einer Million leisten könne, da Sigmaringen stets Gewinne erwirtschaftet habe.
Bürger diskutieren nach der Veranstaltung
Zum Abschluss der 2,5-stündigen Veranstaltung beteuerte Kugler, dass sich alle Verantwortlichen mit großer Ernsthaftigkeit mit der Kliniksituation beschäftigen. Dass auch die Bürger das Thema umtreibt, zeigten die vielen Grüppchen die im Saal und Foyer noch lebhaft diskutierten.